"Wir müssen die Innovationsdynamik bei Smart Living-Technologien steigern, wenn wir vorne mit dabei sein wollen", erläutert Staatssekretär Matthias Machnig. Angesichts der auf den Markt drängenden großen IT- und Internet-Konzerne wie Apple, Amazon und Google ist das Ziel der Initiative ambitioniert: Deutschland soll zu einem Leitmarkt für Smart Living-Technologien gemacht werden.
Mitglieder sind unter anderem die großen Elektro- und IT-Verbände Bitkom, VDE, ZVEI und ZVEH, der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und Unternehmen wie Bosch, Telekom und Siemens. Gemeinsam wollen sie anbieter- und technologieneutral den Ausbau intelligenter Vernetzungen und von Internet-of-Things-Technolgogien (IoT) vorantreiben und einheitliche Qualitäts- und Sicherheitsstandards etablieren.
BMWi sagt Insellösungen den Kampf an
Neu ist die Zusammenarbeit der Verbände und Anbieter nicht: Bereits seit mehreren Jahren arbeiten sie im ebenfalls vom BMWi initiierten Arbeitskreis "Vernetztes Wohnen und mobiles Wohnen" zusammen. Dass dieser mit der Wirtschaftsinitiative "Smart Living" auf eine neue organisatorische Grundlage gestellt wird, zeigt, welche große Bedeutung die Bundesregierung der intelligenten Vernetzung beimisst. Einer Studie des Ministeriums zufolge könnte der Smart-Home-Umsatz in Deutschland bis 2025 auf rund 20 Milliarden Euro wachsen. 2016 waren es bereits rund 4 Milliarden Euro.
Wichtig ist dem Ministerium vor allem, dass die große Vielzahl "proprietärer Insellösungen" am Markt durch interoperable Systeme abgelöst wird. Nach wie vor gibt es Probleme, wenn sämtliche Bereiche eines Hauses über eine gemeinsame Oberfläche gesteuert werden sollen. Doch die Inseln werden kleiner.
Im Heizungsbereich etwa haben sich die großen Heizungs- und Smart Home-Hersteller auf den EEBUS als gemeinsamen Kommunikationsstandard geeinigt. Ziel ist es, eine gemeinsame Sprache zu schaffen, mit der alle vernetzten Geräte und Systeme im Haus über Energie kommunizieren. Dadurch kann beispielsweise ein systemübergreifendes Energiemanagement realisiert werden. Auf der ISH haben mehrere Heizungshersteller Produkte mit EEBUS vorgestellt.
Heizungshersteller stellen Produkte mit EEBUS vor
So zeigte Bosch sein Smart Home-System mit Energiemanagement. Dank EEBUS sollen sich neben den Konzernmarken Buderus und Junkers auch Geräte anderer Hersteller darüber steuern lassen. Vaillant hat EEBUS in seine Multimatik-Heizungsregler integriert, so dass eine lokale Vernetzung zu Partnern im Energiemanagement und zu Smart Home-Plattformen hergestellt werden kann. Auf diese Weise lässt sich eine Vaillant-Heizung beispielsweise über die Smart Home-Plattform der Deutschen Telekom Qivicon steuern. Und der Smart Home-Anbieter eQ-3 – im Heizungsbereich vor allem für programmier- und fernsteuerbare Heizkörperthermostate bekannt – ergänzt durch die Integration von EEBUS die Einzelraum-Temperatursteuerung um die Kommunikation mit der Heizungsanlage selbst.
Die direkte Kommunikation mit dem Kessel verspricht gegenüber der Heizungssteuerung über die Thermostate einen zusätzlichen Effizienzgewinn. Denn wenn die Therme weiß, wie warm es in den einzelnen Räumen sein soll und welche Temperatur bereits erreicht ist, kann sie effektiver arbeiten und früher abschalten, als wenn sie nur auf Grundlage der aktuellen Rücklauftemperaturen gesteuert wird.
eQ3 wartete in Frankfurt auch mit der Nachricht auf, dass für das Smart Home-System Homematic IP ab sofort eine Sprachsteuerung verfügbar ist. eQ-3 bietet die Steuerung über Amazons Alexa an. Der Umfang der Lösung werde stetig um weitere Befehle ausgebaut und stehe den Nutzern kostenlos zur Verfügung, so der Anbieter, dessen Funkprotokolle Homematic und seit Herbst 2016 Homematic IP in Millionen Geräten integriert sind.
Mehrere Standards entwickeln sich
Allerdings setzen die Heizungshersteller ebenso wie die meisten Anbieter von Verschattungssystemen oder Lüftungsanlagen nicht allein auf einen Standard. Vaillant etwa legt eigenen Angaben zufolge einen besonderen Schwerpunkt auf die flexible Einbindung seiner Heizgeräte in die unterschiedlichen Smart Home-Lösungen. Ziel seien Einbindungsmöglichkeiten in alle wichtigen Verbindungsstandards. Daher arbeitet das Unternehmen auch mit dem Web-Dienst IfThisThenThat (IFTTT) zusammen, der herstellerübergreifende Geräteszenarien erlaubt.
IFTTT ist eine Plattform, über die Tablets, Smartphones und Apps miteinander kommunizieren können. Die Kommunikation erfolgt dabei nach dem Prinzip "wenn dies, dann das". Die Aktivität einer App löst also bei einer anderen eine Reaktion aus. Lässt zum Beispiel ein Hausbewohner im Badezimmer das Fenster offen, geht automatisch die Heizung aus. Oder: Nähert sich ein Bewohner in einem vernetzten PKW dem Haus, steigt im Wohnzimmer die Temperatur um zwei Grad. Meldet ein Rauchmelder im Haus eine Gefahr, schaltet sich automatisch die Heizanlage ab.
Die Anbieter der entsprechenden Apps, die miteinander kommunizieren sollen, sind bei IFTTT gelistet. Auf der Plattform sind bereits zahlreiche Hersteller aus den unterschiedlichsten Bereichen vertreten – wie zum Beispiel Vaillant, Philips, Belkin oder die Telekom. Sobald ein neuer Partner hinzukommt, entwickeln sich automatisch eine Vielzahl neuer Kombinationsmöglichkeiten. Auch der auf die Heizunssteuerung spezialisierte Smart Home-Anbieter Tado kooperiert mit IFTTT.
Von einer kompletten Vernetzung aller denkbaren Komponenten im Haus kann nach wie vor nicht die Rede sein. Doch nach und nach bilden sich einige Standards heraus, die zusammen mit den modernen Internet-Technologien das Zeug haben, die Vision Wirklichkeit werden zu lassen. von Silke Thole