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Gebäudeintegrierte Photovoltaik bringt optischen Mehrwert

Fassadenmodule bilden eine Nische mit Vielfalt

Die Fasssade bei SMA Solar zeigt die gestalterischen Möglichkeiten von gebäudeintegrierter Fotovoltaik. © SMA Solar

Photovoltaik an der Fassade gilt als teuer – zu unrecht, wie Branchenvertreter meinen. Auf jeden Fall gibt es beim Design Auswahl ohne Ende. Nur die baurechtliche Genehmigung ist noch problematisch.

Solarmodule an der Gebäudefassade lösen drei Probleme, die man mit einer Anlage auf dem Dach haben kann. Über das erste wird nicht gern gesprochen, doch es existiert: Von unten sieht keiner die Dachmodule eines Flachdachs. Das ärgert nicht nur imagebewusste Unternehmer. Auch als Privatperson freut man sich, wenn jeder merkt: Ich mache mich hier um die Energiewende verdient.

Das zweite Problem ist, dass eine Dachanlage auf einem Süd-Schrägdach die höchste Leistung zur Mittagszeit liefern würde. Sowohl für den Eigenverbrauch als auch zukünftig mit Blick auf den Börsenpreis sind jedoch eher die Kilowattstunden am Nachmittag und Abend willkommen, von denen Module an einer Westfassade deutlich mehr erzeugen.

Das dritte Problem kann vor allem bei hohen Gebäuden auftreten: Auf dem Dach ist nicht genügend Fläche vorhanden, insbesondere dann, wenn gleichzeitig thermische Kollektoren installiert werden sollen.

Module an der Fassade fasst die Branche gemeinsam mit den integrierten Dachsystemen in der sperrigen Bezeichnung "gebäudeintegrierte Photovoltaik" (GIPV, meist englisch BIPV für "building-integrated photovoltaics") zusammen. Und da Außenwände, anders als das Dach, stark unter gestalterischen Aspekten gesehen werden, gibt es hier beim Design fast nichts, was es nicht gibt.

Sebastian Lange ist Vorstandsvorsitzender der "Allianz BIPV" mit Sitz in Berlin, in der sich über 30 Hersteller und Fachinstitutionen zusammengefunden haben. Er sagt, Module seien inzwischen "in allen möglichen Farben denkbar, in allen möglichen Zuschnitten, Größen, Ausgestaltungen". Manche Anbieter haben sogar dreieckige und runde Module im Sortiment. Auch bedruckte Moduloberflächen werden angeboten - mit Digitaldruck oder Siebdruck - sowie Module mit Keramikmalerei. Einige Hersteller bieten speziell für Wintergärten Photovoltaikmodule mit Wärmedämmverglasung an.

Durch große Objekte wie den Berliner Hauptbahnhof oder ein SMA-Schulungsgebäude bekannt geworden sind Fensterflächen mit locker im Raster eingefügten Solarzellen ("semitransparente Module"), die ein markantes Schattenmuster erzeugen. Wer keinen Wert auf Erkennbarkeit legt, kann sich auch für die organische Photovoltaik entscheiden, die die Technik unauffällig in eine gleichmäßig getönte Fensterscheibe integriert.

Schwerpunkt sind individuell hergestellte kristalline Module

Welche Varianten in welchem Umfang verbaut werden, dazu gibt es laut Sebastian Lange derzeit keine Erhebungen. Nach seiner Beobachtung des Marktes lässt sich jedoch immerhin so viel sagen: "Der Schwerpunkt in Deutschland liegt nach wie vor auf kristallinen Photovoltaikmodulen, die computergesteuert individuell für das jeweilige Projekt hergestellt werden."

Architekten und Bauherren wollen in der Regel nicht die Fassade und das Stützenraster nach einigen wenigen Standardabmessungen ausrichten, die die Branche vorhält. Zwar kann man zum Beispiel bei einem der deutschen Anbieter auch Standardelemente von 0,72 bis 5,72 Quadratmeter bekommen, aber eben nur in vier Abstufungen. "Es gibt durchaus Projekte, da werden für eine Fassade Module in bis zu 250 unterschiedlichen Maßen hergestellt", berichtet Lange, und fügt hinzu: "Das ist auch ein Grund für die relativ hohen Kosten."

