Newsletteranmeldung:

„Quo-vadis“-Immobilienkongress

Klimawandel schafft ideale Bedingungen für Bäume in Europa

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Joachim Schellnhuber, Generaldirektor, IIASA. Foto: Alexander Morhart

(v.l.) Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Joachim Schellnhuber, Generaldirektor, IIASA; Moderatorin; Reinhold Knodel, Vorstandsvorsitzender, Pandion AG; Petra Wesseler, Präsidentin, BBR. Foto: Alexander Morhart

Am 21. Februar sprach Prof. Hans Joachim Schellnhuber zum Thema „Klimarettung durch regenerative Architektur?“ auf dem „Quo-vadis“-Immobilienkongress in Berlin. Alexander Morhart war für EnBauSa vor Ort.

„Holz statt Beton. (...) Dann würde ich nicht nur die Emissionen vermeiden (...), sondern ich würde sogar netto der Atmosphäre CO2 entziehen.“ Genau das hält Professor Hans Joachim Schellnhuber für nötig, damit nicht die Erderwärmung „ein Drittel der jetzt bewohnten Erde unbewohnbar“ mache.

Ob freilich die Forstwirtschaft dafür ausreichend Bauholz in Europa und weltweit zur Verfügung stellen könnte – das wurde auf dem Podium und aus dem Publikum bezweifelt, als der Physiker seine Thesen beim diesjährigen „Quo-vadis“- Immobilienkongress von Heuer Dialog in Berlin vortrug.

„Kein Horrorszenario von einem übergeschnappten Klimawissenschaftler“ sei es, dass man im Wesentlichen die inneren Tropen als unbewohnbar „von der Weltkarte streichen“ könne, wenn die Erderwärmung am Ende dieses Jahrhunderts 2,7 Grad betragen würde. Das wäre nach Schellnhuber zu erwarten, selbst „wenn alle Klimamaßnahmen, die inzwischen beschlossen sind, (...) zu 100 Prozent umgesetzt würden – und sie wissen, dass politische Maßnahmen fast nie zu 100 Prozent umgesetzt werden.“

Das Kriterium für die Unbewohnbarkeit im medizinischen Sinne übernahm Schellnhuber aus einer im Mai 2023 veröffentlichten Arbeit, nach der eine Jahresmitteltemperatur von 29 °C oder mehr Maximaltemperaturen von über 40 °C an durchschnittlich mehr als 75 Tagen pro Jahr entspreche, was je nach Luftfeuchtigkeit und weiteren Faktoren potenziell tödlich sei.

Hans Joachim Schellnhuber wurde als Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) von 1992 bis 2018 bekannt. Seit 2019 befasst er sich vor allem mit den Möglichkeiten, in Holzgebäuden Kohlenstoff zu binden, den die dafür gefällten Bäume zuvor in Form von CO2 der Umgebungsluft entzogen haben. Er nennt das „regenerative Architektur“ und war als Mitautor an der Veröffentlichung „Buildings as a global carbon sink“ vom Januar 2020 beteiligt.

„Ich entferne netto CO2 aus der Atmosphäre.“

Schellnhuber, seit Dezember vergangenen Jahres Generaldirektor des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien: „Wenn ich neu baue – wenn ich es ohnehin muss – und tue das mit nachwachsenden Rohstoffen wie Holz oder Bambus (...), dann habe ich nicht nur einen klimaneutralen Effekt, sondern einen klimapositiven: Ich entferne netto CO2 aus der Atmosphäre.“

Er zeigte dazu ein Schaubild, nach dem die globale Mitteltemperatur gegenüber der des Jahres 1900 bis zum Jahr 2100 um etwa 2,4 Grad steigen, ab da aber wieder sinken könnte – ob ausschließlich als Folge des Umstiegs auf Holzbau, blieb offen. Jedenfalls würden nicht nur die sonst mit der Herstellung von Beton und Stahl verbundenen Treibhausgas-Emissionen vermieden, sondern das der Atmosphäre während des Wachstums der Pflanze entzogene CO2 bleibe im Gebäude gebunden, solange dieses steht – „für 100, 200 Jahre“.

