Wer mit einer kleinen Fotovoltaikanlage auf Dach oder Garage die Sonne zur Stromerzeugung anzapfen will, hat seit Januar 2012 neue Vorgaben mit erheblichen Konsequenzen zu beachten: Auch alle kleinen "Kraftwerke" müssen technisch so ausgerüstet sein, dass der Netzbetreiber in Spitzenzeiten deren Stromlieferung kappen kann. Alternativ können private Betreiber ihre Einspeiseleistung von vornherein drosseln.
"Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen", bemängelt Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. Es gebe weder einen nachgewiesenen Bedarf für solche Vorgaben noch sei deren technische Umsetzung derzeit praktikabel durchdacht. Weil verbindliche Regelungen zu Rechten und Pflichten von Anlagen- und Netzbetreibern ein Schattendasein fristeten, sei dem Einfallsreichtum einiger Netzbetreiber Tür und Tor geöffnet: "Deren Versuche, PV-Anlagen-Interessenten gesetzwidrig zu einer überdimensionierten, komplexen und teuren Steuerungstechnologie zu verpflichten, nimmt der Energiewende dann endgültig den Rückenwind", sieht der Verbraucherschützer schon erste Behinderungsversuche am Horizont.
Der Gesetzgeber solle die aktuell beratene Novelle zum Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) nutzen und PV-Anlagen bis zu einer Leistung von zehn Kilowatt-Peak (kWP) aus den Vorschriften wieder ausklammern. Weil Netzbetreiber den für die Energiewende notwendigen Ausbau ihrer Stromnetze nur langsam vorantreiben, steht die Befürchtung im Raum, dass diese durch den wachsenden Zufluss von Sonnen- und Windenergie an ihre Grenzen stoßen können: Die Einspeisung der Erneuerbaren Energien soll deshalb regelbar, im Extremfall auch ganz zu stoppen sein. Während solch ein Runterfahren bislang nur bei Großanlagen galt, werden seit Januar 2012 nun auch kleinste PV-Anlagen nicht mehr verschont: Neu installierte Anlagen mit einer Leistung bis 30 kWP müssen seither entweder - auf Kosten des Besitzers - mit einem Aus-Schalter für Netzüberlastungen ausgerüstet werden. Oder der Betreiber kappt alternativ die theoretisch mögliche Maximaleinspeisung seiner PV-Module auf Dach oder Garage von vornherein und dauerhaft um 30 Prozent.
Nur: Was der Paragraph sechs des Gesetzes für Anlagen- wie Netzbetreiber komplex und aufwändig zu Leistungsspitzen neu geregelt hat, hat beim Einspeisemanagement bislang überhaupt noch nicht das Sonnenlicht erblickt. "Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass zu den rund 600.000 bestehenden PV-Anlagen angesichts des anhaltenden Booms noch einige 100.000 Kleinstanlagen hinzukommen, ist der vom Gesetzgeber geregelte Fall ein worst case vom grünen Tisch, für den es auf Jahre hin in vielen Netzgebieten keinen Bedarf geben wird", sagt Müller und fordert deshalb Kleinst-PV-Anlagen bis 10 kWP aus den Regelungen wieder herauszunehmen.
Denn zum einen dürften Netzbetreiber kleine PV-Anlagen überhaupt nur dann abregeln, wenn das vorherige Runterfahren der Großanlagen noch nicht ausgereicht hat, um die Netze zu stabilisieren. Für dieses Szenario fehlen netzseitig aber bislang oft sowohl die Technik wie auch die Strategie. Zum anderen sei das bei der Abschaltung vorgesehene Entschädigungsverfahren für die entgangene Stromeinspeisung so komplex, aufwändig und zudem nur mit erheblichem Personaleinsatz abzuwickeln, dass Netzbetreiber in der Praxis schon aus eigenem Interesse die Finger vom Aus-Schalter für die kleinen PV-Anlagen lassen, sagt Müller.
Zudem: Verbindliche Regelungen zu Rechten und Pflichten von Anlagen- und Netzbetreibern liegen vielfach noch im Dunkeln. Was erste Anbieter auf den Plan gerufen hat, bei PV-Betreibern den Stecker für die Energiewende zu ziehen: Anstatt wie vom Gesetzgeber vorgesehen nur den Einbau der 200-Euro-teuren Standardtechnik mit Ein- und Ausschalter zur Einspeiseregulierung zu verlangen, wird von einem Netzbetreiber aus dem Nordosten berichtet, der Anlagenbetreibern aus seiner Regelzone eine komplexe Technologie für 2.000 Euro vorgibt. "Damit wird die Wirtschaftlichkeitsberechnung jeder PV-Anlage zerschossen", rügt der Verbraucherzentralenvorstand die Abkehr vom gesetzlichen Effizienz- und Schikaneverbot.
Er fordert hier eine wirksame Aufsicht der Bundesnetzagentur, um solchen Behinderungsstrategien "den Saft abzudrehen". Wenn es schon eine Pflicht zum Einspeisemanagement auch für Kleinstanlagen gebe, müsste diese wenigstens bedarfsorientiert geregelt sein: Nur wenn der Netzbetreiber begründet nachweisen kann, dass auch die Stromeinspeisung von Mini-PV-Anlagen gesteuert werden muss und sein Netz hierzu über eine entsprechende Regelungstechnik verfügt, dürfen Anlagenbetreiber nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW auch zur Umsetzung der Steuertechnik an ihren "Kraftwerks-Modulen" verpflichtet werden. Mit einem Musterbrief gibt die Verbraucherzentrale NRW PV-Anlagen-Interessenten Hilfestellungen, um vom Netzbetreiber verbindliche Auskünfte über notwendige Installationen fürs Einspeisemanagement einzuholen.