Die gute Nachricht vorneweg: Erzeuger von Eigenstrom bleiben wichtige Akteure der Energiewende. Auch wenn ihnen das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einige Steine in den Weg legt. Das ist das Fazit der Veranstaltung "Dezentrale Energiewende vor dem Aus?", die das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung am Montag in Berlin veranstaltete.
Welche Spielräume bei der aktuellen Energiepolitik für Prosumer (ein Kunstwort aus Produzent und Konsument) und die Eigenerzeugung bleibt, untersuchte die Konferenz in Vorträgen und Workshops. Dabei standen sich die Befürworter einer dezentralen Energiewende und der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums unversöhnlich gegenüber.
Ulrich Benterbusch, Unterabteilungsleiter für Effizienz und Wärme in Industrie und Haushalten im BMWi, befürwortete in seinem Vortrag noch einmal ausdrücklich, dass auch Erzeuger von erneuerbarem Strom die EEG-Umlage zahlen müssen. Im Hintergrund steht die vielbeschworene Gefahr der Entsolidarisierung: Je mehr Eigenerzeuger sich selbst versorgen, desto weniger bleiben um beispielsweise die Entgelte für die Unterhaltung der Netze aufzubringen.
Dem widersprach Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, ganz entschieden: "Dass wir uns deswegen rechtfertigen müssen, ist absolut nicht akzeptabel", sagte er und verwies auf die viel größere Menge Strom, die die Industrie zum Eigenverbrauch nutzt und die von der EEG-Umlage befreit ist. René Mono, Vorstandsvorsitzender des Bündnis' Bürgerenergie brachte einen Gedanken in die Debatte, der jenseits aller wirtschaftlichen Überlegungen lag: "Eigenerzeugung und Mieterstrom sind ein gesellschaftspolitisches Engagement, das den Zeitgeist trifft." Nämlich ein Engagement, das außerhalb der Parteien stattfinde und wo die Bürger konkrete Ideen umsetzen würden. "Das ist für viele hochattraktiv", sagte Mono. So helfe die Eigenerzeugung bei der Akzeptanz der Energiewende und beim Erreichen der Klimaschutzziele.
Bernd Hirschl, Leiter des Forschungsfeldes nachhaltige Energiewirtschaft und Klimaschutz am IÖW, unterstützte diesen Ansatz. "Alle Sektoren müssen dekarbonisiert werden. Ergo: Alle Bürger müssen mitmachen." Außerdem würden die Kosten für den Netzausbau "in einer prosumerorientierten Energiewende am geringsten ausfallen" zitierte Hirschl eine Studie des Netzbetreibers 50 Hertz.
Der Wissenschaftler plädierte dafür, den sogenannten nahräumlichen Verbrauch zu erlauben. Das bedeutet, erneuerbaren Strom auch in der Nachbarschaft verkaufen zu dürfen und dafür eine Durchleitung durch die öffentlichen Netze zuzulassen. Dies ist zurzeit nicht erlaubt - eins der vielen Hemmnisse für die Produzenten von erneuerbarem Strom.
Prosumer-Haushalte können sogar zur Netzstabilität beitragen, hat das IÖW kürzlich in einer Studie zu förderlichen Rahmenbedingungen für Bürgerenergie ermittelt. Wenn die Prosumer steuern, wie viel Strom sie zu welcher Zeit einspeisen, können sie die Netze entlasten und auf diese Weise den Bedarf des Netzausbaus reduzieren.
Peter Rathert, Referatsleiter für technische Angelegenheiten im Bereich Bauen und Energie im Umweltministerium, brachte dann noch den Aspekt der Gebäudesanierung ein: "Wir brauchen mehr Eigenstromversorgung, sonst wird es nichts mit der Energiewende im Gebäudebereich", sagte er. Rathert meinte damit das Ziel, bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand in Deutschland zu schaffen. "Die Kosten dafür sind immens."
Zwischen Energieeffizienz - also Wärmedämmung - und dem Einsatz von Erneuerbaren müsse das wirtschaftliche Optimum gefunden werden. Auf dem Weg dahin will die Bundesregierung erst einmal das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und die Energieeinsparverordnung zusammenführen. Im Gespräch ist ein Bonussystem, mit dem der Einsatz von erneuerbaren Energien auf den Primärenergiebedarf angerechnet wird. Ob das noch in dieser Legislaturperiode klappt, konnte Rathert nicht sagen, hofft aber nach eigener Aussage darauf.
Mit dem Vorstoß reagiert die Politik auch auf Forderungen aus der Fachwelt. So hatte der Forschungsverbund Erneuerbare Energien in einem Positionspapier gemahnt, die regulatorischen Instrumente im Wärmemarkt zu harmonisieren und zu vereinfachen. Die Politik habe auf jeden Fall die Verantwortung zu sagen, ob sie weiter auf die Senkung des Primärenergieverbrauchs setzt oder ob man ein Gebäude auch mit anderen Maßnahmen klimaneutral stellen könne - etwa durch Einsatz von erneuerbaren Energien - sagte Uwe Sieverding. Die Entscheidung müsse nicht unbedingt vor der Bundestagswahl 2017 fallen, aber doch bis 2020. "Dann sind wir bei einer Sanierungsperiode von 30 Jahren im Jahr 2050."
Jörg Ebel vom Bundesverband Solarwirtschaft meinte, dass es absolut an der Zeit wäre, die Bremsen für den Eigenverbrauch zu lösen. Häuslebauer mit ihren kleinen Anlagen unter zehn Kilowatt Leistung würden zwar gar nicht unter die Einschränkungen des EEG fallen und könnten eigenen Strom verbrauchen, ohne die Umlage zu zahlen. Größere Anlagen von Gewerbetreibenden würden aber mit einer anteiligen EEG-Umlage belastet, was den Zubau behindere.
Auf jeden Fall arbeitet die Kostenentwicklung den Selbstnutzern in die Hände. "Die Module sind so günstig, da sollte jeder genau schauen, ob er nicht seine Stromkosten senken kann", warb Ebel für Photovoltaik auf dem eigenen Dach. Auch die Kosten für Speicher seien aktuell weiter gefallen, außerdem gebe der Staat ja ein Drittel dazu.
Der Fördertopf des Bundesamtes für Wirtschaft und Außenkontrolle für 2016 ist schon seit Oktober ausgeschöpft. "Anträge für 2017 können aber schon jetzt gestellt werden", informiert Ebel. Er rät, nur Batterien zu kaufen, für die der Hersteller eine mehrjährige Garantie gibt.
Auch im Bereich Windstrom gibt es Möglichkeiten für die Bürgerenergie, trotz der ab 2017 verpflichtenden Ausschreibungen, die als zu schwierig für Laien angesehen werden. So hat die Rehfelde Eigenenergie bei Berlin kürzlich zwei Windräder von einem Projektentwickler schlüsselfertig erworben. "Das wäre auch in Zukunft möglich", sagt Dietrich von Tengg-Kobligk vom Vorstand der Genossenschaft. Allerdings beobachtet er, dass die Distanz zwischen dem Engagement der Bürger und einem Windprojekt vor Ort wächst. "Eine Windenergieanlage wird immer mehr zum abstrakten Investitionsobjekt. Es verliert den Charakter einer Eigenversorgungsanlage und verändert seine Bedeutung in Richtung eines Bauteils im Netz. Das geschieht allerdings nicht nur durch die Ausschreibung, sondern auch durch die Größe der Anlagen." von Susanne Ehlerding