Ein Urteil des Europäischen Gerichtshof könnte den Markt für Bauprodukte in Deutschland aufmischen. Bislang müssen in Deutschland Bauprodukte über Bauregellisten zugelassen werden. Die CE-Kennzeichnung, das Prüfzeichen der EU reicht nicht. Diese Praxis verstoße gegen das Recht auf freien Warenverkehr, hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil am 16. Oktober entschieden. Das könnte gravierende Auswirkungen auf die deutsche Baupraxis haben.
Die Klage wurde vor mehr als zwei Jahren von der EU-Kommission eingereicht. Mitgliedsländer und Hersteller aus anderen Ländern hätten sich über die deutschen Sonderregelungen beschwert, hieß es aus Brüssel. Wenn Mitgliedstaaten verlangen, dass Produkte, die eigentlich von einer harmonisierten EU-Norm abgedeckt sind, zusätzlich geprüft werden sollen, obwohl sie das CE-Zeichen tragen, dann erzeuge das Handelshemmnisse auf dem Binnenmarkt, argumentierte die Kommission. Eine solche Norm wurde mit der Bauprodukteverordnung 2011 beschlossen.
Sie sehe eine "gemeinsame technische Sprache" vor, mit deren Hilfe Hersteller die Leistung und Eigenschaften ihrer Produkte in der EU diskutieren können, so die EU-Kommission in ihrer Pressemitteilung zum Urteil. Die erhöhte Markttransparenz nütze Entwicklern, Bauherren und -unternehmern. Insbesondere Architekten hätten es leichter, sich verlässlich über die verschiedenen Produkteigenschaften zu informieren, so dass ihre Sicherheitsvorkehrungen bei Bauvorhaben den Anforderungen des jeweiligen Landes entsprechen können. In Deutschland dürfte das Urteil zunächst einmal für Verwirrung sorgen bis klar ist, wie es mit den Zulassungen weitergeht.
Das Urteil bezieht sich konkret auf Rohrleitungsdichtungen aus thermoplastischem Elastomer, Dämmstoffe aus Mineralwolle und Tore, Fenster und Außentüren. Es liegen jedoch zahlreiche ähnliche Beschwerden vor, deshalb wirkt sich das Urteil des Gerichts auf das gesamte deutsche System der Bauregellisten aus. Die werden in Deutschland im Auftrag der Länder vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) erstellt. Es müsse nun mit dem Bund und den Ländern über das weitere Vorgehen beraten werden, so das DIBt in einer ersten Stellungnahme.
Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland verurteilt worde sei, betreffe es doch in erster Linie die Länder, so ein Sprecher des Bundesbauministeriums gegenüber EnBauSa.de. Das Gericht habe geurteilt, dass in den Bauregellisten der Länder enthaltene technische Zusatzanforderungen an bereits europäisch harmonisierte Bauprodukte unzulässige Handelshindernisse darstellten. Es stelle sich die Frage der Übertragbarkeit auf andere als die direkt genannten Produkte. "Zielrichtung für uns kann es nur sein, bei einer Beseitigung von Markthindernissen für die Hersteller von Bauprodukten gleichzeitig die an Bauwerke gerichteten Anforderungen im Hinblick auf Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltverträglichkeit weiterhin sicherzustellen. In diesem Prozess wird sich die Bundesregierung aktiv einbringen", so das Bauministerium auf Anfrage. Pia Grund-Ludwig