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Strom aus der Wüste soll bis 2020 auch hier im Netz sein

Experten uneins über sinnvolle solare Energiekonzepte

Solarkraftwerk in Südspanien. Bild: Solar Millenium

Solare Energie lässt sich aber nicht nur auf Hausdächern, sondern auch in großen Kraftwerken erzeugen.

Der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien und die Reduzierung des CO2-Ausstoßes ist ein Motiv für viele Menschen, sich mit Fragen des energieeffizienten Bauens und Sanierens zu beschäftigen. Solare Energie lässt sich aber nicht nur auf Hausdächern, sondern auch in großen Kraftwerken erzeugen.

Die Frage, ob das der richtige Weg zur Energiewende ist, hat durch die Debatte um die Desertec-Solarkraftwerke im Sonnengürtel Afrikas neue Nahrung erhalten. Ob sich ein solcher Ansatz durchsetzt, könnte auch Auswirkungen auf die Frage haben, ob der Strom künftig von hiesigen Dachflächen oder aus der Wüste kommt.

In Schwung gekommen ist die Diskussion durch die Ankündigung einer Gruppe von zwanzig großen Konzernen, deutsche Haushalte mittelfristig mit Solarstrom aus Afrika zu versorgen. Mitte Juli 2009 wollen sich die Firmen, darunter die Münchener Rück, Siemens, die Deutsche Bank und RWE, zu einem Konsortium zusammenschließen. Der Bau riesiger Solarkraftwerke soll 400 Milliarden Euro kosten und ab 2020 Strom liefern.

Eingesetzt wird dabei keine Fotovoltaik, die direkt aus Sonnenenergie Strom erzeugt, sondern Spiegelrinnen, die die Sonnenstrahlen bündeln. Sie leiten sie um auf ein Rohr, indem Öl zirkuliert, das sich aufheizt. Damit wird Wasser zum Sieden gebracht, das dann eine ganz normale Turbine antreibt. Wer meint, dass die Akteure, die für ein Umdenken in Energiefragen stehen, bei der Nutzung der Sonnenenergie an einem Strang ziehen, der täuscht sich.

Streit ist entbrannt an der Frage, ob eine zentrale Energieerzeugung, wie das Desertec-Projekt sie vorsieht, aus energiepolitischer Sicht Sinn macht. Widerspruch kommt in dieser Frage ausgerechnet von Solarpionier Hermann Scheer. Er kritisiert die beim bisherigen Ansatz vorgesehene zentrale Energieerzeugung. Übersehen werde, dass mit einer Dezentralisierung der Stromerzeugung regionale Wertschöpfung stattfinde anstatt diese nur in der Hand weniger Stromkonzerne zu konzentrieren, die ihr Anbietermonopol erhalten wollen, argumentiert er.

Unterstützt wird Scheer in seiner Kritik von Udo Möhrstedt, Chef der IBC Solar. Seine Argumente sind aber interessengebunden: Sein Unternehmen erzeugt Fotovoltaik-Module, und die finden sich eher auf deutschen Dächern als in der Wüste. Auch Möhrstedt spricht sich gegen die Zentralisierung aus, verweist aber auch auf die Frage der politischen Stabilität in den Ländern, in denen dann die Energie erzeugt wird.

Aus Möhrstedts Sicht sind die politischen Signale richtiger, die die Bundesregierung bislang gesetzt hat. So hat sie mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes am 1. Januar 2009 einen neuen Selbstverbrauchertarif für Solarstromanlagen bis 30 Kilowatt Leistung eingeführt. Scheer und Möhrstedt warnen weiterhin davor, dass die bei Desertec eingesetzte Technologie nicht ausgereift sei.

Zu einem anderen Ergebnis kommt aber eine Greenpeace-Studie. Die erforderlichen Kraftwerke, Speicherkapazitäten und die Übertragungsnetze seien technisch ausgereift und erprobt. Für die umfassende Nutzung von Wüstenstrom fehle jedoch ein deutliches politisches Signal. Greenpeace fordert die Bundesregierung auf, den Stromimport aus den Wüsten zu fördern und das Thema auf die internationale politische Agenda zu setzen.

Solarstrom sei nur für die Länder in Nordafrika selbst eine sinnvolle Alternative, aber auch dort sei dezentrale Erzeugung sinnvoller als große Sonnenkraftwerke, kontert Scheer. Darin stimmt ihm Martin Pehnt, Fachbereichsleiter Energie am Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (IFEU) zu: "Es kommt darauf an, den Nutzen der Solarkraftwerke zum Teil vor Ort zu belassen, damit die Länder des Südens an der Wertschöpfung beteiligt werden und auch den eigenen Strombedarf damit decken können."

Bei der Frage, ob es sinnvoll sei, Solarstrom in großen Kraftwerken im Süden zu erzeugen und nach Deutschland zu importieren oder ihn hierzulande vor Ort zu produzieren, ist Pehnt aber völlig anderer Meinung als Scheer: "Ich glaube, dass wir es uns nicht leisten können, das eine gegen das andere auszuspielen", argumentiert er im Gespräch mit EnBauSa. "Ich habe nichts gegen Fotovoltaik und dezentrale erneuerbare  Energieversorgung, aber ich glaube trotzdem, dass wir bei einer vollständigen Umstellung auf erneuerbare Energie auch den Stromimport benötigen. Da bietet sich die Solarenergie im Sonnengürtel an."

Scheer habe in seiner Argumentation einen stark von Energieautonomie geprägten Zugang. "Den Gedanken von Energieautonomie mit Solarstromerzeugung auf dem Dach und Speichern, damit man auch in der Nacht den eigenen Solarstrom nutzen kann, halte ich nur ein Einzelfällen für sinnvoll. Ich setze eher auf eine systemweite Vernetzung," argumentiert der Heidelberger Fachmann. pgl

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