Newsletteranmeldung:

Interesse wächst - Standorte in Wohngebieten sind schwierig

Vorsicht bei der Anschaffung von Kleinwindanlagen

Das Interesse an Kleinwindkraftanlagen wächst. Bild: Hacker

Das Interesse an Kleinwindkraftanlagen wächst - bei Anwendern und Anbietern. Der Markt wird immer unüberschaubarer. Viele Produkte halten nicht, was ihre Anbieter versprechen.

Das Interesse an Kleinwindkraftanlagen wächst. Dabei sind es neben dem klassischen Besitzer eines Hauses auf dem Land zunehmend Bewohner von Wohngebieten, die über die Anschaffung einer solchen Anlage zur umweltfreundlichen Energieerzeugung nachdenken. Und das, obwohl der Strom, der mit den Windrädern produziert wird, bei Einspeisung ins Netz lediglich mit 9,1 Cent je Kilowattstunde vergütet wird. Doch darum geht es den Interessenten nicht. Sie sehen in der Windkraft eine gute, einfache Möglichkeit, sich ein Stück weit unabhängig von ihrem Stromanbieter zu machen. Ganz so einfach ist es jedoch nicht: Nicht jeder Standort ist geeignet und ein Großteil der angebotenen Windräder taugt nichts.

"Der Markt für Kleinwindkraftanlagen ist sehr unübersichtlich. Es gibt sehr viele Anbieter, aber nur wenige Produkte, die international zertifiziert sind", berichtet Paul Kühn vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Kassel. "Viele Anbieter werben mit völlig überzogenen, unbelegten Leistungsangaben", sieht er in der Branche auch viele Scharlatane am Werk. Das bestätigt Günther Hacker, ehemaliger Lehrer und heute selbst Hersteller von Windkraftanlagen. "Viele der Anlagen, die beispielsweise auf Messen angeboten werden, gibt es nur als Prototyp: Kundenreferenzen - Fehlanzeige! Und die Zahlen, mit denen da geworben wird, gehören ins Reich der Märchen", ereifert er sich im Gespräch mit EnBauSa. Ein realistischer Wert für die Leistung pro Quadratmeter Rotorfläche liegt Hacker zufolge bei rund 300 Watt. Deutlich darüber liegende Angaben sollten Interessenten stutzig machen.

Indiskutabel sind für Hacker auch Windräder, die sich um eine senkrechte Achse drehen. "Das kann nicht effizient sein, denn ein Teil des Rotors befindet sich ja immer im Windschatten und muss gegen den Wind wieder nach vorne gebracht werden. Das bremst", sagt er. Hacker hat in den vergangenen Jahren 28 Windkraftanlagen getestet - mit zum Teil verheerenden Ergebnissen. "21 Anlagen sind nicht richtig gelaufen", berichtet der anerkannte Experte, der nach eigenen Angaben mitunter auch als Kleinwindkraftanlagen-Papst bezeichnet wird. IWES-Forscher Kühn dagegen würde nicht sagen, dass vertikale Windkraftanlagen generell nichts taugen. "Ein solches Windrad muss nicht ständig nach dem Wind ausgerichtet werden. Das ist am Gebäude ein Vorteil, da der Wind dort turbulenter ist und ständig dreht", sieht er einen Vorteil für den Einsatz im städtischen Umfeld.

