Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Referenten auf Weltkongresses Gebäudegrün legen konkrete Zahlen vor

Grünfassade kühlt Räume mehr als grünes Dach

Mobile Grünfassade zum Anfassen. © A. Morhart

Gründächer und Grünfassaden sollen Wärmelasten im den Gebäuden senken und PV-Erträge auf Solardächern erhöhen. Wie und ob das funktioniert war Thema des Weltkongresses Gebäudegrün (WGIC) in Berlin.

Interessant am Vortrag von Nicole Pfoser von der TU Darmstadt war der Versuch, den Umfang der Kühlwirkung zu beziffern. Da sei zum Beispiel der wärmedämmende Effekt: Schon eine extensive Dachbegrünung erhöhe die Dämmwirkung gegenüber einem Kiesdach um 3 bis 10 Prozent - je dicker, desto stärker.

"Extensiv" ist eine Begrünung mit Kräutern, Sedum oder Moosen, bei der Nährboden (Substrat) und Drainage bis zu 15 Zentimetern hoch sind. Noch eindrucksvoller die Kühlwirkung im Hochsommer: Während Pfoser an einer begrünten Hausfassade nur 33 °C gemessen hatte, waren es am sandfarbenen Putz daneben 56 °C. Sogar gegenüber einer weißen Putzoberfläche führt die Bepflanzung noch zu einem Kühlungseffekt von 8 °C. Für ein Bürogebäude in Wien - allerdings aus den 60er Jahren und ungedämmt - hat Nicole Pfoser eine "Kühlleistung" der Fassadenbegrünung errechnet, die pro angrenzendem Raum bei 3 Kilowatt liege.

Auch ein Beispiel für technische Prozesskühlung konnte sie zeigen: Eine Kelterei in Frankfurt kühlt den eingelagerten Apfelwein mit Wasser, das durch flächigen Stauraum unter dem Substrat der Dachbegrünung gepumpt wird. Damit spare das Unternehmen jährlich 6.000 Euro ein.

Man benötigt dafür eine spezielle Bauweise, bei dem das Regenwasser nicht direkt abgeführt, sondern kontrolliert zurückgehalten und zwischen Dichtungsebene und Substrat zwischengespeichert wird ("Retentionsdach").

Dachgeschoss wird kaum gekühlt

Dagegen kann die Kühlwirkung einer Dachbegrünung auf die Räume im Dachgeschoss vernachlässigt werden, wenn die oberste Geschossdecke gut wärmegedämmt ist. Stefan Ruttensperger und Stefan Knapp vom Dachhersteller Paul Bauder bezeichneten in ihrem Vortrag den Einfluss auf die Innenraumtemperatur als "nicht signifikant". Bei einem ungedämmten Dach - wie zum Beispiel auf einer Garage - könne die Begrünung aber durchaus einen Unterschied von 10 °C ausmachen.

Die Pflegekosten im Vergleich zu einem Kiesdach bezifferte der Gartendesigner Fritz Wassmann-Takigawa für die Schweiz mit zusätzlich einem Schweizer Franken pro Quadratmeter, entsprechend 0,92 Euro. Ein anderer Referent nannte für ein Objekt in München 0,50 Euro pro Quadratmeter.

Die Gegenrechnung stellte Nicole Pfoser auf und führte eine Materialeinsparung sowie die Verlängerung der Lebensdauer von Bauteilen an: "Eine Dachabdichtung unter einem Gründach kann durchaus doppelt so lange halten wie eine unbegrünte Dachabdichtung." Alles in allem sei die Einsparung durch weniger Heiz- und Kühlenergie, Wartungs- und Renovierungskosten und den Bauteilschutz höher als die anfallenden Pflegekosten. Das gelte jedenfalls für einfache wandgebundene Begrünungen und extensive Dachbegrünungen, so ein Leitfaden.

Eigenverbrauch von PV-Strom als Chance für Begrünung

Die Frage einer Kombination von Photovoltaik-Stromgewinnung und Begrünung - Wassmann-Takigawa nennt das "Energiegründach" - zog sich wie ein roter Faden durch den Kongress. Stefan Ruttensperger sieht eine Chance für die Begrünung darin, dass bei der Planung einer Photovoltaikanlage in Deutschland nicht mehr die maximale Leistung das Ziel sei. Angestrebt werde jetzt ein möglichst hoher Eigenverbrauch. Das entschärfe den bisherigen Zielkonflikt: "Da brauche ich in der Regel nicht die gesamte Dachfläche; da reichen mir oft 20, 30, 40 Prozent der Dachfläche. Und das schafft natürlich jetzt Freiraum für die Vegetation."

Die Photovoltaikmodule hätten den Vorteil, für eine vielseitige, abwechslungsreiche Vegetation ("Biodiversität") zu sorgen, und zwar durch die Ausdifferenzierung der Standortbedingungen: "Da fällt Schatten drauf, da verändern sich die Feuchtigkeitsgehalte, da habe ich unterschiedliches Austrocknungsverhalten und möglicherweise auch allein schon über die Ballastierung differenzierte Schichtdicken auf dem Dach."

Ruttensperger nannte damit einen Lösungsbeitrag für ein Problem, das Fritz Wassmann-Takigawa so beschrieben hatte: "Wir kaufen teuren Samen mit 20, 30, 40, 50 Arten - und am Schluss, nach drei Jahren, haben wir eine Sedum-Wüste." Wassmann-Takigawa sieht aber für eine ausreichende Vielfalt auch eine weitere Voraussetzung. "Die allermeisten" Substrate seien zu grobkörnig. Notwendig sei mehr Feinanteil.

Wirkungsgradsteigerung für Photovoltaik ist umstritten

Nicht einig waren sich die Experten bei der Frage, ob die niedrigere Temperatur, für die eine Dachbegrünung sorgt, einen wesentlichen Einfluss auf den Wirkungsgrad der dort aufgestellten Photovoltaikmodule hat. Zwar ist der physikalische Effekt, dass der Wirkungsgrad mit steigender Temperatur sinkt, bekannt. Um wieviel ein grünes Dach am Ende die Strom-Ernte erhöht, da gingen die Angaben aber doch sehr auseinander.

Nicole Pfoser hatte von einer Steigerung des Wirkungsgrades im Vergleich zu einem Bitumendach um "4 bis 5 Prozent" gesprochen, berief sich dabei allerdings nicht auf eigene Messungen, sondern auf Angaben der Firma Zinco. Stefan Ruttensperger nannte keine konkrete Zahl, sagte aber, solche "Höchstleistungen" seien nur bei extremen Bedingungen wie zum Beispiel in Australien zur erwarten. Realistisch sei hierzulande ein geringer Beitrag, ein "kleines Zuckerchen obendrauf". Klartext redete dann Andreas Dreisiebner vom schweizerischen Solarförderverein Solarspar. Er hielt zwar keinen Vortrag, konnte jedoch auf eigene Vergleichsmessungen seines Vereins an Photovoltaikanlagen auf Grün- und konventionellen Dächern verweisen. Unwidersprochen sagte er in der jeweiligen Diskussionsrunde von zwei verschiedenen Vorträgen, der Kühleffekt habe sogar bei intensiver Begrünung nur bei 3,2 °C gelegen und zu einer Solarstrom-Mehrproduktion von lediglich 0,6 Prozent geführt. von Alexander Morhart

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