Kunststoffteile nach eigenem Design oder dreidimensionalen Scans selbst auszudrucken, ist einer der technologischen Trends der vergangenen Jahre. Auch Unternehmen der Baubranche und Forschungsinstitute im Bereich des Bauwesens experimentieren zunehmend mit dieser Methode und drucken verschiedenste Werkstoffe: Beton, Glas, Aluminium. Ist das ausgedruckte Haus also nur noch eine Frage der Zeit?
Wenn es nach Behrokh Khoshnevis von der University of Southern California ginge, auf jeden Fall. Schon vor Jahren hat sich der Wissenschaftler seiner Methode des Betondrucks, dem "Contour Crafting", verschrieben. Dabei spritzt ein Roboter dicke Betonwürste nach den Vorgaben einer am Computer erstellten Konstruktion so exakt aufeinander, das daraus Wände entstehen können.
Gedruckter Beton kommt mit weniger Masse aus
Weil beim gedruckten Beton die stabilisierende Bewehrung fehlt, wird er mit Fasern versetzt, um ihm mehr Stabilität zu verleihen. Diese Masse wird dann in zwei dünneren Betonwänden schichtweise aufgespritzt, die über eine Wabenstruktur verbunden sind. Das spart im Vergleich zu einer massiven Betonwand Material ein.
Khoshnevis' Vision ist es, dass eines Tages ein solcher Roboter auf einer fahrbaren Anlage an der Baustelle aufgestellt wird und innerhalb eines Tages ein komplettes Haus ausdruckt: Wände, Dach, sogar Wasser- und Elektroleitungen. Die Rohre und Leitungen würde ein Roboterarm einsetzen und verschrauben. Bislang existiert diese Vision nur in Computeranimationen. Doch kleinere Prototypen der Maschine drucken bereits Betongefäße.
Dieselbe Vorgehensweise, die aus dem industriellen Prototypenbau (Rapid Prototyping) stammt, setzt die chinesische Firma Shanghai WinSun Decoration and Engineering bereits in der Fertigung ein. Sie wirbt damit, Häuser innerhalb eines Tages drucken zu können. "Das hat enorm Furore gemacht: Die drucken ein Haus an einem Tag", sagt Ulrich Knaack, Professor für Fassadentechnik an der Technischen Universität Darmstadt. Allerdings stimmt dieser Werbeslogan nur teilweise, denn die Chinesen drucken Fertigteile in einer Fabrikhalle und setzen diese dann zusammen. Ein komplett gedrucktes Haus ist das also noch nicht.
Holländische Architekten arbeiten an 3-D-Haus aus Kunststoff
Ein solches soll in Kürze in Amsterdam entstehen, wenn es nach dem Willen der niederländischen DUS-Architekten geht. Das Büro hat sich vorgenommen, ein komplettes Kanalhaus zu drucken. Gelingen soll dies mit einem 3D-Drucker, der - so die Angaben von DUS - bis zu 5,5 Meter hoch drucken kann. Allerdings arbeitet der "Kamermaker", wie das Gerät heißt, nicht mit Beton, sondern mit Kunststoff-Filament, wie es auch die marktüblichen kleinen 3D-Drucker verarbeiten. Für Knaack kein Stoff, aus dem man ganze Gebäude errichten kann: "Er ist nicht dauerhaft, er brennt und er kann keine großen Lasten tragen. Der Kunststoffdruck ist daher eher für sekundäre Funktionen am Gebäude geeignet, aber am weitesten fortgeschritten in seiner Entwicklung." Nach Ansicht des Forschers wird das Projekt eher darauf hinauslaufen, dass man die Verschalungselemente aus Kunststoff druckt und dann mit Beton ausgießt.
