Newsletteranmeldung:

Solarthermie und Photovoltaik müssen flexibel einzusetzen sein

Fassaden dienen als Kraftwerke für Gebäude

Die Fassade der Waldbachschule in Offenburg erzeugt solare Wärme. © Enersearch

Das fünf- bis achtfache der verbauten Solarthermie-Leistung von 2019 wird Deutschland benötigen, um die EU-Ziele der Klimaneutralität 2050 zu erreichen. Das haben Forscher am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) ausgerechnet. Weil die dafür nötigen Anlagen große Flächen in Anspruch nehmen, rücken die Fassaden von Gebäuden in den Blickpunkt der Energieerzeugung. Doch an sie werden hohe Ansprüche gestellt.

Weniger die Leistung oder die Kosten haben in der Vergangenheit verhindert, dass bauwerk-integrierte Photovoltaik (BIPV) und Solarthermie (BIST) an den Außenwänden von Gebäuden durchsetzen, als deren Optik: „Die Fassade ist das Angesicht eines Gebäudes, daran stellt man einen hohen architektonischen Anspruch“, sagt Michael Hermann, Koordinator Innovationsprozesse Wärme- und Kältetechnik am Fraunhofer ISE in Freiburg

Deshalb würden für Fassaden andere Auswahlkriterien gelten als für Dächer: „Hier müssen sich Sonnenenergie-Komponenten mit Putz, Holz und Stein als Oberfläche bezüglich ihrer gestalterischen Möglichkeiten messen und mit diesen auf ansprechende Weise kombinieren lassen.“ BIPV und BIST müssen deswegen aus Sicht des Forschers zu gestaltbaren Materialien werden, die Architekten schon sehr früh im Planungsprozess einbeziehen können. Er ist davon überzeugt, dass Solarthermie dabei in Zukunft eine zunehmende Rolle spielen wird, da die Gesetzgebung und Marktanreizprogramme diese durchaus begünstigen.

Laut der Studie „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem“ des Fraunhofer ISE werden sich zukünftig Wärmenetze etablieren. In die könnte man dann gewinnbringend einspeisen wie über das EEG bereits Solarstrom. Für die Photovoltaik an Fassaden gibt es nach Angaben des Instituts noch ein technisches Potenzial von mindestens 1,4 Terrawatt-Peak in Deutschland, bei einer Jahresstromerzeugung von 513 Terrawatt-Stunden im Jahr 2019.

Bei Energieerzeugung über die Fassade ist die Optik wichtig

Auf einen weiteren Hemmschuh bei der massenhaften Installation von BIST und BIPV weist Jochen Klingler hin, Geschäftsführer der Enersearch Solar GmbH: Private Bauträger und Investoren würden ihre Objekte nach Fertigstellung verkaufen. „Dabei spielen zukunftsweisende Energiesysteme oft eine untergeordnete Rolle. „Die Kommunen haben ihre Gebäude 50 Jahre lang in der eigenen Verwaltung.“ Daher spürten öffentliche Träger einen größeren Druck, nach Passivstandards zu bauen und erneuerbare Energien einzusetzen. Sie sparen damit über kurz oder lang bares Geld. Zudem erfülle der öffentliche Sektor eine Vorbildfunktion und müsse Klimavorgaben der EU einhalten

Enersearch hat nach eigenen Angaben eine der günstigsten und unkompliziertesten Lösungen für erneuerbare Energien an der Fassade im Programm: In Ergänzung zu seinem Lüftungssystem mit Wärmetauscher bietet das Unternehmen einen solaren Luftkollektor mit einer energetischen Leistung von bis zu 450 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter (je nach Ausrichtung) für knapp 1300 Euro an. Der Solarkollektor kann neben Fensterelemente gesetzt werden und fällt damit an der Fassade nicht mehr auf. An der 2016 zum Passivhaus-Standard sanierten Waldbachschule in Offenburg erbringen die zusätzlich zur Lüftung verbauten Kollektoren beispielsweise rechnerisch ein Viertel der Heizlast. Klingler sieht sein System vor allem dann als geeignet an, wenn man eine Gebäudelüftung um Erneuerbare Energien aufwerten wolle, um etwa einen höheren Hausstandard zu erreichen.

PV und Solarthermie müssen Teil der Baukultur werden

Zwar sind klassische Solarthermie- und Photovoltaikanlagen sowie kombinierte Lösungen aus beidem auch an Fassaden teils seit den 90er-Jahren im Einsatz. Doch aufgrund der Optik ließen sich Modullösungen oder Röhrenkollektoren vielfach nur auf Dächern und an Industriegebäuden realisieren. „Damit es in der Bevölkerung akzeptiert ist, müssen wir es schaffen, diese Flächen aktiv so in die Gebäude zu integrieren, dass sie Teil der Baukultur werden“, sagt ISE-Forscher Hermann.

