Strategien auf dem Weg zu Plusenergiehäusern in Neubau und Sanierung standen im Mittelpunkt eines halbtägigen Forums auf der Fachmesse Deubau in Essen. Das Fazit: Für Solarthermie könnte es schwierig werden, sich bei solchen Konzepten zu behaupten. Bessere Chancen haben meist Wärmepumpen, die mit Strom aus der Fotovoltaikanlage versorgt werden.
Ein Vorzeigeprojekt der Bundesregierung ist das von Werner Sobek entwickelte und im Dezember 2011 fertiggestellte Plusenergiehaus, das in Berlin in der Fasanenstraße steht. Man habe dabei ein Konzept realisieren wollen, das architektonisch überzeugt, für neue Nutzungen umbaubar ist sowie recyclingfähig, nannte Hans-Dieter Hegner, Referatsleiter für Bauforschung im Bundesbauministerium, die Kriterien. Das Gebäude wird zu 100 Prozent regenerativ beheizt und sei inklusive der Dämmstoffe recycelbar, betonte Hegner.
Im Entwurf war Solarthermie vorgesehen, entstanden ist ein "Nur-Strom-Gebäude". Das sei eine Entscheidung des Architekten Werner Sobek gewesen, sagte Hegner. Der habe sich für die Fotovoltaik entschieden, da ein Gebäude mit nur einem System auf dem Dach wirtschaftlicher sei. Das sei aber bei vom Bund geförderten Plusenergiehäusern keineswegs zwingend.
Von Professor Norbert Fisch gab es dagegen bei Plusenergiehäusern im Folgevortrag eine ganz klare Absage an Solarthermie. Solarthermie sei wirtschaftlich nicht mehr vertretbar und zu teuer geblieben. Durch den Preisverfall für Fotovoltaik sei der Betrieb einer Wärmepumpe mit Solarstrom wirtschaftlicher. Er sehe "eine Riesen-Renaissance der Wärmepumpe". Sie könne bei derzeitigen Preisen für Solarstrom Warmwasser für 6 Cent pro Kilowattstunde aus Solarstrom liefern.
Carsten Kuhlmann, Leiter der Arbeitsgruppe Solar des Bundesverbandes Deutschland für Haus, Energie- und Umwelttechnik (BDH) hat jedoch in einem Gespräch mit EnBauSa.de darauf hingewiesen, dass Erzeugung und Bedarf im Heizbetrieb nicht wirklich gut zusammenpassen. Während die Fotovoltaikanlage vor allem im Sommer Strom produziert, liegt der Bedarf der Wärmepumpe im Winter. Ähnlich wie bei der Solarthermie überschneiden sich Angebot und Nachfrage im Heizbetrieb daher nur geringfügig.
"Je nach Anlagenkonfiguration und Größe des Pufferspeichers können im Heizbetrieb maximal knapp fünf Prozent des Strombedarfs der Wärmepumpe durch die Fotovoltaikanlage auf dem Dach gedeckt werden", berichtet Kuhlmann. Anders sei es bei der Trinkwassererwärmung. Da könne Fotovoltaik 50 Prozent Anteil per Wärmepumpe schaffen.
Für Fisch steht dagegen die Erhöhung des Eigenverbrauchs von Solarstrom im Mittelpunkt. Das unterscheide ihn auch vom Freiburger Plusenergiehausarchitekten Rolf Disch, betonte er. Entsprechende Konzepte testet er in einem Wohnhaus in Stuttgart, in naher Zukunft sollen Plusenergiesiedlungen in Stuttgart-Heumaden mit 50 Wohneinheiten und in Esslingen mit 1.500 Wohneinheiten entstehen.
Lösungen für Plusenergiehäuser gibt es seit einiger Zeit auch von Fertighausbauern. Zu sehen sind sie derzeit unter anderem von Bien-Zenker, Huf, Finger, Luxhaus, Schwörer und Weber in der Fertighauswelt Köln. Torsten Schneider, Technikexperte bei Huf Haus, stellte das Konzept in seinem Vortrag auf der Deubau vor. Auch Huf setzt im Musterhaus auf eine Wärmepumpe. Es ist eine Sole-Wasser-Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von 4,3, die im Sommer auch zum Kühlen verwendet werden kann. Um lange Laufzeiten ohne zu viele Starts und Stopps der Pumpe zu erreichen, gibt es einen großen Pufferspeicher. Die Lüftung arbeitet mit einem Wärmerückgewinnungsgrad von bis zu 95 Prozent und mit Feuchterückgewinnung, um trockene Luft in den Heizmonaten zu vermeiden.
Über ein Plusenergiehaus, das aus der Gebäudesanierung entstanden ist, berichtete Professor Karsten Tichelmann von der Versuchsanstalt für Holz- und Trockenbau in Darmstadt. Das 2011 zum Plusenergiehaus umgerüstete Musterwohnhaus aus den 1970er Jahren kommt ohne fossile Energien aus und ist in der Bilanz energieautark. Spannend sei das Projekt auch deshalb, weil der sanierte Bautyp 12.000 mal im Rhein-Main-Gebiet gebaut wurde, erklärte Tichelmann.
Dabei hatte man mit ungewöhnlichen Hürden zu kämpfen: "Die Sanierung war ambitioniert, denn eigentlich war das Objekt aufgrund der Ost-West-Ausrichtung für Plusenergie ungeeignet", erklärte Tichelmann. Entstanden ist auch hier ein strombeheiztes Haus.
Die Haustechnik sei "kein Hightech", betont Tichelmann. Sie umfasst eine Luft-Wasser-Wärmepumpe und optional einen Holzkamin mit Wasser-Wärmetauscher zur Entlastung der Wärmepumpe an Spitzenlasttagen mit geringen Außentemperaturen. Der Warmwasserspeicher mit Frischwassermodul fasst 750 Liter. Geheizt wird mit Fußbodenheizung, zusätzlich gibt es eine Wandflächenheizung im Badezimmer. Die mechanische Niederströmungs-Lüftungsanlage arbeitet mit bis zu 90 Prozent Wärmerückgewinnung.
Die Fotovoltaikanlage ist dachintegriert und soll einen Jahresertrag knapp 10.000 kWh bringen. Bei der Auswahl der Materialien wurde darauf geachtet, dass auch hier eine positive Energiebilanz entsteht. Deshalb habe man aufgrund des hohen Primärenergiebedarfs auf eine Putzfassade verzichtet, so Tichelmannn. Das erste Gebäude ist seit Dezember bezogen, 18 weitere sollen in den nächsten Monaten folgen.
von unserer Redakteurin Pia Grund-Ludwig