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Elektromobilität im Aufwind

Studie enthüllt Potenziale für Ladeinfrastruktur in Mehrfamilienhäusern und Nichtwohngebäuden

Ladepunkte in Mehrfamilienhäusern und Nichtwohngebäuden werden für den Hochlauf der Elektromobilität eine wichtige Rolle spielen. Foto: Fraunhofer ISE

Für den Markthochlauf der Elektromobilität in Deutschland spielt eine gut ausgebaute Ladeinfrastruktur eine entscheidende Rolle. Besonders in Großstädten mit zahlreichen Mehrfamilienhäusern und Nichtwohngebäuden bleibt das Laden über Nacht jedoch für viele eine Herausforderung. Die neue Studie der Fraunhofer-Institute ISI und ISE im Auftrag von Transport & Environment (T&E) beleuchtet die Bedarfe und Potenziale von Mehrfamilien- und Nichtwohngebäuden für die Elektromobilität.

Die Bundesregierung strebt bis 2030 eine Erhöhung der Elektrofahrzeuge in Deutschland auf 15 Millionen an, was ein enormes Marktwachstum erfordert. Neben geeigneten und erschwinglichen E-Fahrzeugen ist vor allem die Ladeinfrastruktur am Wohnort von entscheidender Bedeutung. Aktuelle Studien zeigen, dass Fahrzeughalter derzeit in der Regel über einen Stellplatz mit eigener Lademöglichkeit verfügen. Um den Markthochlauf zu beschleunigen, besteht jedoch bei den rund 3,5 Millionen Mehrfamilienhäusern – in denen etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland liegt – sowie den rund 2 Millionen relevanten Nichtwohngebäuden (Bürogebäude, Supermärkte, Parkhäuser) Handlungsbedarf. Nur wenn diese über entsprechende Ladeinfrastruktur verfügen und die Stromnetze möglichen Belastungen standhalten, kann eine umfassende E-Mobilitätswende gelingen.

Die gemeinsame Studie des Fraunhofer ISI und des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE untersucht, welches Potenzial in Mehrfamilienhäusern und Nichtwohngebäuden für die Ladeinfrastruktur steckt, welcher Ladebedarf künftig besteht und inwiefern die Stromverteilnetze diesen decken können. Dabei liegt der Fokus auf der Errichtung von Ladeinfrastruktur in den genannten Gebäuden, insbesondere im Hinblick auf die zu novellierende GEIG.

Welche Ladebedarfe bestehen in Mehrfamilien- und Nichtwohngebäuden?

Simulationen zeigen, dass es bis 2030 theoretisch ausreichen würde, für 20 Prozent der E-Fahrzeuge in Mehrfamilienhäusern Ladepunkte vorzusehen. Voraussetzung hierfür wäre, dass Stellplätze mit Ladeinfrastruktur vorhanden sind, geteilt werden können und nach vollendeter Ladung direkt vom nächsten Fahrzeug genutzt werden oder Gebühren für blockierte Stellplätze anfallen. Die Studienautoren schätzen dies jedoch als unrealistisch ein und betrachten diese 20 Prozent als untere Grenze des Bedarfs. Für 2030 gehen sie von etwa 1,6 Millionen privaten E-Fahrzeugen und E-Dienstwagen in Mehrfamilienhäusern mit privaten Stellplätzen aus. Die Verpflichtung zur Errichtung von Ladeinfrastruktur besteht jedoch gemäß GEIG lediglich bei größeren Renovierungen und Neubauten. Die Studie geht daher bis 2030 von weniger als einer Million Ladepunkten in Mehrfamilienhäusern aus, was eine relevante Lücke zwischen Infrastrukturausbau und -bedarf entstehen lässt. Auch ambitioniertere Vorgaben in einer möglichen GEIG-Novelle können diese Lücke aufgrund der geringen Sanierungsrate in Deutschland nicht schließen.

Für Nichtwohngebäude fällt der Ladeinfrastrukturbedarf bezogen auf parkende E-Fahrzeuge geringer aus als in Mehrfamilienhäusern. Privat- und Dienstfahrzeuge werden künftig vorrangig zu Hause geladen, und es ist anzunehmen, dass Ladepunkte nach erfolgtem Ladevorgang wieder freigegeben werden. Ladepunkte für 10 Prozent der die Nichtwohngebäude ansteuernden Fahrzeuge würden somit ausreichen. Bei einem Fahrzeugbestand von 15 Millionen E-Pkw im Jahr 2030 und einem Ladevorgang pro Fahrzeug und Woche würden etwa 3 Millionen Fahrzeuge täglich in Nichtwohngebäuden geladen. Diese Gebäude bieten insbesondere für Bewohner von Mehrfamilienhäusern ohne eigenen Stellplatz oder Ladeinfrastruktur planbare Lademöglichkeiten und ermöglichen tagsüber solares Laden. Eine ambitionierte Ausgestaltung der gesetzlichen Mindestmengen an Ladeinfrastruktur könnte somit die Lücke bei Mehrfamilienhäusern schließen.

Dr. Annegret Stephan, Studienautorin vom Fraunhofer ISI, betont mit Blick auf GEIG und die anstehende Novellierung der Europäischen Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden: „Es bleibt festzuhalten, dass zwischen den aktuell geltenden gesetzlichen Anforderungen bzw. den zukünftig geltenden Mindestanforderungen auf Basis der Novellierung der EU-Richtlinie und dem Bedarf an Ladeinfrastruktur in Mehrfamilienhäusern eine Lücke besteht. Eine ambitionierte Ausgestaltung des zukünftigen GEIG könnte diese Lücke verringern und somit die Nutzung und das Laden von E-Fahrzeugen für die Bewohner deutlich erleichtern.“

Das aktuelle GEIG verpflichtet lediglich bei größeren Renovierungen und Neubauten zur Errichtung von Ladeinfrastruktur. Das stellt Menschen, die in Mehrfamilienhäusern im Bestand leben, vor Herausforderungen. Friederike Piper, Referentin für E-Mobilität und Studienleiterin von T&E, betont: „Wenn wir im Bestand nur auf Vorgaben bei Renovierungen setzen, dann wird private Ladeinfrastruktur zum Jahrhundertprojekt. Die Hälfte aller deutschen Wohnungen befinden sich in Mehrfamilienhäusern. Dies muss bei der Mobilitätswende mitgedacht werden, denn bei der E-Mobilität für die breite Bevölkerung geht es nicht nur um günstige E-Autos, sondern auch um günstiges Laden.“

Welche Auswirkungen haben hohe Ladeleistungen auf die Stromnetze?

Für Niederspannungsnetze geht die Studie zukünftig von einer deutlichen Mehrbelastung aus, wie Studienautor Dr. Matthias Kühnbach vom Fraunhofer ISE betont: „Diese kann dort, wo es schon heute starke Auslastungen gibt, einen Netzausbau erforderlich machen. Der Einsatz eines netzorientierten Lastmanagements könnte dabei Lastspitzen verringern und zeitlich verkürzen. Da die Elektrifizierung des Fahrzeugbestandes im Jahr 2030 noch immer steil anwachsen wird, ist für den Zeitraum nach 2030 mit weiteren Herausforderungen im Verteilnetz zu rechnen.“ Dabei erscheint auch die Nutzung von Energiemanagementsystemen für private Ladevorgänge äußerst sinnvoll, damit solche E-Fahrzeuge bevorzugt behandelt werden können, die lediglich eine kurze Standzeit oder einen großen kurzfristigen Energiebedarf haben.

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