"Ein 13-Kilowattstunden-Lithium-Ionen-Akku entspricht vom Energieinhalt her 4 Kilogramm Dynamit." Dieser Vergleich, ausgesprochen von Volker Müller vom hessischen Verteilnetzbetreiber ovag Netz AG, mag ein bisschen reißerisch klingen. Und er vernachlässigt sowohl die Freisetzungsrate pro Zeiteinheit als auch die Energiedichte, die beim Sprengstoff sechsmal höher ist als bei einem handelsüblichen Akku zur Speicherung von Fotovoltaikstrom. Aber vielleicht ist es ja auch manchmal ganz gut, wenn ein Beauftragter für Arbeitssicherheit ein Gegengewicht zu den Prospekten der Batteriehersteller bildet, in denen immer alles so harmlos wirkt.
Bis zu Regierung und Parlament und zur EU-Bürokratie scheinen Warner wie Müller bisher nicht durchgedrungen zu sein. Zwar gibt es die VDE 0510-2 "Ortsfeste Batterieanlagen" und vier weitere VDE-Normen. Diese stammen aber aus einer Zeit, in der Bleiakkus den Markt beherrschten. Die gewichtsbezogene Energiedichte von Lithium-Ionen-Akkus ist viermal so hoch, so dass diese thermisch bei weitem nicht so träge und gutmütig sind wie Bleiakkus.
Dämpfe der lösungsmittelhaltigen Elektrolyte brennen ab etwa 40 °C. Durch mechanische Beschädigung, Kurzschlüsse, unkontrollierte Überladung, Tiefentladung, aber auch durch innere oder von außen verursachte Überhitzung können Lithium-Ionen-Akkus thermisch durchgehen bis hin zu Brand und Explosion. Bei ihren Bestandteilen gibt es nämlich diverse mögliche Reaktionen untereinander mit Wärmeüberschuss. Dieser kann das 10fache der elektrisch gespeicherten Energie erreichen.
Elektrische Betriebsraumverordnungen (EltBauVO) sind Ländersache. Es gibt also 16 Stück davon, die zum Teil seit vielen Jahren nicht aktualisiert wurden. Darin finden sich zum Teil detaillierte Bestimmungen über große Transformatoren und Schaltanlagen mit Nennspannungen über 1 kV – nicht jedoch spezielle Ausführungen zu Lithium-Ionen-Akkus.
In Ein- und Zweifamilienhäusern ist nicht einmal ein getrennter Batterieraum gefordert. Die Akkus stehen da einfach in einem Schrank, meist im Keller (und manchmal sogar im Dachgeschoss – was die Gefahr erhöht, dass sie überhitzt werden). Die Schrankwände sorgen für eine gewisse Trennung von der Umgebung, aber andererseits kommt die Feuerwehr bei einem Brand gerade deshalb nicht direkt an die Batterie heran. Ein Sicherheitsproblem entsteht so auch ohne eine Explosion. Man kann die Akkus im Falle eines Brandes mit konventionellen Brennstoffen vergleichen. Volker Müller bezeichnet den Versuch, hier zu löschen, als "vergleichbar mit 500 kg Kohle im Vollbrand – fast aussichtslos".
Gesetze und Normen lassen den Verbraucher also allein, was Lithium-Ionen-Akkus angeht. Mehr noch: Nicht einmal die Förderung durch das KfW-Programm für Fotovoltaik-Batteriesysteme, in deren Genuss 2013 etwa 4.000 Käufer gekommen sind, macht Vorgaben, um die Sicherheit zu erhöhen. Nach dem Grund gefragt, antwortete die Pressestelle des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums an EnBauSa.de: "(...) Aufgrund der Neuheit der Technologie existieren allerdings für die Gesamtsysteme noch keine technischen Richtlinien und daher auch noch keine Zertifizierungen, auf die der Fördergeber Bezug nehmen könnte."
Dort weiß man offenbar nichts vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), wo sich Forscher wie Andreas Gutsch und Olaf Wollersheim eingehend mit dieser Frage befasst haben. Im Internet gibt das KIT Hinweise. Unter anderem findet sich dort auch ein Link auf eine vom Institut erstellte Checkliste "Li-Ionen Heimspeicher". Sie enthält technische Eigenschaften, bei deren Vorhandensein jeweils eine bestimmte Zahl von Punkten vergeben wird. Ganz oben auf der Liste und mit allein 50 Punkten belohnt wird das Merkmal "2 elektro-mechanische, stromlos offene Gleichstrom-Relais", die das System unabhängig voneinander abschalten können.
10 Punkte bringt ein Zertifikat der Vereinten Nationen mit der Bezeichnung "UN 38.3", das den Transport von Zellen und Batteriesystemen zum Gegenstand hat. Die Zertifizierung wird erteilt, wenn unter bestimmten Bedingungen die Zelle beziehungsweise der Akku weder brennt noch explodiert. Wichtig sei es, dass nicht nur die Einzelzelle dieses Zertifikat besitze (meist erfüllt), sondern auch die gesamte Batterie (oft nicht erfüllt). Die KIT-Checkliste enthält noch sechs weitere Merkmale, die jeweils 10 oder 20 Punkte bringen.
Mit einem Lithium-Ionen-Akku, der nicht mindestens 110 Punkte erreicht, empfehlen die Karlsruher Experten "sehr vorsichtig" zu sein. In einer anderen Veröffentlichung werden die Fachleute deutlicher: Es gebe zur Zeit "unsichere Systeme (...), die sofort vom Markt genommen werden müssten, wenn ähnlich hohe Sicherheitsvorschriften wie bei etablierten Produkten zum Beispiel der Automobilindustrie angelegt würden." Wer als Käufer auf Nummer Sicher gehen will, muss mehr fordern: "Besonders gute Systeme werden eine Punktzahl von 150 erreichen."
Zusätzlich rät das KIT, bei einem Lithium-Ionen-Akku auf ein Genügen der Norm DIN EN 62619 schon vor deren Inkrafttreten zu achten. Die Norm, die bisher nur im Entwurf vorliegt, behandelt auf über 30 Seiten von der Überladung und Tiefentladung über die Spannungs-, Strom- und Überhitzungsregelung bis zur Fallprüfung alle wichtigen Sicherheitsaspekte. Weiteren Aufschluss dürfte ein Workshop des Deutschen Instituts für Normung am 29. September in Berlin bringen.
Doch auch wenn man beim Kauf eines Akkusystems bereits auf Sicherheit achtet, stellt sich die Frage, ob und wie im Fall der Fälle ein Brand beherrscht werden kann. Welche Vorkehrungen sind im Aufstellungsraum sinnvoll? Dazu mehr im zweiten Teil dieses Beitrags.
Von Alexander Morhart