Reinhold Knodel, Vorstandsvorsitzender der Pandion AG mit Sitz in Köln, der als Projektentwickler seit 22 Jahren bundesweit Wohn- und Gewerbeimmobilien realisiert, stellte in der anschließenden Podiumsdiskussion eine solch lange Standzeit bei der gegenwärtigen Praxis in Abrede. „Da sind wir weit davon entfernt. Leider Gottes reißen wir im Augenblick Gebäude ab, die aus den 80ern, 90ern sind. (...) Das tun wir aber deswegen, weil diese Gebäude nicht so konzipiert waren, dass sie nachhaltig und langfristig nutzbar sind.“

Architekturwettbewerbe für unglaublich kleines Geld

Für gute, anspruchsvolle, kreative Architektur bedürfe es „nur eines klugen Planungsprozesses“: „Wir (...) machen für alle unsere Projekte Architekturwettbewerbe. Die HOAI macht uns das Leben ja leicht. Die Architektenschaft tut mir manchmal sogar fast leid, denn für unglaublich kleines Geld kann man sich sechs, acht, zehn oder zwölf Entwürfe machen lassen. Das ist ein unglaubliches Asset, das leider Gottes von vielen unserer Kollegen so nicht immer wahrgenommen wird.“ Auch sonst müsse eine solche Architektur nicht teuer sein. Auf die Monatsmiete umgerechnet seien es „40, 50 Cent“ mehr [pro Quadratmeter Wohnfläche].

Bedenken äußerte Knodel wegen des Holzpotenzials. „Die Masse, was wir gerade bauen – wenn wir das als Holz bauen würden, müssten wir unglaublich viel Holz abforsten und fällen. So viel können wir gar nicht aufforsten.“ In die gleiche Richtung zielte die einzige Wortmeldung aus dem Publikum, für die am Ende noch Zeit war, und zwar mit Verweis auf eine Studie des World Wide Fund For Nature (WWF).

„Ein Mythos, dass wir nicht genügend Holz hätten“

Hans Joachim Schellnhubers Antwort: „Ich kenne die Studie natürlich; wir versuchen jetzt gerade, an entsprechender Stelle eine Studie zu veröffentlichen, die zeigt, dass dort nicht sauber gerechnet wurde.“ Details nannte er nicht. In einer globalen Betrachtung gebe es auf der Erde ungefähr eine Milliarde Hektar degradierter Flächen, die durch Rodung für Schiffbau, Minenholz und so weiter generiert worden seien. „Es gibt also eine Milliarde Hektar, die zur Verfügung stehen für Wiederaufforstung. Und ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Beispielen geben, wo das wirklich gelungen ist.“

Es sei „ein Mythos, dass wir – insbesondere in Europa – nicht genügend Holz hätten, auch aus nachhaltiger Forstwirtschaft, um im Prinzip jeden Neubau damit zu gestalten.“ Das liege am Klimawandel selbst. „Wir düngen nämlich die globale Biosphäre mit CO2. (...)“ Das heiße, alle Pflanzen auf der Welt, inklusive der Bäume, die in Europa seien, erhielten einen künstlichen Düngungseffekt.

„Wir gehen jetzt in ein Klima zurück, wie es vor 300 Millionen Jahren im sogenannten Karbon-Zeitalter existierte: mehr CO2, feuchter und wärmer – ideale Bedingungen, um Biomasse zu generieren. Wir haben das durchgerechnet, ganz konkret für die europäische Forstwirtschaft und die Bauwirtschaft, zusammen mit dem European Forest Institute in Finnland. Wir können tatsächlich zeigen, dass jeder Neubau, der sinnvoll wäre in Zukunft, mit nachwachsenden europäischen Holzressourcen errichtet werden könnte.“

Alexander Morhart

Eine Verwendung dieses Textes ist kostenpflichtig. Eine Lizenzierung ist möglich.
Bitte nehmen Sie bei Fragen Kontakt auf.