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Kommunen wollen ländlichen Raum durch Energieautarkie stärken

Masterplan Energie stoppt Landflucht in Osthessen

Hühner unter dem Solardach gehören zum Energiekonzept, das die Landflucht stoppen soll. © Sonnenei

Drei Kommunen in Nordosthessen setzen auf Masterplan Energieeffizienz und Erneuerbare gegen den Bevölkerungsschwund.

Die Jugend zieht weg, die Bevölkerung überaltert, zukunftsfähige Investitionen werden schwieriger: Viele ländliche Regionen stehen vor ähnlichen Problemen. Drei kleine Kommunen in Nordost-Hessen begegnen dem mit interkommunaler Zusammenarbeit auch in Energiefragen: Das Projekt "Zukunft für Bebra, Rotenburg an der Fulda und Alheim 2030+" (ZuBRA) setzt dem strukturellen Wandel unter anderem einen Masterplan Energieeffizienz und Erneuerbare Energien entgegen.

Wie man durch ein Gesamtkonzept die Lebensqualität dauerhaft erhält, mit dieser Frage nimmt die Region im Landkreis Hersfeld-Rotenburg auch am bundesweiten Wettbewerb Zukunftsstadt teil. Einer der wesentlichen Ansatzpunkte der ZuBRA-Kommunen ist die Energie, die sie als bedeutenden Faktor der Wertschöpfung erkannt haben: "Diese Wertschöpfung soll in der Region bleiben", erklärt Uwe Hassl, Bürgermeister der Stadt Bebra, den Grundgedanken: Mit Wasserkraft, Solaranlagen, Biomasse sowie mit Speichertechniken könne man regional Strom erzeugen und nutzbar machen.

Bisher fließen allein über Stromentgelte mehr als 50 Millionen Euro aus der Region ab. Deshalb wollen die Orte bis 2030 energieautark werden. Wie das mit der Speicherung funktionieren soll, dazu hat Hassl noch keine bevorzugte Lösung. Er schätzt, dass dies erst in fünf bis zehn Jahren in der ZuBRA-Region Realität wird. Denn als wesentlichen Aspekt dieser Technik sieht Hassl die Kombination mit Elektromobilität - auch, weil man damit in der landschaftlich reizvollen Gegend den Tourismus stärken könnte, etwa in Form von Ladestationen für Elektrofahrräder.

Aber man habe sich mit der Zielmarke "2030+" auch bewusst für einen längeren Zeitraum entschieden. Ein E-Dienstfahrzeug samt Ladestation für das Rathaus ist jedenfalls bereits bestellt. Gleichzeitig stehe 2030+ auch dafür, dass man weitere Kommunen mit ins Boot holen will - bei dreien ist das gelungen. Insbesondere die kleine Gemeinde Alheim hat mit ihrer Vorbildrolle die anderen mitgezogen. "Die Menschen wollten Veränderungen", erzählt der Alheimer Bürgermeister Georg Lüdtke aus der Zeit seines Amtsantritts 1997.

Aus einem viel beachteten Tourismuskonzept mit Bürgerbeteiligung heraus folgte bereits vor mehr als zehn Jahren der strategische Beschluss, bis zum Jahr 2015 mindestens 80 Prozent der in den Haushalten benötigten Energie selbst zu produzieren - nicht zuletzt deshalb, weil ein großer Solarhersteller seinen Sitz am Ort hat. Inzwischen hat die Gemeinde mit zehn Teilorten und insgesamt rund 5300 Einwohnern dieses Ziel um mehr als 100 Prozent übertroffen. Und ein großer Windpark ist gerade erst in Planung.

s entstand beispielsweise eine Biogasanlage mit Nahwärme-Versorgung gezielt direkt neben dem Gewerbegebiet, um ein halbes Dutzend Unternehmen mit günstiger Wärme zu beliefern. Hinzu kommen neben Solarstrom, Biomasse und kleineren Wasserkraftanlagen auch Holzhackschnitzel-Heizungen in öffentlichen Gebäuden samt Wärmenetzen, die aus regionalem Anbau beliefert werden. Im Projekt "Sonnenei" kombiniert ein Bio-Hühnerhof eine Freiflächen-Solaranlage mit den Auslauf-Bereichen seiner Geflügelzucht.

Warum Alheim mit seiner Energiewende so erfolgreich ist, dazu sagt Lüdtke: "Für uns war es ganz wichtig, dass wir Bürgerbeteiligungsanlagen bekommen." Mit den Trainern des örtlichen Umweltbildungszentrums setzte die Kommune schon Anfang der 2000er-Jahre in den Kindergärten und Schulen an, um ein Bewusstsein für saubere Energie zu schaffen. "Die Kinder begeistern sich dafür. Das war der Durchbruch", so Lüdtke. "Denn sie gehen nach Hause und fragen ihren Papa: Warum haben wir so etwas nicht?" In der Folge wurden dann die Eltern aktiv.

Öffentliche Liegenschaften wurden gezielt auf Energieoptimierung hin saniert. Die Gemeinde verfügt heute über vier kostenlose Elektro-Tankstellen und einen Solarspielplatz. "Das färbt ab in die ZuBRA-Region", sagt Lüdtke. In Werkstätten für den Wettbewerb entwickelten die Bürger daher Leitlinien für zukunftsfähige Sanierungen. Bestehende, zum Teil historische Gebäude sollen derart hergerichtet werden, dass sie sowohl den heutigen Anforderungen an die Nutzung entsprechen, als auch Energie einsparen oder gar erzeugen. Diese Sanierungen sollen vor allem im Zusammenspiel mit kommunalen Netzwerken erfolgen - etwa, indem ältere Gebäude zu Mehrgenerationenhäusern umgebaut werden. So nutzen sie der Bürgerschaft mehrfach.

Gemeinsam haben die Orte in ihrem Energie-Masterplan die Schritte für die kommenden 20 Jahre festgelegt, die sie zur Autarkie führen sollen. Unter anderem sieht er vor, Konzepte zu entwickeln zu Nahwärmenetzen und Blockheizkraftwerken, zu Betreibermodellen und zu einem Bioenergie-Park. Andere Maßnahmen wie die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED oder Ausbau der Fernwärme laufen bereits.

Bemerkenswert ist, dass die Anstrengungen nicht in erster Linie dem Ziel der Energiewende dienen, sondern dem, der Landflucht aus den kleinen Kommunen zu begegnen. Auch wenn sie dazu massiv investieren und die Verschuldung erhöhen mussten: Die Bürgermeister sind vom langfristigen Nutzen ihrer Strategie überzeugt. Unter anderem mit ihrer örtlichen Energiewende haben es die Mitglieder der ZuBRA-Region nämlich geschafft, den demografischen Wandel zu stoppen: Der Altersschnitt im mittleren Fuldatal sinkt wieder. Von Daniel Völpel

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