Dazu entwickeln Unternehmen und Forschungsinstitute eine Vielzahl von möglichen Lösungen. Eine Variante sind dabei auch Dünnschicht-Module an vorgehängten hinterlüfteten Fassadensystemen, wobei die Module zum Beispiel durch eine ganze Palette von Farbvarianten gestaltbar werden. Ein solches System bietet die Sto SE in Kooperation mit der Nice Solar Energy GmbH an. Die „Sto Ventec Artline“ kann unsichtbar befestigt werden und ergibt dann eine einheitliche Oberfläche. Oder sie wird mit Rahmen in einem horizontalen Schienensystem angebracht. Beide lassen sich mit Fassaden-Oberflächen wie Naturstein, Keramik oder Putz kombinieren. Die CIGS-Dünnschicht-Module erreichen einen Wirkungsgrad von 17 Prozent, der allerdings neben Einstrahlwinkel und anderen Faktoren auch stark von der Farbgebung abhängt. Wer höchste Energieausbeute will, muss nach wie vor eine schwarze Fassade in Kauf nehmen.

Noch flexibler gestalten lassen sich organische Solarelemente. Derartige Solarelemente für architektonische Leuchtturmprojekte liefert etwa die Opvius GmbH aus Kitzingen. Die Heliatek GmbH in Dresden hat vor einem Jahr ihre Solarfolie Heliasol in einem Pilotprojekt auf einer Fläche von 230 Quadratmetern an seinem Silo der Schneller Mühle in Donauwörth angebracht. Zwar mache man aufgrund des Forschungsstandes aktuell keine Angaben zur Leistung einzelner Pilotanlagen, so Stephan Kube, Marketingchef bei Heliatek. Zumindest die Art der Anbringung habe sich aber bewährt. Die Folie wird ähnlich wie beim Tapezieren direkt auf den blanken Beton geklebt. Ende des Jahres soll sie in Serienproduktion gehen.

Zu Kosten und Leistungsdaten will Kube noch keine Angaben machen, aber so viel: „Wir planen für das Startprodukt Heliasol um die acht Prozent Wirkungsgrad.“ Klar sei außerdem, dass das Produkt zum Marktstart noch teurer sein werde, als konventionelle PV. Man sehe sich jedoch nicht im direkten Vergleich mit normalen Modulherstellern, meint auch er: Durch ihre Eigenschaften erschließe die Folie neue Anwendungen. Weil sie dünn, flexibel und aufklebbar ist, lässt sie sich anders als kristalline Module auch auf gekrümmten Flächen verbauen.

Forscher tüfteln an praxistauglichen Lösungen

Die Forscherinnen und Forscher am ISE tüfteln ebenfalls an fassadentauglichen Lösungen, unter anderem Photovoltaik-Schindeln. Im Projekt „ArKol –  Entwicklung von architektonisch hoch integrierten Fassadenkollektoren mit Heat-Pipes“ entstanden zum einen solarthermische Streifenkollektoren, die sich vertikal und horizontal variabel an der Hausfassade anordnen lassen. Zum anderen konstruierte das Team eine solarthermische Lamellenjalousie. Die lässt sich beliebig raffen und verstellen wie eine herkömmliche Verschattung, aber in jeder einzelnen Lamelle ist eine Heat-Pipe verbaut. Bis zur Marktreife werde es aber noch eine Weile dauern, so Hermann.

Das gilt auch für ein weiteres Forschungsprojekt „Tabsolar“. Darin entwickelten die Forscher eine Methode, dünne Kanäle bereits beim Aushärten in einen Ultrahochleistungsbeton einzubringen. Die so hergestellten Elemente sind bis zu zwölf Millimeter dünn. Sie könnten nicht nur als solarthermische Fassaden-Elemente eingesetzt werden, etwa um Trinkwasser zu erwärmen. In Kombination mit einer spektralselektiven Beschichtung und Antireflexverglasung soll Tabsolar ähnliche Erträge wie gängige Solarkollektoren bieten, dabei aber mehr Freiheit zu gestalten. Als Designvariante bleiben die Kollektoren unverglast und könnten mit verschiedensten Strukturen und Farben versehen werden. Das verringert zwar Ertrag und Temperaturniveau, für eine Niedertemperatur-Wärmequelle für Wärmepumpen wäre es laut Hermann aber allemal ausreichend.

Kontakt zu Architekten ist wichtig

„Für uns wäre es wichtig, von Architekten und der Bauwirtschaft zu erfahren: Wie müsste ein System aussehen, damit es ankommt? Nur dann können unsere Ideen am Markt erfolgreich sein“, sagt der Forscher. Er geht aber ohnehin davon aus, dass sich eine große Bandbreite an Elementen am Markt etablieren wird: Das China-Standard-PV-Modul für diejenigen, die mit geringem Investment Strom erzeugen wollen. Und architektonisch anspruchsvolle Lösungen, die Teil der Baukultur werden. Letztere böten aus Hermanns Sicht eine Chance für europäische Hersteller, die auf dem Weltmarkt mit Standard-Modulen ohnehin nicht mehr mithalten können. Daniel Völpel

Eine Verwendung dieses Textes ist kostenpflichtig. Eine Lizenzierung ist möglich.
Bitte nehmen Sie bei Fragen Kontakt auf.