Bei baulichen Änderungen an denkmalgeschützten Gebäuden gelten besonders strenge Auflagen. „Somit kann man die Entwicklung von energieeffizienten Lösungen für den denkmalgeschützten Bestand als Kür bezeichnen“, erklärt der Professor Harald Garrecht von der Universität Stuttgart. „Wir sehen bei diesen Gebäuden einen großen Bedarf nach energieeffizienterer und klimafreundlicherer Energieversorgung“, so der Stuttgarter Professor. Er leitet das Projekt Energieoptimiertes Quartier Margarethenhöhe Essen.
Komplett neu ist die Idee nicht, PV in Ziegel zu integrieren. Einer der Anbieter ist Nelskamp. Das Unternehmen hat 2003 PV-Ziegel vorgestellt. In der Schweiz hat Panotron Solarziegel im Programm, die auch Wärme liefern. Das neue am jetzigen Projekt ist, dass die Ziegel kleinformatiger und optisch kaum von Ziegeln ohne PV zu unterschieden sind. Außerdem erfolgt die Einbindung in ein komplettes Niedrigenergiesystem.
Elemente liefern Strom und Wärme
Auf der Oberseite der im Projekt entwickelten Dachsteine sind PV-Module, unten ein Wärmetauscher. Sie liefern also nicht nur Strom, sondern auch Wärme. Das im Dach integrierte hydraulische System sorgt dafür, dass das im Erdreich abgekühlte Wasser wieder die in den Dachsteinen integrierten Wärmetauscher durchfließt und trägt so zu deren Kühlung bei. „Dadurch steigt die Effizienz der PV-Seite“, erklärt Garrecht. „Zusätzlich entsteht mittels der Kopplung des solarthermischen Systems mit der geothermischen Anlage eine Art Endlosspeicher und die Wärmeverluste werden minimiert.“ Das funktioniert mit Tiefensondern, aber auch mit Erdwärmekörben und oberflächennaher Geothermie.
Ein entscheidender Vorteil der Dachsteine mit PV ist, dass sie von der klassischen Dacheindeckung optisch kaum zu unterscheiden sind. Damit sind sie in denkmalgeschützten Gebäuden einsetzbar, aber nicht nur dort. Die Entwicklung können dafür sorgen,d ass PV bei Architekten auf mehr Akzeptanz stoße, ist Garrecht sicher.
Im Projekt entwicklt wurden vergossene Dachsteine aus einem speziellen Hochleistungsbeton. Projektpartner sind Autarq, die bereits seit einiger Zeit kleinformatige Module für Ziegel verkaufen und Noventec als Partner für die thermische Aktivierung von Dachsteinen. Die elektrische Anbindung wurde von der RWTH Aachen entwickelt.
Baubeginn ist 2020
An fünf ausgewählten Gebäuden auf der Margarethenhöhe setzen die Wissenschaftler vom Gas- und Wärmeinstitut Essen, der RWTH Aachen und der Universität Stuttgart gemeinsam mit der Margarethe Krupp-Stiftung für Wohnungsfürsorge in Abstimmung mit der nun ihre Erkenntnisse in die Praxis um. Baubeginn wird Anfang 2020 sein. Bis dahin werden noch weitere Optimierungen von den Beteiligten erfolgen, so dass wir zuversichtlich sind, eine nicht nur technisch, sondern auch eine architektonisch attraktive Komponente für die energetische Ertüchtigung des Baubestandsvorweisen zu können, die auch auf großes Interesse in der Baupraxis stoßen wird", betont Garrecht.
Örtliche Handwerker verlegen erstmalig die neu entwickelten Dachsteine. Zusätzlich kommen in den Wohneinheiten innen Wärmedämmputze mit Aerogel zum Einsatz. Eine Wärmepumpe sorgt für die Bereitstellung von Heizwärme und Trinkwarmwasser. Die Wärme liefern eine Geothermieanlage und die Solareinheiten auf dem Dach. Um die Vorlauftemperaturen senken zu können, werden Fußbodenheizungen verlegt. Bisher heizen die Bewohner zum Teil noch mit älteren Systemen wie etwa Nachtspeicherheizungen. Bei den neu sanierten Wohneinheiten werden elektrische Speicher sowie Wärmespeicher auf PCM-Basis installiert. „Ziel ist, dass wir mit dem Heizsystem Low-Ex-Niveau erreichen, um mittelfristig durch eine bestmögliche Nutzung von im Quartier verfügbarer Umweltenergie eine Klimaneutralität in der Siedlung herstellen können“, so Garrecht. pgl