Pläne und Prototypen zum 3D-Druck im Bauwesen entstehen derzeit in zahlreichen Ländern. Was sich am Ende durchsetzen wird, ist noch unklar. Vieles befindet sich im Planungs- oder Versuchsstadium. Lediglich Kunststoffteile werden bereits für den Gebrauch gedruckt. Klar ist aber: "additive manufacturing", also die Herstellung durch das Auftragen eines Materials, hat alle Bereiche erfasst, die für das Bauwesen von Bedeutung sind, und wird diese verändern.
Roboter druckt Metallstreben in vielfältigen Formen
So hat das niederländische Unternehmen MX3D einen Roboter entwickelt, der in der Lage ist, verschiedene Metalle zu Streben in jeder beliebigen Form zu drucken. Als Vorzeigeprojekt soll er eigenständig eine Stahlbrücke in Amsterdam bauen. Denkbar ist jedoch auch, ihn für maßgefertigte Gebäudeelemente einzusetzen.
Forscher am Massachusetts Institute of Technology (MIT) experimentieren damit, Glas auszudrucken - im Moment ebenfalls mit Gefäßen und einfachen Formen. Da auch das geschmolzene Glas in Form von Würsten aus der Maschine kommt, wäre es aus Knaacks Sicht eher vorstellbar, den Anbau von Komponenten an Glasscheiben zu verbessern als tatsächlich ganze Fenster zu drucken.
Alu-Knoten wäre ohne 3-Druck nicht herstellbar
Auch an Knaacks Institut in Darmstadt laufen mehrere Forschungsvorhaben zum 3D-Druck. Eines ist schon abgeschlossen, eine Dissertation über einen Alufassadenknoten. Also ein Element, das an der Fassade mehrere Aluprofile miteinander verbindet. Aufgrund seiner komplexen Innenstruktur lässt sich ein solches Bauteil nur additiv aufbauen und nicht durch fräsen oder andere abhebende Verfahren. Inzwischen sind das Bauteil und dessen Fertigungsmethode laut Knaack serienreif und beim Aluhersteller Alcoa im Angebot.
In einem weiteren Projekt befassen sich die Darmstädter Forscher seit einem Jahr mit dem Druck von Backsteinen. Zwar werden diese auch in Zukunft deutlich teurer sein als die auf herkömmliche Art massenhaft produzierten. Ihren großen Vorteil beschreibt Knaack mit der "maximalen Individualisierung der Fragestellung." Das heißt, es sind Steine in praktisch jeder Form vorstellbar und zwar in der kleinsten Produktionsmenge von einem Stück. Damit erziele man volle Kundenanpassung des Produkts, weil man dessen individuelle Wünsche realisieren kann. Es werden Bauteile möglich, die man nicht wirtschaftlich fertigen konnte, etwa Backsteine mit verschiedenen Wölbungsgraden und Isolationseigenschaften. Und damit Gebäudeformen, die bislang unvorstellbar oder zumindest unvorstellbar teuer waren.
Digitaldruck bringt handwerkliche Produkte in Industriequalität
Der US-Forscher Khoshnevis beschreibt dies gerne als einer der großen Vorteile des Contour Crafting. Man kann Wände und Häuser in allen denkbaren organischen Formen herstellen, was Gebäude beispielsweise in erdbebengefährdeten Gebieten stabiler und damit sicherer machen könnte.
Generell aber sieht auch der Darmstädter Wissenschaftler einen echten Wandel auf die Branche zukommen, eine Art Digitalisierung des Handwerks. "Bau ist ja keine Industrie, sondern die Industrie fertigt Komponenten, die von Handwerkern verarbeitet werden", sagt Knaack. Indem nun eine Maschine diese beiden Prozesse übernimmt und zusammenführt, entstehen handwerkliche Erzeugnisse in Industriequalität. Dass aber ganze Häuser gedruckt werden, hält Knaack auch in Zukunft für nicht realistisch. "Der 3D-Druck ist eine zusätzliche Technologie, die die Bandbreite erhöht. Manches kann man damit besser machen, anderes aber auch nicht. Es wird nicht der Ersatz für alles sein." Daniel Völpel