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Wüstenstrom-Projekt zeigt wirtschaftliche Auswirkungen

Noch keine konkrete Umsetzung für Desertec-Idee bekannt

Riesige Kollektoren sind Grundlage für Solarthermie-Kraftwerke. Bild: Solar Millenium

Das Wüstenstrom-Projekt Desertec, das mit Solarthermie Strom erzeugt, verspricht CO2-Neutralität.

Das Wüstenstrom-Projekt Desertec, das mit Solarthermie Strom erzeugt, verspricht CO2-Neutralität und zeigt schon jetzt wirtschaftliche Auswirkungen. Darüber, wie es konkret umgesetzt werden soll, ist bislang noch wenig bekannt.

Im Juli 2009 wurde Desertec von Vertretern großer deutscher Unternehmen - wie beispielsweise der Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft - vorgestellt. Bis zum Jahr 2050 sollen hauptsächlich mit Solar- und auch mit Windkraftanlagen in der MENA-Region (Middle East and North Africa) 15 Prozent des EU-Strombedarfs gedeckt werden. Die MENA-Staaten sollen durch wirtschaftliche Dynamik und politische Stabilität davon profitieren.

Desertec ist das größte Ökostrom-Projekt, das jemals geplant wurde: Von der nordafrikanischen Atlantikküste bis zum Persischen Golf soll Strom erzeugt werden. Thermische Solarkraftwerke wandeln das Sonnenlicht indirekt in elektrischen Strom um. Das Sonnenlicht wird durch riesige Spiegel gebündelt, die dabei entstehende Wärme erhitzt ein Spezialöl, das verdampft und Turbinen antreibt.

Durch das 400 Milliarden teure Vorhaben könnten deutsche Unternehmen ihre Stellung im Bereich der erneuerbaren Energien weiter ausbauen. Unter anderem sind die der Technologiekonzern Siemens, Receiverhersteller Schott Solar, die Energieerzeuger Eon und RWE und die Deutsche Bank als Kreditgeber beteiligt. Daneben sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Club of Rome und die Arabische Liga genauso involviert wie zahlreiche europäische und arabische Regierungen. Seit Oktober 2009 sind viele europäische, tunesische, marokkanische und ägyptische Energieunternehmen im Gespräch.

Bereits 2003 wurde die Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC) unter der Beteiligung des Club of Rome, dem Hamburger Klimaschutz-Fonds sowie dem Jordanischen Nationalen Energieforschungszentrum gegründet. Sie hatte das Ziel, EU-MENA-Staaten kostengünstig mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Zusätzlich sollte Wüstenstrom in die EU-Netze eingespeist werden, um die CO2-Reduktion in Europa voranzutreiben und Energiesicherheit zu gewährleisten. Arbeitsplätze, eine verbesserte Infrastruktur und klimaneutrale Meerwasserentsalzungsanlagen sollten entstehen.

Im Rahmen von TREC hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) drei Studien in Auftrag gegeben. Das DLR hat die Untersuchungen geleitet. Sie sollten die verfügbaren Ressourcen an Erneuerbarer Energien in der Zielregion, den erwarteten Strom- und Wasserbedarf bis 2050 in den EU-MENA-Staaten und den Aufbau eines Stromverbundes zwischen der EU und den MENA-Staaten untersuchen.

Die satellitengestützten Studien des DLR ergaben, dass Solarthermie-Kraftwerke auf einer Fläche von weniger als 0,3 Prozent der MENA-Wüstenflächen genügend Strom und entsalztes Wasser für den steigenden Bedarf dieser Länder erzeugen können. Windkraftanlagen rentierten sich vor allem in Marokko und am Roten Meer. Der Strom-Überschuss könnte mit Hochspannungs-Gleichstromübertragung bei einem geringen Verlust von 10 bis 15 Prozent nach Europa fließen.

Diese umfangreichen Studien sind auch die Grundlage für das Desertec-Projekt. Richtig ins Rollen kam es durch die Gründung der "Desertec Industrial Initiative": Zwölf Unternehmen und die Desertec Foundation gründeten sie im Oktober 2009. Sie soll eine zügige Umsetzung des Konzepts ermöglichen und nach einer genauen Analyse geeignete Rahmenbedingungen für Investitionen schaffen. Die Weltbank finanziert mit mehr als 5,5 Milliarden Dollar den Bau von elf Solarthermie-Kraftwerken in fünf arabischen Ländern (Algerien, Ägypten, Jordanien, Marokko und Tunesien). Sie erzeugen rund ein Gigawatt Strom und können damit die derzeitige Leistung solarthermischer Kraftwerke weltweit verdreifachen.

Ein Projekt diesen Ausmaßes hat jedoch nicht nur Befürworter. Ein prominenter Gegner des Projekts ist Solarpionier Hermann Scheer. Er spricht sich für eine Stromerzeugung innerhalb der EU aus und kritisiert, dass die Kosten für Strom-Exporte von den MENA-Staaten in die EU "künstlich heruntergerechnet" würden.

Andere Kritiker erwarten Vorteile nicht für die MENA-Staaten selbst, sondern für die Initiatoren des Projekts in Europa. Sören Scholvin, Mitarbeiter im Regional Powers Network (RPN) des German Insititute of Global and Area Studies (GIGA) schreibt, dass Vorteile für die MENA-Region wohl ausbleiben werden: "Desertec ist von Planung und Finanzierung über Bau und Wartung bis hin zur Nutzung ein von europäischen Konzernen dominiertes Vorhaben". Es diene Europas Energieversorgung und mache es ressourcenunabhängig. Daneben sei die politische Stabilität in vielen MENA-Staaten nicht gegeben und die Übertragungsverluste "über mehrere Tausend Kilometer beträchtlich", argumentiert Scholvin.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Desertec sind schon heute spürbar. Für den deutschen Solarkraftwerk-Hersteller Solar Millenium aus Erlangen bedeutet das Projekt einen Riesenschub. Das mittelständische Unternehmen gehört zum Desertec-Planungsstab. Im nächsten Jahr wird ein Umsatzwachstum von 50 Prozent erwartet.

Genaue Planungsvorhaben hat die Desertec Foundation bisher nicht bekannt gegeben. "Die Akteure im Planungskonsortium halten sich bisher recht bedeckt. Es gibt bisher nur die Idee, aber keine konkreten Pläne, was wo wann gebaut wird", sagt Scholvin. jm

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