Heizung und Warmwasser
Quelle: Pia Grund-Ludwig

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Zwischen fünf und zehn Prozent Energie lassen sich sparen

Heizungsdigitalisierung: Einsparpotenzial ist überschaubar

Beim Projekt Proshape wurden mit den Nahwärmeleitungen auch Glasfaserkabel verlegt. © Alexander Morhart

Digitalisierung ist "in", auch in der Heizungstechnik. Aber wieviel Energie spart man damit wirklich? Wer versucht, Fachleute auf Zahlen festzulegen, landet am Ende bei der klaren Aussage: "Es kommt drauf an." Eine Bandbreite lässt sich aber immerhin benennen.

Bei der Recherche stößt man schnell auf eine kleine Studie, erstellt vor zwei Jahren beim Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden unter Professor Bert Oschatz. Bezahlt hat sie eine Tochtergesellschaft des Branchenverbands BDH; es handelt sich also um Auftragsforschung. Für ausreichende Neutralität spricht aber – abgesehen von dem Ansehen, das Oschatz in der Fachwelt genießt,– dass die Studie sowohl von der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur (Dena) als auch vom Bundesverband neue Energiewirtschaft (bne) als maßgeblich anerkannt wird.

Die Studie berücksichtigt sechs digitale Optimierungsmaßnahmen und schätzt anhand ausgewerteter Literatur und mit eigenen Berechnungen das Einsparpotenzial für ein Einfamilienhaus mit 125 Quadratmeter Wohnfläche ab, unterschieden nach Alt- und Neubau. Die Ergebnisse sollen auch für Zweifamilienhäuser gelten.

Verbrauchsvisualisierung hat größten Effekt

Als größter Einzelposten in einem Neubau mit fossilem Brennwertkessel oder Luftwärmepumpe stellt sich die Visualisierung von Verbrauchsdaten heraus. Werden den Bewohnern Wärme- und Warmwasserverbrauch gut sichtbar angezeigt, schränken sie sich um bis zu zehn Prozent ein. Ein zweiter wichtiger Posten ist die sogenannte selbstadaptierende Heizkurveneinstellung. Wenn die Heizung nur so viel Wärme bereitstellt, wie sich aus der laufenden Messung der Heizflächen ergibt, kann das bis zu acht Prozent Einsparung bringen. In der gleichen Größenordnung bewegt sich der Effekt, wenn man die Zirkulation im Trinkwarmwasser-Netz einschränkt, zum Beispiel abhängig von der Anwesenheit der Bewohner. Hier werden nicht nur Wärmeverluste am Rohrsystem eingespart, sondern auch elektrische Energie für die Pumpen.

Weitere „digital“ ermöglichte Einsparungen ergeben sich daraus, dass die Haustechnik nur die Räume beheizt, in denen sich gerade jemand aufhält und bei denen die Fenster geschlossen sind; aus einer Steuerung der Heizung nach einer Wetterprognose aus dem Internet; und aus einem vereinfachten hydraulischen Abgleich. Im Neubau bringen solche Maßnahmen einzeln jeweils bis zu vier Prozent. Da sich die Wirkungen zum Teil überschneiden, liegt die Einsparungssumme unterhalb der Addition aller Einzelposten – nämlich bei etwa 15 Prozent.

Im Altbau mit einem Niedertemperaturkessel bringt zum Beispiel die digital gesteuerte Heizkurveneinstellung im schlechtesten Fall nur rund 1,5 Prozent Einsparung. Auch die mögliche Einsparungssumme ist unter dem Strich mit etwa acht Prozent viel niedriger als im Neubau. Als mittleren Wert für das Einsparpotenzial nennen die Dresdener Forscher 11,5 Prozent. Die beiden entscheidenden Beiträge kommen auch bei einem solchen durchschnittlichen Gebäude mit je fünf Prozent von der Visualisierung der Verbrauchsdaten und von der selbstadaptierenden Heizkurveneinstellung.