Allerdings ist der ökonomische Einsatz von Windkraftanlagen in der Stadt ohnehin fraglich, da die Windgeschwindigkeiten in den Städten häufig eher bescheiden sind. "Um verlässliche Aussagen über die Windressourcen machen zu können, müsste man den Wind mindestens ein Jahr lang messen", so Kühn. Hinzu kommen die Probleme, die aus der Montage des Windrades auf dem Dach entstehen können. Zwar sind die guten Windräder heutzutage sehr leise, aber auf dem Dach installiert können sie zu einer unerträglichen Lärmquelle werden. Denn das Haus wirkt als Resonanzkörper der Anlage. Zudem kann die Vibration des Windrades bei hohen Windgeschwindigkeiten Schäden am Gebäude verursachen, beispielsweise wenn die Anlage zu groß dimensioniert ist. Dennoch hat auch das IWES jüngst einige Windräder auf seinem Dach installiert und erforscht, inwieweit und unter welchen Bedingungen, Kleinwindkraftanlagen im städtischen Umfeld betrieben werden können. "Wir sehen aber nicht, dass in Zukunft in Deutschand auf jedem zweiten Dach eine Windanlage arbeitet." Zudem arbeite das IWES Kühn zufolge an Standards für Anlagendokumentationen, die es leichter machen sollen, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Es wird deutlich: Kleinwindkraftanlagen sind eine beratungsintensive Angelegenheit. Nicht zuletzt deshalb warnen sowohl Hacker als auch Kühn eindringlich vor dem Kauf einer solchen auf einer Messe. Das ist in jüngster Zeit durchaus vorgekommen. "Gerade vor kurzem hatte ich wieder einen Anruf von einem Mann, der auf einer Messe einen Vertrag unterschrieben hat. Der Verkäufer hat nicht einmal nach dem geplanten Standort gefragt", ärgert sich Hacker über unseriöse Wettbewerber. Der Standort ist entscheidend dafür, ob ein Windrad überhaupt Sinn macht. In Wohngebieten fällt die Standortanalyse oft negativ aus. "Dort gibt es in der Regel zu wenig Wind oder zu viele Turbulenzen. Zudem muss sichergestellt sein, dass die Nachbarn nicht durch den Schattenwurf oder die Geräusche der Anlage gestört werden", erläutert Hacker. Er ärgert sich insbesondere auch über die vielen Händler, die im Bereich Fotovoltaik ihre Felle wegschwimmen sehen und nun in den Kleinwindkraftanlagenmarkt strömen."Die denken, das sei so einfach wie Fotovoltaik und drängen alle in einen Markt, der gar nicht da ist: Kleinwindkraft in Wohngebieten."

"Bei der Kleinwindkraft gibt es viel mehr Freiheitsgrade als bei der Fotovoltaik", nennt Kühn einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Verfahren zur Erzeugung regenerativer Energien. "Das reicht von der Standortsuche über die unterschiedlichen Masthöhen bis zum Radius und der Form des Rotors." Hinzu kommt, dass die Wechselrichter für die Umwandlung des Gleichstroms aus der Windkraftanlage in Wechselstrom, nicht wie bei PV-Anlagen einfach nur angeschlossen, sondern individuell programmiert werden müssen - je nach Standort. Erfolgt das nicht, kann es zu Schäden an Wechselrichter oder Windrad kommen.

Keine Frage ist für die Experten, dass es zahlreiche sinnvolle Standorte für die Kleinwindkraftanlagen gibt und das Potenzial dieser Technik zur Erzeugung umweltfreundlicher Energie lange noch nicht ausgeschöpft ist. Doch die Verbreitung wird in vielen Bundesländern durch eine undurchsichtige Genehmigungspolitik behindert. "Was wir brauchen ist eine Baugenehmigungsfreiheit für Anlagen bis zehn Meter Höhe, wenn bestimmte Bedingungen - Beispielsweise in Bezug auf die Geräuschentwicklung - erfüllt sind. In Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen gibt es die bereits", sagt Hacker. Das sieht auch der Bundesverband Kleinwindanlagen so, der sich 2009 gegründet hat. Als weiteres Problem führt er die mangelnde Förderung an. "Bei Kosten in Höhe von 3.000 bis 5.000 Euro pro installiertem Killowatt Netzleistung brauchen die Betreiber von Kleinwindanlagen eine gehörige Portion Idealismus", weiß Verbandssprecher Thomas Endelmann. Ziel des Verbandes sei daher neben einer höheren Qualität bei den angebotenen Produkten und einer einheitlichen Genehmigungspraxis auch eine Gleichstellung bei dem Entgelt für die Netzeinspeisung mit der Fotovoltaik. "Die Förderung für den Verbrauch sollte unabhängig von der Energiequelle sein", so Endelmann. Derzeit stellen die zuständigen Ministerien in dieser Sache auf stur. "Aber sie haben uns zugesichert, dass sie im Rahmen der grundlegenden Novellierung des Erneuerbare Energien Gesetzes, die 2011 ansteht, auf die Verbände zukommen werden, um darüber zu diskutieren."

Von unserer Redakteurin Silke Thole

Eine Verwendung dieses Textes ist kostenpflichtig. Eine Lizenzierung ist möglich.
Bitte nehmen Sie bei Fragen Kontakt auf.