Harald Drück ist Leiter des Forschungs- und Testzentrums für Solaranlagen (TZS) am Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart. Alexander Morhart hat für EnBauSa.de mit ihm am Rande des Abschluss-Seminars zum Projekt "Heizsolar" in Berlin über die Messergebnisse von Solaraktivhäusern und die weiteren Herausforderungen für diesen Baustandard gesprochen.
EnBauSa.de: Herr Drück, was sind die wichtigsten Erkenntnisse über Sonnenhäuser oder "Solaraktivhäuser", wie manche dazu sagen, aus dem "Heizsolar"-Projekt?
Drück: Die Messergebnisse haben gezeigt, dass Solaraktivhäuser prinzipiell funktionieren: Bei den untersuchten Gebäuden haben wir solare Deckungsanteile zwischen knapp über 50 Prozent bis hin zu 100 Prozent ermittelt. Nichtsdestotrotz ist noch Optimierungspotential vorhanden – angefangen von Technologien zur Vermeidung von Überhitzung im Sommer, sei es jetzt durch bauliche Maßnahmen wie Verschattung oder technische Maßnahmen wie selektive Absorberschichten mit temperaturabhängiger Emissivität in den Kollektoren bis hin zu innovativen Regelkonzepten, die lernfähige Algorithmen oder Vorhersagestrategien enthalten. Da gibt es noch eine ganze Menge zu tun, aber die Technik funktioniert, und das ist eine gute Basis. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Entwicklung von standardisierten Konzepten, weil man dadurch zum einen eine Kostensenkung erwarten kann und zum anderen die Wahrscheinlichkeit von Installationsfehlern reduziert.
Wie kann man erreichen, dass sich die Hersteller an solche Standards halten? Die sind ja freiwillig.
Das ist richtig, aber man kann bestimmte Schemata erarbeiten und publizieren, die sich bewährt haben. Die werden dann – einfach deshalb, weil sie sinnvoll sind – vom Großteil der Hersteller übernommen. Sehen sie sich Solaranlagen zur Trinkwassererwärmung an: Bivalente Trinkwasserspeicher haben in fast allen Anlagen den gleichen Aufbau, weil er sich bewährt hat.
Optimierung durch systematische Analyse ausgeführter Anlagen und durch Simulation ist ein naheliegendes und seit langem einsetzbares Verfahren. Woran liegt es, dass das ein Jahrzehnt lang keiner gemacht hat?
Die Kollegen vom Sonnenhaus-Institut sind eher die Praktiker. Denen haben diese hochkomplizierten, detaillierten Simulationswerkzeuge gar nicht zur Verfügung gestanden. Erst jetzt haben wir das "Heizsolar"-Projekt als Förderprojekt bekommen, das Praktiker und Wissenschaftler verbindet. Vor der Simulation muss man übrigens erst einmal ein Modell entwickeln. Zum Beispiel ist das Modellieren der Kopplung von Wärmeerzeugung und Wärmeverbraucher – dem Gebäude – entscheidend. Wir haben herausgefunden, dass in das Gebäude integrierte Wärmespeicher etwa 20 bis 30 Prozent des Heizwärmebedarfs einfach dadurch decken können, dass deren Wärmeverluste während der Heizperiode in das Gebäude übertragen werden.
Andererseits ist das, was Sie im Projekt "Heizsolar" gemacht haben, sehr aufwendig. So kann man nicht jedes Gebäude analysieren. Was bringen die Untersuchungen für die Praxis?
Für die überschlägige Dimensionierung und erste Konzeptabschätzungen reichen einfache Faustformeln und Diagramme: Wieviel Kollektorfläche braucht man und wieviel Speichervolumen – für diesen Standort, bei dieser Kollektorausrichtung –, um den gewünschten solaren Deckungsanteil zu erreichen? Solche Diagramme und Formeln kann man sehr gut aus den detaillierten "Heizsolar"-Simulationen ableiten. Etwas anderes ist die nachträgliche Vermessung. Wir haben für "Heizsolar" mit einem Budget von 1,5 Millionen Euro neun Gebäude sehr detailliert untersucht und simuliert. Grob geschätzt ging allein 1 Million in die Vermessung inklusive Datenanalyse. Es mussten jede Menge Sensoren eingebaut und kontrolliert werden, Fehlströmungen und zum Beispiel unplausible Werte bei der Datenerfassung tiefer untersucht werden – so etwas ist extrem anspruchsvoll und aufwendig und für eine breite Anwendung nicht praktikabel. Für die breite Praxis reicht es, ein paar Wärmemengenzähler einzubauen. Damit kann man - auch in Bestandsgebäuden - eine einfache Bilanz machen und eine Aussage treffen, ob die Anlage tendenziell funktioniert oder nicht.
Welche Entwicklungen bei der Speichertechnik könnten das Sonnenhaus voranbringen?
Wir haben vor zwei Wochen bei uns einen neuartigen Warmwasser-Versuchsspeicher mit Vakuum-Dämmtechnologie aufgestellt
..die kann aber beim "Heizsolar"-Projekt noch nicht berücksichtigt sein...
...nein, ist sie nicht, aber die Vakuumwärmedämmung hat eine ganze Reihe von Vorteilen. Die Dämmwirkung ist deutlich besser als bei einer konventionellen Wärmedämmung. Ich habe also nicht nur viel geringere Wärmeverluste sondern auch eine viel geringere Überhitzung der Räume, wenn ich den Speicher ins Gebäude stelle. Sie ist auch wesentlich dünner: Wir reden statt von 30 Zentimetern von zirka 5 Zentimetern. Ich habe also im Haus einen geringeren Platzbedarf. Oder ich kann einen Speicher mit Vakuumdämmung auch völlig problemlos außerhalb des Gebäudes aufstellen. Denn ich habe nicht das Problem des Witterungsschutzes; dass die Dämmung durchfeuchtet oder Ähnliches – die ist für das Vakuum sowieso hermetisch abgeriegelt.
Und der Haken sind wohl die Kosten?
Diese Art der Wärmedämmung ist bisher relativ teuer. Der Prozess der Evakuierung ist ziemlich zeitaufwendig. Aber es gibt Ansatzpunkte, wie man das verbessern kann – und damit auch die Kosten senken. Wir arbeiten außerdem an thermochemischen Speichern. Die haben eine viel höhere Energiedichte und fast keine Wärmeverluste, sind also prädestiniert für die saisonale Speicherung. Wenn diese Technik einmal am Markt ist, dann wird es noch einmal einen richtigen Schub für das Solaraktivhaus geben.