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Erstes energieautarkes Mehrfamilienhaus der Welt steht in der Schweiz

Solarfassade macht Kohlekraft überflüssig

Das Haus in Brütten bei Zürich ist komplett autark. © Umwelt Arena

Ein komplett energieautarkes Mehrfamilienhaus hat die Schweizer Umwelt Arena in Brütten bei Zürich gebaut. Nach ihren Angaben ist es das erste Mehrfamilienhaus der Welt, das ohne externen Anschluss für Strom, Öl und Erdgas auskommt. Ziel des Projekts ist zu zeigen, dass Energieautarkie mit Erneuerbaren auch im Winter möglich ist.

Erreicht wird dieses Ziel durch die fast vollflächige Belegung von Dach und Fassade mit Dünnschicht-Solarzellen. Unter dem Haus sind zwei Tanks verbaut – einer für Warmwasser und einer für Wasserstoff. In beiden wird die Solarenergie für den Winter gespeichert. Mit dem Wasserstoff ist die Stromversorgung auch in sonnenarmen Zeiten gesichert. Er wird in einem Blockheizkraftwerk rückverstromt. Dabei fällt gleichzeitig Wärme an.

Energieautarkie ist für den Bauherren, die Umwelt Arena aus Spreitenbach bei Zürich, kein Selbstzweck, erklärt Mitarbeiter Renato Nüesch. "Wir haben ja ein Netz, an das man das Haus anschließen könnte." Erneuerbar erzeugte Energie müsste aber gespeichert werden können. "Sonst laufen die fossilen Kraftwerke das ganze Jahr, weil sie im Winter gebraucht werden." Ziel des energieautarken Hauses ist also eigentlich, diese Kraftwerke überflüssig zu machen.

Solarzellen liefern großen Überschuss

"In Brütten hat man sich für Dünnschicht-Solarzellen an der Fassade entschieden, weil sie kostengünstig sind", erklärt Nüesch weiter. Sie haben ein gutes Diffus- und Schwachlichtverhalten, was beim Einsatz an einer Fassade entscheidend ist, da sie meist nur für kurze Zeit einer direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Das Haus in Brütten hat Module auch an der Nordseite. Dadurch wird der Ertrag regelmäßig auf den Tag verteilt. Insgesamt haben die Module eine Leistung von 127 Kilowatt peak. "Ab zehn Uhr beträgt der Ertrag bis zum Nachmittag rund 50 Kilowattstunden", sagt Nüesch. Im Sommer reicht eine Stunde Sonne, um den Energiebedarf der Bewohner einen Tag lang sicherzustellen.

Bei der Fassade waren auch architektonische Faktoren entscheidend. Zum Beispiel sollte sie nicht spiegeln. Die Module werden daher vor der Montage sandgestrahlt, um sie matter zu machen. Damit sollte sich das Haus auch äußerlich an die anderen Gebäude im kleinen Brütten anpassen. Die Fassade mit PV-Modulen ist mit einer Glasfassade gleichzusetzen. Die Umwelt Arena rechnet mit einer Lebensdauer von 40 bis 50 Jahren. Damit seien die Kosten nicht höher als bei einer Putzfassade, die über diesen Zeitraum öfter ausgebessert oder gestrichen werden muss.

Wasserstoffsystem für den Restbedarf

Insgesamt kommt vom Dach 20- bis 30mal mehr Energie, als die Bewohner direkt verbrauchen, sagt Nüesch. Mit dem Solarstrom wird deshalb eine Wärmepumpe angetrieben, die mit Außenluft und Erdwärme arbeitet. Sie wärmt das Wasser für den direkten Verbrauch und für die Speicherung in einem 250 Kubikmeter Warmwassertank. Er speichert 90 Prozent der im Haus benötigten Energie in Form von Wasser. Außerdem gibt es eine Lithium-Eisenphosphat-Batterie, die den Strom direkt speichert. Und es gibt einen Elektrolyseur, der mit Strom Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spaltet. Der Wasserstoff liefert im Winter die restlichen zehn Prozent Energie.

Dieses Wasserstoffsystem hat bei der Rückverstromung einen Wirkungsgrad von nur 20 Prozent. Da aber auch die Abwärme der elektrolytischen Reaktion genutzt wird, liegt der Wirkungsgrad insgesamt bei 80 Prozent.

Die Kostenrechnung sieht laut Nüesch folgendermaßen aus: Haustechnik, Speicher und Gebäudehülle einschließlich der Solarzellen verursachen gegenüber einem Haus, das nach den geltenden Energiestandards der Schweiz gebaut wird, Mehrkosten von 15 Prozent. Die sind auf die Miete umlegbar, weil keine weiteren Energiekosten anfallen. Die Kosten für das Wasserstoffsystem in Höhe von zwölf Prozent sind nicht amortisierbar. "Dafür ist das Objekt zu klein." Es sei eben ein Leuchtturmprojekt – so wie die Umwelt Arena zu einem Gutteil aus Idealismus geboren ist.

Ähnliches Projekt in Cottbus

Das Ausstellungszentrum für umweltfreundliche Technologien wurde vom Unternehmer Walter Schmid gegründet. Auf fünf Etagen informieren rund 140 Firmen und Organisationen über nachhaltige Produkte und Dienstleistungen. 45 Einzelausstellungen sind das ganze Jahr hindurch geöffnet. Die Umwelt Arena bezieht keine Mittel der öffentlichen Hand, sondern finanziert sich aus Eintrittsgeldern, Mieteinnahmen für die Ausstellungsflächen, Einnahmen aus Veranstaltungen und Events und aus Sponsorengeldern.

Die Ausstellung "Energieautarkes Mehrfamilienhaus" stellt das Haus in Brütten in einem Grossmodell im Müstab 1:10 vor, zeigt den technischen Aufbau und aktuelle Energiedaten. Themenführungen sind buchbar für Gruppen über fuehrungen@umweltarena.ch, Tel. +41 56 418 13 10. Fans von Energieautrakie können demnächst aber auch nach Cottbus pilgern. Dort sind zwei energieautarke Mehrfamilienhäuser geplant. von Susanne Ehlerding

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