Heizung und Warmwasser
Quelle: Pia Grund-Ludwig

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Virtuelles Kraftwerk steuert elektrische Wärmeerzeuger in Echtzeit

Projekt koppelt Ölheizung und Windstromnutzung

Öl-Brennwertheizung und Windstrom werden kombiniert. © Iwo

In Schleswig-Holstein ist die erste Wind-und-Wärme-Modellregion an den Start gegangen, die überschüssige Windenergie zur Wärmeversorgung nutzt. Über ein virtuelles Kraftwerk werden elektrische Wärmeerzeuger, die in die Wärmespeicher von Öl-Hybridheizungen eingebaut wurden, in Echtzeit ferngesteuert.

In der Gemeinde Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog im Kreis Nordfriesland ist eine bundesweit einmalige Wind-und-Wärme-Modellregion eingeweiht worden. Im Rahmen des Projektvorhabens wird Windenergie immer dann zur Wärmeversorgung vor Ort genutzt, wenn die überregionalen Stromnetze diesen nicht aufnehmen können. Dafür wurden in 13 Gebäuden Öl-Hybridheizungen mit einem virtuellen Kraftwerk verbunden. Ins Leben gerufen wurde die Wind-und-Wärme-Modellregion von der Arge Netz aus Husum, dem Bürger-Windpark Lübke-Koog Infrastruktur, der Gemeinde Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog und dem Hamburger Institut für Wärme und Oeltechnik (Iwo). Zudem wird das Projekt durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) gefördert und von der Allianz Norddeutsche Energiewende – NEW 4.0 gefördert. 

"Um die Klimaziele zu erreichen, ist es wichtig, jede Kilowattstunde aus erneuerbarer Energie zu nutzen", erklärt Stephan Frense, Geschäftsführer Arge Netz. "Dafür ist es notwendig, die Sektoren Strom und Wärme intelligent miteinander zu verbinden." Die neue Modellregion im Norden Schleswig-Holsteins soll als Beispiel für diese Sektorenkopplung dienen. "Wir zeigen damit, wie technologieoffene Lösungen die Energiewende voranbringen", so Iwo-Geschäftsführer Adrian Willig. "Hybridheizungen, die verschiedene Energiequellen nutzen, können dabei wertvolle Beiträge leisten."

Windstrom nutzen statt abregeln

Die Wind-und-Wärme-Modellregion soll aufzeigen, wie ein Problem gelöst werden kann, das sich durch das schwankende Angebot von erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenkraft ergibt. Wird deutlich mehr Strom produziert als verbraucht, können die überregionalen Übertragungsnetze diesen nicht immer aufnehmen. Die Folge sind so genannte Abregelungen: Dafür werden Windkraftanlagen aus dem Wind gedreht, obwohl sie erneuerbaren Strom produzieren könnten. Dies wird auch nach dem Stromnetzausbau eine Herausforderung bleiben, wenn zugleich der Anteil der erneuerbaren Stromproduktion wie vorgesehen steigt. In der Modellregion wird die ansonsten ungenutzte Energie gleich vor Ort zur Wärmeversorgung von Häusern genutzt. Dafür sorgen Hybridheizsysteme, die Wärme wahlweise mit Heizöl oder Windstrom erzeugen können. Dazu wurden in die Wärmespeicher der Heizungsanlagen elektrische Wärmeerzeuger eingebaut, die über ein virtuelles Kraftwerk, das Erneuerbare-Energien-Kraftwerk der Arge Netz, in Echtzeit ferngesteuert werden. "Durch die Einbindung des ansonsten abgeregelten Windstroms muss weniger Heizöl eingesetzt werden, um das Wasser im Heizsystem auf die gewünschte Temperatur zu erhitzen", sagtt Hans-Detlef Feddersen vom Bürger-Windpark Lübke-Koog. 

Wie hoch die Einsparungen sind, wird nun in den kommenden zwölf Monaten gemessen. Durch den hybriden Aufbaus der Heizungen ist es möglich, gezielt ausschließlich ansonsten abgeregelten Windstrom zur Wärmeerzeugung zu nutzen. Ist dieser nicht verfügbar, übernimmt die Öl-Brennwertheizung. Um weitere Potenziale zur Einsparung von Treibhausgasemissionen zu überprüfen, hat das Iwo im Rahmen der Modellregion auch einen erneuerbaren Energieträger aus Reststoffen zum Einsatz gebracht, der dem klassischen Heizöl beigemischt wurde. Ein Prozess, von dem die Mineralölindustrie profitieren könnte, denn die arbeitet daran sich im Bereich der erneuerbaren Energien einen Platz zu sichern. Unter anderem will sie fossile Brennstoffe per Power-to-liquid-Technologie durch Flüssigbrennstoffe auf Basis erneuerbarer Rohstoffe ersetzen.

Der Lübke-Koog, direkt am Hindenburgdamm zur Insel Sylt gelegen, bietet als Standort für das Vorhaben beste Bedingungen. "Wir haben hier 30 Windenergieanlagen mit rund 70 Megawatt Leistung“, erklärt Bürgermeister Christian Nissen. Sollten sich die Vorteile des Konzepts der Modellregion bestätigen, könnte der Lübke-Koog zum Vorbild für weitere Gemeinden werden. Das Potenzial für eine großflächige Nutzung wäre gegeben. Allein in Schleswig-Holstein gibt es nicht nur viel Wind, sondern auch rund 200.000 Ölheizungen. Damit sich das Konzept durchsetzen kann, muss allerdings ein angemessener regulatorischer Rahmen geschaffen werden. Hierzu ist es nach Meinung der Projektpartner insbesondere notwendig, Anreize für eine flexible Stromnachfrage zu schaffen, zum Beispiel indem staatliche Abgaben und Umlagen auf ansonsten abgeregelten erneuerbaren Strom deutlich reduziert werden. Hier sei der Gesetzgeber gefragt. Quelle: / al

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