Mit einer Studie des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erhält die Debatte um die Aussagekraft von Energieausweisen neue Nahrung. Für die Erhebung haben die Forscher Eigentümer, Mieter und Käufer befragt und sich auch mit Unterschieden zwischen realen und ausgewiesenem Verbrauch beschäftigt.
Im Rahmen einer Evaluation im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) wurde festgestellt, dass nur 29 Prozent der geprüften Bedarfsausweise den Energiebedarf annähernd zutreffend darstellen. Bei Verbrauchsausweisen hingegen lagen mit 66 Prozent mehr als doppelt so viele innerhalb der zulässigen Toleranz.
Der Hausbesitzerverband Haus und Grund fühlt sich von den Ergebnissen in seiner Kritik am Verbrauchsausweis bestätigt: "Die vorherrschende Auffassung, der Energieverbrauchsausweis sei schlechter als der Bedarfsausweis, ist schlicht unzutreffend. Der Gesetzgeber muss sich jetzt den Tatsachen stellen und den Verbrauchsausweis umgehend wieder für alle Wohngebäudearten zulassen", kommentiert Verbandspräsident Rolf Kornemann die Studie.
Derzeit ist bei Häusern bis vier Wohnungeinheiten, bei denen der Bauantrag vor dem 1.11.1977 gestellt wurde und die nicht die Vorgaben der Wärmeschutzverordnung von 1978 erfüllen, nur ein Bedarfsausweis zulässig. Hans-Uwe Klaeger, stellvertretender Vorsitzender des Energieberaterverbands GIH in Baden-Württemberg widerspricht gegenüber dem Online-Magazin EnBauSa.de Kornemanns Auffassung und fordert dagegen genau das Gegenteil: "Ich halte den Verbrauchsausweis für sinnvoll bei Gebäuden mit mehr als zehn Wohneinheiten. Die jetzige Ausnahme für Wohngebäude bis vier Wohneinheiten und Bauantrag vor dem 1.11.77 müsste ersatzlos gestrichen werden."
Der Verbrauchsausweis bildet Durchschnittswerte ab. Werden zu wenige Wohnungen verwendet, ist der Einfluss des Nutzerverhaltens sehr groß. Das betont auch Mareike Soder von Zukunft Altbau, einem Beratungsangebot des Umweltministeriums in Baden-Württemberg für Sanierungsfragen: "Der Gesetzgeber sieht aus unserer Sicht zu Recht für Wohngebäude mit weniger als fünf Wohnungen mit Bauantrag vor dem 1. November 1977 ausschließlich den Bedarfsausweis vor, sollten diese nicht bereits die Wärmeschutzverordnung vom 11. August 1977 einhalten.
Aus ihrer Sicht "haben beide Ausweise – Verbrauchs- und Bedarfsausweis – ihre Berechtigung." Für komplexe öffentliche Gebäude sei der Verbrauchsausweis die sinnvollste Art der Dokumentation der tatsächlichen energetischen Qualität der Liegenschaft, erlärt Soder ihre Präferenzen im Gespräch mit EnBauSa.de. Die Heizgewohnheiten der Mieter hätten dann nur einen geringen Einfluß. "Handelt es sich um ein Gebäude mit vielen Wohnungen, entsteht ein brauchbarer Mittelwert aus Nutzern mit einem extrem hohen Verbrauch und Nutzern mit einem extrem geringen Verbrauch, sofern das Gebäude vollständig belegt ist", sagt Soder.
Sie benennt aber auch ein Problem: Mit einer zunehmenden Leerstandsquote führt der Verbrauchsausweis zu Fehleinschätzungen. Die leeren Wohnungen werden dann bei den Durchschnittswerten des Verbrauchsausweises mitgezählt und drücken die realen Werte. Dann stimmen aber die Angaben für einzelne Wohnungen zum Verbrauch nicht mehr. Das Problem des Mittelwerts bei Verbräuchen stelle sich bei Einfamilien- oder kleinen Mehrfamilienhäusern. "Hier empfiehlt sich ein Bedarfsausweis. In diesem Fall wird der energetische Zustand des Gebäudes tatsächlich unter Berücksichtigung der vorhandenen Gebäudetechnik und der Qualität der Gebäudehülle berechnet", sagt Soder.
Die Studie des BBSR zieht aus den eklatanten Unterschieden zwischen Soll und Ist beim Bedarfsausweis die Konsequenz, dass der Gesetzgeber über eine Anpassung der Berechnungsnormen nachdenken solle. "Das Ziel klingt gut, aber der Studie ist nicht zu entnehmen, wie dies erfolgen soll. Hierzu wären sicher noch weiterführende Untersuchungen erforderlich", kommentiert Soder diesen Vorschlag. "Ich bin nicht der Meinung, dass man an der Norm zum Bedarfsausweis Veränderungen vornehmen muss", ergänzt Hans-Uwe Klaeger.
Zu bedenken sei beim Bedarfsausweis auch, dass die Qualität des Ergebnisses auch davon abhängt, wie sorgfältig der Bestand erfasst werde. "Fehler bei der Flächenermittlung und bei der Einschätzung der Wärmeleitfähigkeiten der Bestandsbauteile können sich schnell zu erheblichen Fehlern aufsummieren", so ihre Erfahrung. Klaeger sieht einen Teil der Probleme auch in den derzeitigen Vorschriften. Es komme darauf an, in der EnEV deutlicher auf die Systemgrenzen hinzuweisen, damit alle mit der gleichen Grundlage messen.
Außerdem schlägt er Änderungen bei den verwendeten Softwarepaketen vor: "Wir Energieberater können manchmal nicht sicher sein, ob die Ergebnisse, die die Softwarepakete liefern rechnerisch richtig sind. Da besteht Verbesserungsbedarf. Teilweise ist keine Plausibilitätskontrolle möglich."
von unserer Redakteurin Pia Grund-Ludwig