Auf einer ausgebuchten Tagung stellte das Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt (IWU) Betriebskonzepte und Erfahrungen im Umgang mit Mieterstrom vor. Es gibt durchaus Projekte, die seit Jahren funktionieren, und es kommen immer mehr Unternehmen der Wohnungswirtschaft dazu. Doch noch überwiegt die Skepsis bei der Vermarktung von Strom aus PV vom Dach oder von Blockheizkraftwerken aus dem Keller die Bewohner. Die organisatorischen Hürden sind hoch, und politischen Rückenwind gibt es für Mieterstromkonzepte im Moment auch nicht.
Die Wohnungswirtschaft beschäftige sich seit zirka fünf Jahren intensiver mit dem Thema Mieterstrom, berichtete Ingrid Vogler, Technikexpertin beim Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW. Mieterstrom wäre aus ihrer Sicht eine Chance, diese Bevölkerungsgruppe in die Energiewende einzubeziehen. "Bislang sind das die, die am wenigsten tun können und am meisten belastet sind", betonte Vogler. 3,4 Millionen Menschen oder 20 Prozent der Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern könnten Mieterstrom nutzen, sagte sie. Dabei bezieht sie sich auf die Gebäude, die nicht an Fernwärme angeschlossen sind, die also Kraft-Wärme-Kopplung einsetzen könnten.
Bei Nahezu-Nullenergie wird die Option Strom wichtiger
Wenn man den Bestand in Richtung Nahezunull-Energiegebäude bringen wolle, dann sei die Einbeziehung des Stroms eine Option, die für die Mieter relativ günstig sei, so Vogler. Im Durchschnitt sei man heute bei Mietwohnungen bei einem Verbrauch zwischen 120 und 140 Kwh/m2 Endenergie für die Wärmeerzeugung pro Jahr angekommen. Maßnahmen an der Gebäudehülle, die den Energieverbrauch drosseln, würden zu Mehrbelastung der Mieter führen, Strombezug aus KWK würde sie dagegen entlasten.
Widerstand käme noch von Teilen der Energiewirtschaft, die diskutiere, wie man mit der höheren Quote an Eigenversorgern umgehen solle. Untersuchungen dazu, wie dezentrale Erzeugung aussehen müsse, damit es zu einer Entlastung der Stromtrassen und damit zu geringen Netzkosten kommen könne gebe es nicht, so Vogler. Von der Politik gebe es im Moment keine Unterstützung für Mieterstorm, ganz im Gegenteil. So solle dieser in der Novellierung des KWK-Gesetzes keine Rolle mehr spielen.
Anders als bei der Wärme, die innerhalb eines Hauses nur von einem Anbieter bezogen werden kann und auch für die Betriebszeit einer Heizungsanlage aus dem gleichen System kommt, ist die Abnahme für Strom außerdem volatiler. Selbst Mieter, die zu Anfang bei einem Mieterstromkonzept mitmachen, haben das Recht zu wechseln. Stromverträge, die sie für die Dauer des Mietvertrags binden, wären unzulässig. "Man muss Anreize schaffen, etwa günstiger sein als lokale Konkurrenten, oder nur den Arbeitspreis und keinen Grundpreis berechnen", nannte Iris Behr vom IWU mögliche Modelle, die bereits in der Praxis erprobt sind.
Der Wechsel der Stromkunden war bei den in Darmstadt vorgestellten Projekten kein großes Thema. Mieter, die einmal unterschrieben haben, bleiben in der Regel dabei. Sie erhalten ihre komplette Strommenge vom Contractor oder einem Tochterunternehmen der Wohnungsgesellschaft. Optimal ist aus Sicht der Betreiber eine Teilnahmequote von 70 Prozent.
Eine neue Idee setzt die ABG Frankfurt in ihrem neuen Stadtaktivhaus in der Speicherstraße in Frankfurt um. Das Haus mit 74 Wohneinheiten soll in den nächsten Wochen bezugsfertig sein. Sowohl Haushaushaltsgroßgeräte als auch Wärme und ein "Stromgeschenk" sind dann in der Miete enthalten. Wer einen anderen Stromversorger wählen will, kann das tun, verliert dann aber den mit der Miete enthaltenen Strombetrag. Abgerechnet wird der Strom zudem ohne Grundpreis und zu einem Preis von 24,5 Cent pro Kilowattstunde. Das "Verschenken" ist der Versuch, rechtlichen Spielraum zu nutzen. Eine Vermietung inklusive Strom wäre schwieriger als das Verschenken einer bestimmten Strommenge. Abrechnung und Stromversorgung hat die Mainova übernommen.
Einer der Knackpunkte für erfolgreiche Mieterstromkonzepte seien die Messkonzepte, so eine zentrale Aussage der Tagung in Darmstadt. Schlechte Messkonzepte können die ohnehin nicht besonders großen Margen bei der Abgabe von Strom an Mieter auffressen. Man müsse auch bedenken, welche Konsequenzen es für das einmal etablierte Messkonzept habe, wenn ein Mieter zu einem anderen Versorger wechseln wolle, so Behr.
Messkonzepte für Strom-Selbstversorger sind Mangelware
Der GdW stellt seinen Mitgliedern eine Broschüre zum Mieterstrom zur Verfügung. Der Verband der Bayerischen Energie-und Wasserwirtschaft hat aber mittlerweile Messkonzepte für Selbstversorger entwickelt und veröffentlicht, die man als Standard verwenden könne, so Behr weiter.
Notwendig seien Summenzählermodelle, so Horst Meixner von Hessenenergie, "das ist das einzige Modell, das in der Abrechnung funktioniert." Andere Zählerkonzepte führten zu empfindlichen Netznutzungsentgelten. So fordern manche Versorger eine teure registrierende Lastgangmessung an allen Zählpunkten, wenn dies an der Übergabestelle zwischen Kundenanlage und öffentlichem Netz gefordert ist. Das ist bei hohem Strombezug von über 100 MWh pro Jahr der Fall. Das sei aber nicht zulässig, betonte Heinz Ullrich Brosziewski von der Beta GmbH, die Betriebskonzepte für Blockheizkraftwerke für Wohnungsunternehmen erstellt. Die seien nur am Übergang notwendig, für die Abrechnung im Haus reichten geeichte Zähler.
Ein weiterer Knackpunkt ist die Abrechnung. Wohnungswirtschaftliche Standardsoftware könne die saubere Abrechnung von Mieterstrom noch nicht gewährleisten, so Brosziewski, da sei Handarbeit gefragt. Schlechte Botschaft für die Wohnungswirtschaft: Das wird wohl auch so bleiben, da die Gesetzeslage sich sehr schnell ändert. Entsprechende Standardmodule zu pflegen wäre sehr zeitaufwändig. von Pia Grund-Ludwig