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Forschung

Hydrophile Schichten von der Rolle

Beschichtung nicht aktiviert (hydrophob) / Tröpfchen bildend (links) und nach Bestrahlung (1 Std. UV-Licht) vollständig benetzt (rechts). Foto: Fraunhofer FEP

Am Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP gelang es, kristallines Titandioxid im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf ultradünnes Glas aufzubringen und somit eine hydrophobe Oberfläche zu erreichen.

Die Reinigung von Glasfassaden und Solaranlagen ist teuer und aufwändig. Schmutz vermindert den Ertrag der Solarmodule. Gründe genug, um an Oberflächen zu forschen, die diesen Aufwand minimieren. Am Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP gelang es nun innerhalb des von der Europäischen Union geförderten Projektes NewSkin (GA: 862100), kristallines Titanoxid im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf ultradünnes Glas aufzubringen und damit hydrophobe Oberflächen zu erreichen, die unter UV-Licht sogar superhydrophil werden.

Von hydrophob zu superhydrophil

Titandioxid verändert durch UV-Einstrahlung (d. h. eine Aktivierung beispielsweise durch Sonnenlicht) seine Hydrophilie, seine wasserabweisende Eigenschaft. Unbestrahlt ist es hydrophob, also Tröpfchen bildend. Nach einer Bestrahlung ist es superhydrophil, also vollständig benetzend. Bei photoinduzierter Hydrophilie wechselt die Oberfläche nach ca. 30 Minuten Bestrahlung mit sonnenähnlichem UV-Licht von hydrophob zu superhydrophil.

Auf Oberflächen mit einer solchen Titandioxid-Beschichtung kann sich durch diesen Effekt kein oder nur sehr wenig Schmutz ablagern. Setzt sich beispielsweise Verkehrsstaub, Sand oder sonstiger Schmutz auf Glasfassaden oder Solarpanels ab, wird dieser durch die nächtliche Hydrophobie der Oberfläche über abperlende Regentropfen abgewaschen. Darüber hinaus bleibt der Schmutz besonders durch den zyklischen Wechsel von hydrophob und superhydrophil auch tagsüber nicht an der Oberfläche haften. Mit UV-Licht aktiviertes Titanoxid zersetzt durch Photokatalyse außerdem organische Moleküle an der Oberfläche. So entstehen antibakterielle und sterile Oberflächen, die besonders in der Medizintechnik oder in Verbindung mit flexiblen Displays von Interesse sind.

Pilotanlage am Fraunhofer FEP

„Wir setzen hier auf die photoinduzierte Hydrophilie auf Oberflächen“, erläutert Diplomand Valentin Heiser vom Fraunhofer FEP. „Um diesen Effekt aufzuskalieren, bringen wir erstmals kristallines Titanoxid im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf ultradünnes Glas auf. Dies ist sehr effizient und das ultradünne und leichte Glas kann nachträglich auf Fassaden aufgebracht oder direkt als Verbundwerkstoff in die Solarmodule eingearbeitet werden – sogar auf gebogene Oberflächen.“

Die Forschenden am Fraunhofer FEP haben nun erste Beschichtungen entwickelt: Konkret wurde eine 30 cm breite und 20 m lange Rolle Dünnglas, mit einer Glasdicke von 100 Mikrometern in einer Rolle-zu-Rolle-Anlage mit 30 – 150 Nanometern Titanoxid beschichtet. Diese Pilotanlage für Rolle-zu-Rolle-Beschichtungen von Dünnglas (FOSA LabX 330 Glass der Firma VON ARDENNE) steht am Fraunhofer FEP.

Herausfordernd für das Projekt ist zum einen, dass Dünnglas ein sehr neues Substrat mit großen Anforderungen ans Handling ist, da es sehr leicht bricht und empfindlich auf thermische und mechanische Belastungen reagiert. Zum anderen erreicht Titandioxid seine besonderen Eigenschaften der Hydrophobie und -philie nur, wenn es kristallin ist. Dafür benötigt es hohe Temperaturen während der Herstellung. Sputterbeschichtungen mit diesen Anforderungen waren bisher in Rolle-zu-Rolle-Technologie nicht umsetzbar, da gängige Substrate, wie z. B. Folien, den hohen Temperaturen nicht standhalten konnten. Dünnglas bietet hier eine Alternative.

Dank dieser Ergebnisse durch das NewSkin-Projekt arbeiten die Wissenschaftler des Fraunhofer FEP nun daran, die Eigenschaften von Titandioxid und Dünnglas optimal und kosteneffizient zu vereinen, um gemeinsam mit der Industrie innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Mit den ersten gelungenen Beschichtungen auf Ultradünnglas wurden die Grundlagen hierfür gelegt. Forscher des Newskin-Partners Universität Uppsala arbeiten daran, die Ergebnisse auch auf Polymerfolien zu übertragen.

Künftig wird das Fraunhofer FEP auch an Schichtsystemen arbeiten, die nicht nur mit UV-Licht, sondern auch mit sichtbarem Licht aktiviert werden können. Auch die Herstellung und Einbettung von Nanopartikeln oder das Dotieren mit z. B. Stickstoff sind angedacht.

Über NewSkin

Das NewSkin Open Innovation Test Bed (OITB) bietet einzigartige Prototyping-, Upscaling- und Testeinrichtungen im Pilotmaßstab sowie Dienstleistungen für die Markteinführung, die allen zur Verfügung stehen, um die Kommerzialisierung innovativer Materialien und Technologien für Nanooberflächen und Membranen in ganz Europa zu beschleunigen. NewSkin ist eines von mehreren EU-finanzierten OTIBs und bietet Forschungslabors, KMUs und der Industrie freien Zugang zu zehn hochmodernen Upscaling- und neun Testeinrichtungen. Die daraus resultierenden verbesserten Oberflächen und Membranen, die durch NewSkin OITB beschleunigt werden, bieten fortschrittliche Funktionalitäten, Materialschutz, Wasseraufbereitung, tribologische Anwendungen, Kraftstoffeinsparungen im Verkehrswesen, Effizienzsteigerungen bei der Erzeugung erneuerbarer Energien und vieles mehr, was sich auf die Gesellschaft und wichtige Industriesektoren auswirkt und den Wandel hin zu Klimaneutralität in der EU unterstützt.

Die Forschenden des Fraunhofer FEP werden auf der BAU 2023, in München, vom 17. – 22. April 2023, am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand Nr. C2-528 erste Ergebnisse dieser Beschichtungen neben weitere Highlights präsentieren.

Quelle: Fraunhofer FEP

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