Gesamteinsparpotenzial ist überschaubar

Die Dresdener heben bei ihrer Abschätzung vor allem auf den Zustand der Gebäudehülle ab – und darauf, wie alt der Heizkessel ist. Wieviel mit Digitaltechnik einzusparen ist, hängt aber noch von weiteren Faktoren ab, sagt Jörg Schmidt von Viessmann: „Man muss die sozioökonomischen Umstände betrachten: Wohnt im Haus ein Mensch, zwei, drei oder vier? Sind es vier Erwachsene oder zwei Erwachsene und zwei kleine Kinder? Sind sie oft in Urlaub? Sind beide Eltern berufstätig?“ Die Sache mit dem Urlaub schlägt sich denn auch eindrucksvoll in den Tabellen der Dresdener nieder, wobei hier die Wirkung gerade bei kaum gedämmten Häusern (Wärmeschutzverordnung 77) am stärksten ist. Um 3,1 Prozent kann sich der jährliche Endenergiebedarf allein dadurch verringern, dass die Heizung während eines einwöchigen Skiurlaubs abgeschaltet wird.

Bei den anderen Einsparposten zeigt die Tendenz allerdings klar in die andere Richtung: Je älter die Haustechnik, desto weniger lässt sich digital erreichen. Und so gibt sich Jörg Schmidt keinen Illusionen hin. Im Idealfall seien 15 Prozent zwar erreichbar, „wenn man aber überlegt, dass maximal 25 Prozent der Häuser solchen Bedingungen entsprechen, ist das Einparpotenzial überschaubar.“

Christian Müller von der Dena merkt an, es lägen bisher so wenig Daten aus der Praxis vor, dass man das Potenzial vor der Umsetzung der Maßnahmen nicht zuverlässig abschätzen könne. Müller vergleicht das mit der Umstellung auf einen Brennwertkessel: „Theoretisch habe ich da ein Einsparpotenzial von bis zu 30 Prozent. Ob der Kessel aber tatsächlich im Brennwertmodus läuft und diese Einsparung bringt, stellt sich vielleicht erst im Betrieb heraus.“ Häufig brauche es erst noch einen hydraulischen Abgleich, damit die Anlage optimal funktioniere.

Während es zu Einfamilienhäusern immerhin die Oschatz-Studie gibt, tappt man bei großen Mehrfamilienhäusern ziemlich im Dunklen. Wer sich vom „Proshape“-Projekt des Berliner Borderstep-Instituts zu dieser Frage belastbare Daten erhofft hatte, wurde enttäuscht. Bei dem Vorhaben wurden für 224 Wohnungen der Berliner Genossenschaft "Zentrum" Glasfaserkabel verlegt, und jeder Raum wurde mit Temperatursensoren und steuerbaren Heizungsventilen ausgerüstet. Bei einer Zwischenbilanz im Jahr 2016 hatte es zunächst geheißen, es lägen noch nicht genügend Messergebnisse vor.

Fast drei Jahre später ist aus der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin – hier wurde das Projekt unter anderem messtechnisch betreut – zu hören, man könne nicht mit weiteren Informationen dienen.

Digitalisierung frisst auch Strom

Was beim Thema Digitalisierung oft vergessen wird: Die eingesetzten Geräte und deren Vernetzung benötigen selbst Energie, nämlich Strom. Allein für den zusätzlichen Strombedarf einer Vernetzung mit WLAN muss man bei einer normalen Wohnung mit jährlich 330 Kilowattstunden rechnen.

Das frisst bereits 15 Prozent der möglichen Einsparung aus digitaler Technik wieder auf – beziehungsweise verlagert diesen Anteil lediglich von Gas oder Öl auf Strom. In den Vorgesprächen für diesen Beitrag sprachen denn auch mehrere Experten von sich aus an, dass das Haupteinsparpotenzial nicht digital sei, sondern schlicht im Austausch des Heizkessels bestehe. Alena Müller vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft erinnert daran, dass das Durchschnittsaustauschalter einer Heizung in Deutschland bei 25 Jahren liege. Jörg Schmidt von Viessmann: „Wenn man richtig Energie sparen will, müssten zuallererst die 15 Millionen Heizungen in Deutschland, die uralt sind, ausgetauscht werden.“

Schmidts Vision – „wir bieten das heute schon an!“ – ist diese: In einem gut gedämmten Gebäude mit einer Wärmepumpe, einer Photovoltaikanlage, einem Wasserspeicher, einem Stromspeicher sowie einem intelligenten Energiemanagementsystem könne man einen Autarkiegrad bei Strom, Heizung und Warmwasser von 100 Prozent erreichen – vorausgesetzt, das Haus ist mit anderen verbunden, so dass Stromüberschüsse oder -bedarfe untereinander ausgeglichen werden können. „Und dann ist die Einsparung durch Digitalisierung bei 100 Prozent.“ Von Alexander Morhart 

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