Der Deutsche Energieholz- und Pellet-Verband (DEPV) hatte zum presseoffenen Gespräch in ein Gebäude mit großer Pelletheizung in Berlin-Reinickendorf eingeladen. Geschäftsführer Martin Bentele betonte ein ums andere Mal, moderne Pelletheizungen erfüllten die strenge zweite Stufe der 1. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV). Städte wie Berlin dürften deshalb nicht mit eigenen Brennstoff-Regelungen zu Bebauungsplänen ein "Nebengesetz" schaffen.
Als Kernproblem stellte sich in der stellenweise hitzig geführten Diskussion heraus, dass der Bund viele wichtige Feinstaubquellen abseits der Pelletheizung nicht ausreichend mit Grenzwerten für den Ausstoß (Emission) regelt, aber dennoch von den Städten verlangt, dass Höchstwerte für die Einwirkung vor Ort (Immission) eingehalten werden. Dabei sind in Berlin und anderswo wichtige Grunddaten zu den Quellen des Feinstaubs noch gar nicht erhoben. Alles zusammen führt zu teils widersinnigen Verhältnissen.
Zufall des Standorts spielt mit
Eine Vorgabe des Senats für den Flächennutzungsplan hat zum Beispiel im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf dazu geführt, dass mehr als 50 der 342 Bebauungspläne eine Formulierung enthalten, nach der ein Brennstoff nicht zulässig ist, wenn mehr Staub ausgestoßen würde als bei der Heizölsorte EL. Das berichtete Jörg Lenk vom Verband für Energiehandel Südwest-Mitte (VEH), der sich die Mühe gemacht hat, diese und etliche weitere Pläne durchzusehen. Im jeweiligen Geltungsbereich gibt es damit praktisch ein Verbrennungsverbot für Holz in Zentralheizungen, und zwar unabhängig davon, ob der Abgasgrenzwert der BImSchV eingehalten würde.
Andererseits gibt es viele Bebauungspläne aus den 70er und 80er Jahren – der Zeit des vorigen Flächennutzungsplans –, die nach wie vor gültig sind. Und da nicht jedes Bauvorhaben gleich einen neuen Bebauungsplan voraussetzt, dürfen hier Pelletheizungen installiert werden, sofern sie den bundesweiten Grenzwert einhalten. Bei Zentralheizungen spielt also der Zufall des Standorts mit.
Auf andere Weise kurios ist die Situation bei Einzelraumfeuerungen. Luftreinhaltereferent Andreas Kerschbaumer von der Berliner Umwelt-Senatsverwaltung: "Wir haben hier in Berlin zunehmend sogenannte Einzelraumfeuerungsanlagen, also Kaminöfen. Die sind auf jeden Fall sehr, sehr problematisch, weil da die Emissionsgrenzwerte viel höher sind oder nicht greifen: Die 1. BImSchV sieht ja vor, dass offene Kamine gar nicht reglementiert werden."
Solche Öfen für Stückholz sind auch Pellet-Verbands-Geschäftsführer Bentele ein Dorn im Auge: "Wir wissen, dass die ganzen Holzöfen, die auch der Schornsteinfeger nicht prüft, deutlich mehr Feinstaub ausstoßen als Pelletheizungen."
"Das sind die alten Stückholzöfen"
Doch da endete die Einigkeit schon wieder. Kerschbaumer berichtete von kontinuierlichen Messungen, um den Anteil von Holzfeuerungen am Feinstaubproblem festmachen zu können. "Und da sehen wir halt immer wieder, dass im Winter bei kalten Wetterlagen der Anteil von Holz teilweise über 10 bis 15 Prozent am Gesamtstaub ausmacht." Dagegen beharrte Bentele: "Das ist nicht die Pelletheizung, sondern das sind die alten Stückholzöfen."
Kerschbaumer konnte das für die konkrete Situation in Berlin mangels geeigneter Daten nicht widerlegen; die Messungen im Winter 2013, 2014 und 2015 waren nicht differenziert nach Art der Feuerung gemacht worden. Er warte jetzt auf die Ergebnisse des vergangenen Winters. "Wir haben von September 2016 bis März 2017 jeden Tag Feinstaubproben analysieren lassen." Jedenfalls sei für die Immission gesetzlich festgelegt, dass nicht häufiger als 35-mal pro Kalenderjahr Feinstaubwerte über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter auftreten dürfen. "Und das haben wir in Berlin letztes Jahr geschafft. Vor zwei Jahren haben wir’s nicht geschafft; vor drei Jahren haben wir’s geschafft." Man versuche gegenzusteuern, bevor das wieder ein größeres Problem werde.
Pellet-Verbands-Chef Bentele widersprach. Die Bundes-Immissionsschutzverordnung gelte schließlich überall – in Berlin in der Innenstadt genauso wie in Mecklenburg-Vorpommern auf dem Land. Er glaube, "die ganzen B-Pläne sind überhaupt nicht an das aktuelle Luftreinhaltungsgesetz angepasst." Außerdem habe „die moderne Holzheizung in Form von Pellets“ wegen ihrer günstigen CO2-Bilanz "doch klare Vorteile gegenüber Öl und Gas", wenn man alles zusammennehme.
Prozess gegen einen Bebauungsplan in Berlin
Dennoch blieb Andreas Kerschbaumer von der Umwelt-Senatsverwaltung dabei: Grundsätzlich müsse eine Heizung "zumindest so gut sein wie eine alte Ölheizungsanlage, was Feinstaub anbelangt." Allerdings wolle man beim Fortschreiben des Luftreinhalteplans 2018 das Ganze im Landesimmissionsschutzgesetz regeln statt in Bebauungsplänen.
Dieses Verschieben wiederum könnte laut Jörg Lenk lange dauern: "Es muss für jeden einzelnen Bebauungsplan ein Änderungsverfahren auf den Weg gebracht werden." Und das, obwohl die Rechtmäßigkeit der aktuellen Bebauungspläne anzuzweifeln sei; eine Auffassung, mit der Lenk nicht alleine steht: Andreas Kerschbaumer ließ durchblicken, dass derzeit in Berlin jemand wegen des Holzverbrennungsverbots gegen einen Bebauungsplan klagt – in welchem Bezirk, und wann mit dem Richterspruch zu rechnen ist, gab er auch auf schriftliche Nachfrage nicht preis.
Entspannen könnte sich die Lage, wenn sich ein Verfahren der TU Hamburg durchsetzt. Indem Pellets beim Herstellen das Mineral Kaolinit beigemischt wurde, konnte man die Feinstaubemissionen um fast 50 Prozent verringern. Darauf angesprochen war Jörg Lenk skeptisch – wegen des Heizwertverlusts. Der soll jedoch nach einer Rückmeldung aus Hamburg so gering sein, dass die Kosten nur um rund ein Prozent stiegen. Schließlich könnte auch ein neues Vergaserverfahren dem Feinstaub aus der Holzverbrennung den Garaus machen. Von Alexander Morhart