Wohl jeder Bauherr möchte ein Haus oder eine Wohnung, welche dicht ist, damit nur wenig Wärmeenenergie über die Außenhülle abgegeben wird. Doch das kann auch Nachteile haben. Gebäudehüllen sind bei heutiger Bauweise dermaßen undurchlässig, dass einfaches Lüften selten ausreicht. Feuchteschäden und Schimmelbefall können die Folgen sein – dem will die DIN 1946-6 entgegenwirken. Denn sie fordert die für moderne, luftdicht gebaute Gebäude die Sicherstellung des Luftwechsels, der Wohngesundheit garantieren soll. Konzepte für die Lüftung sind damit unerlässlich. Einerseits um die nötige Luft zu garantieren. Andererseits aber auch, um sich rechtlich abzusichern.
Wer sich als Planer nicht um Lüftung bemüht, dem drohen Haftungsrisiken. Daher stellt sich die Frage, welches Lüftungskonzept sich für ein Objekt eignet. Guten Rat gibt es unter tzwl.de, dem Internetportal des Europäischen Testzentrums für Wohnungslüftungsgeräte e.V. (TZWL). Mit dem eBulletin bietet der TZWL einen aktuellen und kostenlosen Ratgeber zum Thema Lüftung an. Zunächst stellt sich die entscheidende Frage: zentral oder dezentral lüften.
Auf die Aufgabe kommt es an – dezentrale Lüftung
Dezentrale Lüftungen kommen häufig beim Altbau zum Einsatz. Meistens wird in jedem Raum in Fensternähe ein Lüftungselement integriert. In die Wand eingebaut, zählen dezentrale Lüftungen zu den ventilatorgestützen Lüftungen. Durch einen Zu- und Abluftmodus sorgen sie für einen kontinuierlichen Luftaustausch. Dezentrale Lüftungen werden individuell in Räumen eingesetzt. Ein Vorteil: Der Einbau ist unkompliziert, der Platzbedarf ist gering. Wie beispielsweise beim Iv-twin+ von Inventer, welcher seit Herbst 2019 im Handel ist. Der Einzelraumlüfter vereint zwei Lüftungsgeräte, ein Ventilator führt frische Luft zu, ein anderer die verbrauchte Luft ab, aufgrund der getrennten Wärmespeicherhälften ergibt sich eine Rückgewinnung der Wärme von 94 Prozent. Auch die zügige Einbauzeit ist von Vorteil. „Im Bestandsbau reicht dafür eine Kernlochbohrung, im Neubau empfiehlt sich unser Wandeinbausystem Simplex, ein Montageblock mit vorinstallierter Wandeinbauhülse. Das reduziert den Montageaufwand erheblich“, meint Geschäftsführerin Annett Wettig über die Lüftung. Dezentrale Lüftungen eignen sich auch für spezielle Projekte wie Kellerzimmer oder dünne Wände.
Alles in Einem – zentrale Lüftung
Bei Neubauten, besonders bei Niedrigenergiehäusern kommen bevorzugt zentrale Lüftungen zum Einsatz. Wer sein Haus neu plant, hat noch Möglichkeiten die Frischluftversorgung direkt mitzuplanen. Bei zentralen Lüftungssystemen werden alle Wohnräume durch ein Luftkanalsystem mit einem Lüftungsgerät verbunden. Das Kanalsystem kann in Decke oder Fußboden verlegt sein und versorgt die Räume mit Luft. Das Haus wird in Zu- und Ablufträume eingeteilt: Wohn- und Schlafbereiche sind Zulufträume, Küche und Bad Ablufträume. Das Lüftungsgerät wird meist in Keller oder Dachgeschoss gebaut.
Dank dem Lüftungssystem wird die verbrauchte Luft aus den Ablufträumen gezogen, frische Luft kommt in Zulufträume. Schlau gebaut, haben zentrale Anlagen den Vorteil der Wärmerückgewinnung. Die Außenluft kommt ins Haus, erwärmt durch Abluftenergie. Eine zentrale Lüftung ist eine gute Investition, doch bedarf sie genauer Planung. So stellt der Hersteller Blumartin für sein Lüftungssystem Freeair jetzt eine Visualisierung zur Verfügung. Dank Building Information Modeling (BIM) können Projekte auch für Fachfremde sichtbar gemacht werden. BIM ist eine effiziente Methode der Planung, der Ausführung und teils auch des Betriebs von Bauobjekten und dient einem optimalen Überblick über Bauabläufe. Doch nicht bloß beim Bau, auch beim Alltag hilft die Digitalisierung den Nutzern, wie bei der Wohnungslüftung Vent 4000 CC von Bosch. Neben der Hohen Effizienz dank Wärmerückgewinnung von bis zu 93 Prozent gemäß Angaben des Herstellers, kann die Lüftung einfach per Easyvent-App gesteuert werden. Die Wohnraumlüftung kann bis zu 90 Quadratmeter belüften.
Große Räume und große Ideen
Lüftung ist kein Randthema mehr, sondern wird immer wichtiger. Das beweist ein spannendes Projekt aus dem Bau der Schule „Sancta Maria“ in Gentbrugge, Belgien. Das Ziel – frische Luft für Schüler und Lehrer in neuen Klassenräumen, Speise- und Sportsaal. Licht und Luft sollten zu einem höheren Lernerfolg beitragen. Die Lösung – natürliche Fensterlüftung und mechanische Abfuhr von Raumluft. Renson löste die Aufgabe durch linienförmige Fensterlüftungen, welche fast unsichtbar über den Fenstern montiert sind. Dosiert wird die Lüftung durch Absaugventile, welche an das zentrale Lüftungsgerät angeschlossen sind und die CO2-Werte in der Rumluft messen. Sie steuern die zentrale Abluft. Wenn niemand im Raum ist, wird der Luftstrom reduziert, sodass keine unnötige Energie verloren geht. Auch preisgekrönte Konzepte gibt es bei der Lüftung. So ging der Clusterpreis Energie/Umwelt/Solarwirtschaft des 15. IQ Innovationspreises Mitteldeutschland an Ecosyst. War Wasser bei Lüftungsanlagen häufig eher gefürchtet, dient es hier der Kühlung. Das Konzept soll vor allem im arabischen und asiatischen Raum und in Südeuropa eingeführt werden.
Flexibel planen
Lüftung bleibt ein komplexes Thema – denn neben einer perfekten Planung muss die Anlage auch Effizienz garantieren. Wer energieautark leben will interessiert sich für Photovoltaikanlagen und Batteriespeicher, selbstversorgende Möglichkeiten. Doch die vielen Einzelkomponenten sind platzraubend, Kabelsalat droht. Vaillant bietet „All-in-One-Wärmepumpen“ an. In einem gemeinsamen Gehäuse werden Wärmepumpe, Warmwasserspeicher, Lüftungsanlage und Hydraulik kombiniert – mit geringem Platzverbrauch. Die Pumpen lassen sich zudem individuellen Wünschen anpassen.
Zentral Lüften, dezentral Lüften, Wärmepumpe ja oder nein – eine Antwort auf diese Fragen kann es nur bei Betrachtung des individuellen Objektes geben. Eins bleibt aber sicher. Nur eine bewohnerfreundliche Belüftung garantiert Gesundheit für das Haus und die Bewohner. Das gut zu planen, lohnt sich ganz bestimmt.
Wolfram Hülscher