Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Pilotanlage mit deutschem Know-how entsteht nahe Antwerpen

Niederländer recyceln Styropor

In den kommenden Jahren werden Millionen Tonnen alte Styropor-Dämmung anfallen. © Industrieverband Hartschaum

Die Entsorgung von Dämmungen aus Polystyrol will ein Konsortium aus 58 Unternehmen revolutionieren. Bisher wandern abgerissene Dämmstoffe in die Müllverbennung. In einer Demonstrationsanlage in den Niederlanden sollen sie aufgelöst werden, um sie später vollständig wiederzuverwenden.

Geplant ist die Demonstrationsanlage, die jährlich 3000 Tonnen Polystyrol verarbeiten soll, in Terneuzen nahe Antwerpen. Sie soll Anfang 2019 ihre Arbeit aufnehmen, berichtet Lein Tange, Direktor der Polystyrene Loop Kooperative.

Angewandt wird ein Verfahren, das die Firma Creacycle und das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV schon 2004 entwickelt haben. Im als Markenzeichen eingetragenen Creasolv-Prozess werden Lösemittelmischungen für das Recycling verschiedener Kunststoffe eingesetzt. Bei der Behandlung von Dämmungen aus Polystyrol kann das Ausgangsmaterial sortenrein ausgefällt werden. Auch Verunreinigungen und das inzwischen verbotene Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) können gut abgetrennt werden. Es wurde 2013 als langlebiges organisches Umweltgift (persistant organic pollutant – POP) eingestuft. Die Verwendung als Flammschutzmittel ist inzwischen verboten.

Entsorgungsstau aufgelöst

2015 entschied der Bundesrat, dass Dämmungen aus Polystyrol mit HBCD gefährlicher Abfall sind. Das führte zu Entsorgungsengpässen, so dass die Entscheidung des Bundesrats ausgesetzt wurde. Eine neue Verordnung sieht nun vor, dass HBCD-haltige Dämmungen getrennt erfasst werden müssen, aber in normalen Müllverbrennungsanlagen verbrannt werden dürfen.

Gebaut wird die Demonstrationsanlage zum Recycling der alten Dämmungen neben einer Anlage der Firma ICL, einem der größten HBCD-Hersteller weltweit. Nach dem Verbot von HBCD hatte die Anlage Überkapazitäten und Lein Tange, damals noch bei ICL angestellt, startete das Projekt Polystyrene Loop. "Zuerst war es schwierig, aber mit der EU-Plastikstrategie wuchs das Interesse sehr schnell", berichtet er. Die Plastikstrategie wurde Mitte Januar vorgestellt. Ziel ist, die Recyclingraten in der EU zu erhöhen.

In der bestehenden Fabrik von ICL am Standort Terneuzen wurde bisher HBCD aufbereitet, das im Produktionsprozess als nicht rein genug abgeschieden wurde. Man hat dort also schon eine gewisse Erfahrung mit dem Prozess. Die geplante und die alte Anlagen teilen sich die Infrastruktur wie Dampf- und Abwasserleitungen. Auch das in der Demonstrationsanlage abgeschiedene HBCD soll in die alte Anlage wandern und dort zum heute genutzten Ersatzstoff PolyFR aufbereitet werden.

"Es ist ein guter Weg, Ressourcen zu sparen"

Das benötigte Styropor soll in Deutschland, Belgien und den Niederlanden eingesammelt werden. Noch laufe das Genehmigungsverfahren für die Demonstrationsanlage, aber alle Verträge mit dem Fraunhofer-IVV und der deutschen Ingenieurgesellschaft EPC zum Bau der Anlage seien bereits unterschrieben, sagte Tange.

Ulrich Meier, technischer Geschäftsführer des Industrieverbandes Hartschaum, begrüßt das Projekt, auch wenn das HBCD-Entsorgungsproblem erst einmal vom Tisch ist: "Man muss auch weiter blicken und als Industrie gewappnet sein. Es ist ein guter Weg, Ressourcen zu sparen und es wäre sicherlich kurzsichtig zu sagen: Wir haben jetzt ein neues Gesetz und das reicht uns", meint er. Im Gegenteil könne die EPS-Industrie mit einer Anlage wie der in Terneuzen Vorbild für andere Branchen sein.

Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens Conversio im Auftrag der Beteiligungs- und Kunststoffverwertungsgesellschaft von 2017 sind in Deutschland etwa 7,2 Millionen Tonnen EPS- und XPS-Dämmstoffe verbaut, die mit HBCD ausgerüstet sind. In den nächsten 50 Jahren rechnet man in der Europäischen Union mit zirka 20 Millionen Tonnen. Ist das jetzt in der Erprobung befindliche Verfahren etabliert, sollen größere Anlagen in Deutschland und Polen gebaut werden. Tange berichtet, dass er dazu bereits Gespräche führt. Schon 2019 könnte die Entscheidung für eine weitere Anlage in Deutschland fallen, kündigt er an.

Kunststoffrecycling als Herausforderung

Das wäre sicherlich im Sinne der Erfinder des Creasolv-Verfahrens, Gerald Altnau. Der Geschäftsführer von Creacycle sieht die Kompetenz seines Unternehmens in der Auswahl der richtigen Lösemittel, während die Kooperationspartner Fraunhofer IVV die Verfahrenstechnik entwickelte und die EPC Engineering & Technologies die Anlagen baut.

"Beim Verbrennen verschwendet man die immense Energie, die zur Produktion des Polystyrols aufgewendet wurde", sagt Altnau. Er ist seit über 30 Jahren in der chemischen Industrie tätig und betrachtet Kunststoffrecycling als gesellschaftliche Herausforderung, besonders in Industrieländern mit hohen Müllverbrennungskapazitäten. "Jedes Kilo Kunststoff, das recycelt wird, ist ein Marktverlust für die Produzenten", sagt er. Wenigstens sei seit Juni 2017 in Deutschland die sogenannte Heizwertklausel weggefallen. Sie existierte seit 2012 und wurde von deutschen Umweltverbänden als nicht-euoparechtskonforme Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie bei der EU-Kommission angezeigt, da sie das Verbrennen gefördert und mit dem Recycling gleichgesetzt hat.

Die Bundesregierung rechnete 2017 mit 42.000 Tonnen HBCD-haltigen Polystyrolabfällen jährlich in Deutschland. "Dafür könnten Sie vier Recyclinganlagen bauen", sagt Altnau. "Nachdem jetzt die erste Pilotanlage mit Unterstützung vieler Firmen, des niederländischen Umweltministeriums und der EU in den Niederlanden errichtet wird, wäre es befriedigend, wenn es auch bald eine in Deutschland gäbe, wo das Verfahren entwickelt wurde." von Susanne Ehlerding

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