Quelle: DEUTSCHE ROCKWOOL

Digitalisierung am Bau

Europas größtes Gebäude entsteht mittels 3D-Druck

Die Peri 3D Construction GmbH baut derzeit in Heidelberg das größte 3D-gedruckte Gebäude Europas. Foto: Daniel Völpel

Der Drucker erstellt eine jeweils etwa zehn Zentimeter dicke Innen- und Außenwand. Foto: Daniel Völpel

Der 3D-Druck im Bauwesen ist in der Realität angekommen: In Heidelberg entsteht Europas derzeit größtes Gebäude, das ein Portaldrucker von Peri 3D Construction bislang hergestellt hat. Dessen Beschichtung übernimmt ein Maler-Roboter.

140 Arbeitsstunden, gerade einmal so lange benötigt der Cobod Bod 2, um in der Heidelberger Südstadt die Wände eines 54 Meter langen, elf Meter breiten und in der Spitze neun Meter hohen Gebäudes zu drucken. Ende März haben Servicetechniker der Peri 3D Construction GmbH, Tochter eines der weltweit größten Hersteller von Schalungs- und Gerüstsystemen, den etwa acht Tonnen schweren Portaldrucker innerhalb von zwei Tagen aufgebaut. Seitdem arbeitet er mit Unterbrechungen in drei Sektionen an dem Gebäude im Auftrag des Immobilienunternehmens Krausgruppe. Bis Ende Juli sollen die Wände des zukünftigen Server-Hotels entstehen, mit Unterbrechungen für die Arbeiten anderer Gewerke. In dem Rechenzentrum sollen einmal kleinere Firmen Flächen für ihre Rechner mieten können.

Damit baue man das derzeit größte, im 3D-Druck hergestellte Gebäude in Europa, sagt Fabian Meyer-Brötz. Er führt die Geschäfte der Peri 3D Construction GmbH aus Weißenhorn. Sie ist eine der wenigen Firmen weltweit, die überhaupt bereits alltagstaugliche Gebäude druckt, darunter ein Einfamilienhaus in Beckum und ein Fünffamilien-Haus mit drei Etagen in Wallenhausen.

Vieles befindet sich im Forschungs- oder Versuchsstadium

„Wir beschäftigen uns viel mit disruptiver Innovation, also Themen, die die Baubranche verändern werden“, sagt Meyer-Brötz. Kein Wunder, könnte doch der 3D-Druck einen Teil des Schalungsbaus ersetzen in dem Peri groß wurde. Daher hat das Unternehmen 2018 eine Beteiligung am dänischen Hersteller Cobod erworben, um den Betonextruder gemeinsam in Anwendung zu bringen. „Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Technologie einen festen Platz in der Baubranche einnehmen wird“, so Meyer-Brötz. Die Bauindustrie sei die größte Industrie der Welt. „Wenn es nur eine Nische wäre, würden wir nicht mit so viel Nachdruck daran arbeiten. 3D-Druck wird nicht alles andere ersetzen, aber wird festen Platz haben.“ So habe man im vergangenen Jahr drei der Drucker ausgeliefert. „Diese Technologie ist in der Realität angekommen.“ Der Portaldrucker bewegt sich computergesteuert auf drei Achsen, legt eine zwei Zentimeter starke Schicht und bewegt sich mit 25 Zentimetern pro Sekunde fort. Ein Quadratmeter Hohlwand entstehe so innerhalb von fünf Minuten, so Meyer-Brötz.

Sicherheits-Beton stabilisiert die Wände

Dass dennoch vieles beim 3D-Druck eines Hauses Prototypen-Charakter hat, wird bei der Vorstellung des Server-Hotels in dieser Woche in Heidelberg deutlich: Genehmigt wurde das Gebäude als Zustimmung im Einzelfall, weil bislang keine Normen und Regularien für diese Art des Bauens existieren. Meyer-Brötz lobt aber, dass ein „starkes Bewusstsein in den regulierenden Organen vorhanden“ sei, „dass wir diese Innovationen brauchen“.

Der Drucker erstellt nach den Vorgaben der Architekten eine jeweils etwa zehn Zentimeter dicke Innen- und Außenwand. Den Zwischenraum verfülle man mit herkömmlichem Ortbeton, so Meyer-Brötz. Damit wolle man sicherstellen, dass die Stabilität gewährleistet sei. Material spart man auf diese Art nicht ein.

