Maßnahmen zur Energieeinsparung im Gebäudesektor können nicht nur dazu beitragen, den C02-Fußabdruck des Gebäudebestands zu senken, sie können auch die Spitzen beim Strombedarf reduzieren. Das wiederum könnte die Kosten für den Netzausbau reduzieren, also zu sektorübergreifenden Einsparpotentialen führen. Das ist die Kernthese einer jetzt veröffentlichten Studie von Ecofys.
Diese beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen, die die Errichtung hoch effizienter Gebäude mit den Energiesystemen hat. Hintergrund ist der zunehmende Einsatz von Wärmepumpen zum Heizen und Kühlen. Das, so die Experten von Ecofys, werde zu einer höheren Nachfrage nach Strom im Gebäudesektor führen. Deshalb habe der Zustand der Gebäude unter zwei Aspekten Auswirkungen auf den Energiemarkt.
Das untersuchen die Autoren für zwei Szenarien. Als Hocheffizienz-Sanierung verstehen sie eine Reduzierung des Energiebedarfs für die Beheizung von Gebäuden um 53 Prozent von 2012 bis 2050. Das Szenario eines „normalen“ Gebäudebestands, das zum Vergleich herangezogen wird, geht von einer Reduktion des Energieverbrauchs von 8 Prozent im gleichen Zeitraum aus.
Der geringere Heizenergieverbrauch hoch effizienter Gebäude führe dazu, dass die Spitzenlasten geringer seien als bei „normaler“ Bauweise, so die Autoren. Die Stromerzeugung kann reduziert und der Netzausbau angepasst werden. Der zweite Aspekt ist die Flexibilisierung der Nachfrage, die mit Wärmepumpen in effizienten Gebäuden möglich ist. „Typischerweise haben hoch effiziente Gebäude höhere Fähigkeiten, die Wärmeproduktion zu verschieben, da eine hoch gedämmte Gebäudehülle die Temperaturen über eine lange Zeit stabil halten kann“, so das Argument von Ecofys.
Bei einem hoch effizienten Gebäudebestand kann demnach die Spitzenstromerzeugung auf die komplette EU betrachtet um 9 Prozent reduziert werden, das entspricht 57 Gigawatt. Dazu kommen noch einmal 12 GW, die durch eine höhere Flexibilität eingespart werden können. Diese Schätzung sei eher die Untergrenze dessen, was erreicht werden könne, da man auf EU-Ebene gerechnet habe, so die Autoren. Auf nationaler Ebene seien die Möglichkeiten der Lastverschiebung eher geringer, der Nutzen der Flexbilität demnach höher.
Die Autoren berechnen die Investitionskosten und kommen sektorübergreifend zu Einsparungspotentialen in Höhe von 73 Milliarden Euro bis 2050. Das seien die Effekte der geringeren Nachfrage nach Strom. Dazu kommen 16 Milliarden Euro durch höhere Flexibilität. Das entspräche nur drei bis fünf Prozent der zusätzlichen Kosten für eine Hocheffizienz-Sanierung im Vergleich zu einer Sanierung auf niedrigen Niveau, so die Autoren.
Neu an der Erhebung sei der Nachweis, dass es es sektorübergreifend monetäre Einsparpotentiale gebe, wenn man hocheffiziente Gebäude baue, so Markus Offermann, einer der Autoren. Dieser Zusammenhang werde bislang häufig nicht gesehen. Das gehe weit über die Einbindung von Wärmepumpen etwa in virtualisierte Netze hinaus. Wichtig sei es zu erkennen, dass der Stromsektor monetär nicht nur von der Virtualisierung, sondern auch von einem Gebäudebestand profitieren können, der sehr wenig Energie verbrauche. Bislang werde noch in der Kategorie Stromumsatz gedacht. Den Gedanken der Verknüpfung von Gebäudeeffizienz und Vorteilen für den Energiesektor müsse man weiterspinnen, so Offermann.
Eine der entscheidenden Fragen ist, ob die Grundannahme der Elektrifizierung der Wärmeversorgung, die der Analyse zugrunde liegt, sich vor allem in Deutschland so durchsetzt. Sie beherrscht zwar die Diskussion, aber nicht die Heizungskeller. So stehen allein in diesem Jahr in Deutschland in der Zeit von Januar bis August mehr als 328.000 neu installierte Gasheizungen 30.000 Wärmepumpen gegenüber. Zahlen für den Neubau des Statistischen Bundesamts zeigen bis 2010 zwar einen wachsenden Anteil an Wärmepumpen, aber immer noch eine Dominanz von Gasheizungen im Neubau.
Schließt man sich der These an, dass die Strombranche ein monetäres Interesse an der Vermeidung von Strompeaks hat, um unter anderem dem Leitungsausbau zu minimieren, könnte die Lösung ja durchaus auch heißen, Strom zu Gas umzuwandeln. Das würde zumindest auf der Einspeiseseite Spitzen mindern, würde zum Heizungsbestand passen und die Frage der saisonalen Speicherung der Überschussenergie aus dem Sommer und den Mittagszeiten lösen. Die Effekte des Eigenverbrauchs von PV-Strom vom Dach für den Betrieb von Wärmepumpen wird in der Studie nicht behandelt. Diese Kombination sei gut für Warmwasser, aber nicht für die Heizung, da im Winter zu wenig Solarstrom vom Dach komme. von Pia Grund-Ludwig