Ein zweiter Grund: "Sie dürfen ein konventionelles PV-Modul nicht einfach auf 30 Meter Höhe an der Fassade anbringen. Alles, was sie über Kopf anbringen, muss als Bauprodukt gewisse Sicherheitstests durchlaufen haben, zum Beispiel zur Tragfähigkeit." Für erhöhte statische Anforderungen gibt es beispielsweise vorgespanntes Glas, dicker oder doppelt verglaste Module, die die nötige Stabilität haben.

Solche Module lassen sich gut in die drei Typen von BIPV-Fassaden integrieren. Das sind Warmfassaden, bei denen die Außenwand ausschließlich aus PV-Modulen besteht, die in eine Pfosten-Riegel-Konstruktion einmontiert sind. Zur Wärmedämmung verwendet man hier Isolierglasmodule. Kaltfassaden sind zweischalig: Es gibt es eine konventionelle Außenwand, vor die nachträglich normale Module montiert werden. Dazwischen verbleibt ein Hohlraum, durch den Feuchtigkeit abgeführt wird. Anlehnfassaden sind wie Kaltfassaden, nur dass die Module schräg auf eine Unterkonstruktion aus Stahl montiert werden. Auf den ersten Blick sieht es aus, als ob die Module an die Außenwand angelehnt wären.

Zulassung in der rechtlichen Grauzone

In der Branche hatte man gehofft, ein weiterer Faktor für Mehrkosten, die aufwendige "Zulassung im Einzelfall", werde sich mit größeren Liefervolumina der Hersteller nach und nach erledigen, die dann nur einmal eine "allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" (abZ) erreichen müssten und ab da ihr Produkt überall verbauen lassen dürften. Dieses Thema stellt sich jedoch, wie es Jurist Lange ausdrückt, als "rechtliche Grauzone mit riesigen Fragezeichen" dar: "2014 dachte man, mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung gemäß DIN 18008 sei alles abgefrühstückt. Dann gab es eine neue Rechtsprechung, wo der EuGH sagt: Was auf nationaler Ebene abläuft, das ist zum Teil europarechtswidrig."

Der Streit sei aktuell immer noch in der Klärung zwischen Bundesregierung und EU-Kommission: "Da gab es vor kurzem noch ein Vertragsverletzungsverfahren, von deutscher Seite eingeleitet, was seit letzter Woche wieder zurückgezogen ist."

Trotzdem findet Sebastian Lange, dass BIPV-Anlagen schon jetzt nicht zu teuer seien: "Was mich immer unglaublich ärgert, sind Aussagen wie 'Anlagen für die Fassadenintegration können um den Faktor zehn teurer sein als eine Aufdachanlage', weil hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Die konventionelle PV-Anlage auf dem Dach dichtet ihnen nicht die Fassade ab; die hat auch keinen optischen Mehrwert für das Gebäude."

"Man muss den Lebenszyklus betrachten"

Eine Solarfassade sei eine hochwertige Fassade, vorgehängt und hinterlüftet. Sie sei "einen Tick teurer" als eine vergleichbare hochwertige Fassade, aber man müsse den Lebenszyklus betrachten. Die normale Fassade sei vielleicht am Anfang günstiger, aber auf 15 Jahre betrachtet sei die BIPV-Fassade günstiger, denn "hier habe ich einen Ertrag".

Dass dieser Ertrag in der Jahressumme wegen der senkrechten Lage nicht der ist, den eine optimal ausgerichtete konventionelle PV-Anlage bringen würde, habe durch die technische Entwicklung inzwischen keine große Bedeutung mehr: "Der Wirkungsgrad der PV-Zellen ist heute deutlich höher als noch vor 10, 20 Jahren - und das bei deutlich niedrigeren Preisen. Sie können dadurch sogar die Ost- oder Westfassade nutzen und das trotzdem wirtschaftlich darstellen."

Dennoch bohren Lange und seine Mitstreiter dicke Bretter. Er selbst formuliert es so: "BIPV ist bislang noch eine recht kleine Nische und etwas, was sich seit 20 Jahren sehr, sehr langsam entwickelt." Von Alexander Morhart

 

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