Möglich wird das Verfahren durch einen High-Tech-Mörtel, den Heidelberg Materials für den 3D-Druck entwickelt hat. Dieser ist gut pumpbar, weist aber gleichzeitig eine gute Grünstandsfestigkeit auf, wie Jörg Dietrich erklärt, Leiter Engineering, Innovation und Produktmanagement bei Heidelberg Materials. Er behält also seine Form und liefert ein homogenes Druckbild. Weil der „i-tech 3D“ zudem rein mineralisch ist, lasse er sich beim Abbruch des Gebäudes in seine Bestandteile aufspalten und zu 100 Prozent recyceln. Bei der Produktion spare man 55 Prozent CO2 im Vergleich zu Portlandzement ein, indem man den Klinkeranteil im Bindemittel reduzierte.

Unkonventionelle Formen

Das Leuchtturmprojekt hat seinen Preis. Etwa 2,5 Millionen Euro investiert Hans-Jörg Kraus, Geschäftsführender Gesellschafter der Krausgruppe und deutet an: mit konventionellem Schalungsbau wäre es günstiger gewesen. Aber dann hätte inmitten des Konversionsareals „Campbell“ ein Betonklotz gestanden. Nun wird es ein futuristisches Gebäude mit runden Formen und wellenförmigen Außenwänden.  „Das können Sie gar nicht konventionell machen“, so Kraus. „Nachdem wir gesagt haben, wir drucken es, haben wir den Architekten gesagt, das muss man sehen.“

Mit zunehmender Erfahrung aus den ersten Häusern hofft Meyer-Brötz, auf den Sicherheits-Beton in den Hohlräumen verzichten zu können. „Runde Formen können per se nachhaltiger ausgerichtet werden, weil sie stabiler sind.“ So werde bei späteren Projekten mehr Last auf die 3D-gedruckten Strukturen übergehen, was dann Material einspare. In die Zwischenräume könnte man dann Dämmmaterial einblasen.

Robotischer Sprüharm beschichtet die Wände

Wenn der Rohbau steht, soll in Heidelberg eine weitere Weltneuheit zum Einsatz kommen: Der „Robot of coatings“ (Roc) Diesen Beschichtungsroboter mit Sprüharm hat der Baufarbenhersteller DAW SE gemeinsam mit dem israelischen Start-up Okibo entwickelt und Ende April auf der Fachmesse BAU in München vorgestellt. Er soll die Innenfarbe auf die Wände mit ihrer wulstartigen Struktur aufbringen. Als Partner des Handwerks reiche es nicht mehr aus, innovative Beschichtungsstoffe zur Verfügung zu stellen, sagt Uwe Michaelis, Leiter Innovationsmanagement bei DAW. Es gehe um Services, die helfen. „Dabei geht es mir nicht um den Ersatz des Malers, sondern darum, ein verlängerter Arm zu sein.“ Wie im Bauhandwerk könne diese Digitalisierung auch bei den Malern helfen, Berufe wieder attraktiver zu machen, wenn er sich etwa zum Malertroniker weiterentwickle. Zudem entfallen körperlich schwere und belastende Arbeiten, wie das Betonstahlflechten im Rohbau oder das Streichen von Decken über Kopf. Wie beim 3D-Druck gelte jedoch auch für den Roc: „Das ist nicht das Ende der Fahnenstange, das ist eine Reise. Wir befinden uns am Anfang einer Entwicklung vergleichbar mit einem Mobiltelefon Anfang der 90er-Jahre“, so Michaelis.

„Wir sehen immer noch Handwerk, aber auch Hochtechnologie auf der Baustelle“, ergänzt Meyer-Brötz. Mit dieser könne man mehreren Herausforderungen begegnen: dem akuten Fachkräftemangel, dem fehlenden Wohnraum und der stagnierenden Produktivität im Bauwesen.

Den Titel „größtes 3D-gedrucktes Gebäude Europas“ dürfte das Heidelberger Server-Hotel daher nicht allzu lange tragen. „Unsere Planungen gehen weiter“, erklärt Meyer-Brötz. „Aber das kommunizieren wir, wenn es soweit ist.“

Daniel Vöpel

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