Die Untersuchung beschreibt anhand von sechs typischen Anwendungsfällen, wie sich Flexibilitäten auf die Kosten auswirken. Folgende Anwender haben die Autoren der Netzflexstudie untersucht:
- Den Besitzer eines Elektrofahrzeugs im Niederspannungsnetz
- Eine Nachbarschaft im Niederspannungsnetz mit Quartiersspeicher
- Eine Photovoltaikanlage im Niederspannungsnetz mit Wärmepumpe und Hausspeicher
- Einen Windparkbetreiber im Hochspannungsnetz mit einer Power-to-Heat-Anlage
- Einen Verteilnetzbetreiber im Mittelspannungsnetz mit Batteriespeicher
- Eine Photovoltaik-Freiflächenanlage im Mittelspannungsnetz mit Batteriespeicher.
Untersucht wurde also die drei Ebenen Nieder-, Mittel- und Hochspannung im Verteilnetz, nicht die Höchstspannungsleitungen des Übertragungsnetzes. Für jeden der sechs Fälle suchten sich die Autoren ein reales Netz, um den Einsatz von Speichern und anderen Flexibilitätsoptionen an seinem Beispiel durchzurechnen. Dabei stellte sich heraus: Nur selten kommt es heute und in Zukunft zu kritischen Netzsituationen, in denen Flexibilitäten überhaupt gebraucht werden.
Kritische Netzsituationen sind selten
Das bedeutet Zweierlei: Das Netz für diese wenigen Spitzenbelastungen auszubauen, wäre volkswirtschaftlich unsinnig. Andererseits wären Speicher, die nur in kritischen Netzsituationen eingesetzt würden, nicht wirtschaftlich. Es muss also mehrere Einsatzmöglichkeiten für sie geben. Multi-use nennt das die Dena.
Solche Mehrfachnutzungen wären, dass die Speicher dann laden, wenn Strom billig ist oder dass sie Strom verkaufen, wenn er teuer ist. Sie könnten als Stromsenke dienen, wenn das Netz überlastet ist oder sie könnten Regelenergie zur Verfügung stellen, wenn Netzschwankungen ausgeglichen werden müssen. In fünf der sechs Fälle waren diese Flexibilitätsoptionen günstiger als der Netzausbau mit neuen Leitungen und intelligenter Regeltechnik, hat die Studie ergeben.
Manche dieser Optionen werden heute schon genutzt, etwa der Einsatz von Batterien aus Heimanlagen mit Photovoltaik. Eigentlich werden die Batterien zur Optimierung des Eigenverbrauchs angeschafft. Werden sie aber mit anderen Anlagen gepoolt, wie in einem Projekt von Sonnen, können sie auch Regelenergie bereitstellen. Allein für das Vorhalten der entsprechenden Kapazitäten werden gute Erlöse erzielt.
Viele Anwendungen, die in der Studie durchgerechnet wurden, sind heute aber noch nicht möglich. So gibt es noch keine flexiblen Stromtarife, die das Laden zu Zeiten anreizen, wo Strom im Überfluss vorhanden ist. Auch die direkte Teilnahme von Speichern am Strommarkt ist bisher nicht möglich. Damit kleine Erzeuger am Strommarkt handeln können, sind sie auf Mittelsmänner angewiesen. Überhaupt sind die Voraussetzungen für die Vermarktung von Flexibilitäten stark reguliert: Auf mehreren Seiten listet die Netzflexstudie die betreffenden Gesetze von der Anreizregulierungsverordnung bis zur der Stromnetzzugangsverordnung aus und erwirbt sich einen Verdienst, den Dschungel überschaubar zu machen. Trotzdem: "Der Ordnungsrahmen ist kaum zu durchblicken und setzt widersprüchliche Anreize", sagte Wolfgang Zander vom Beratungsunternehmen BET und einer der Autoren der Studie bei ihrer Vorstellung.
Flexibilität sollte angereizt werden
BET und die anderen beiden beteiligten Verfasser, die Bergische Universität Wuppertal sowie die Energierechtskanzlei Boos Hummel und Wegerich, machen Vorschläge, wie Flexibilitäten angereizt werden könnten. Auf der Nachfrageseite könnte jemand, der bereit ist, seinen Strom außerhalb der Spitzenzeiten zu beziehen, einen Nachlass auf die Netzentgelte bekommen. Sie machen immerhin 20 Prozent des Strompreises aus. So könnte der Besitzer des Elektroautos in Fall 1 sein Fahrzeug später und damit billiger laden. Schließlich kommt auf die städtischen Netz der Zukunft eine große Nachfrage zu, wenn abends alle ihr Elektroauto laden wollen.
Auf der Angebotsseite könnten die Netzbetreiber Geld für die Unterhaltung von intelligenten Ortsnetzstationen bekommen, nicht nur wie heute für den Ausbau des Netzes. Drittens müssten die komplexen Regelwerke vereinfacht werden.
Mit solchen Aussagen macht die Dena natürlich auch Politik. Dena-Chef Andreas Kuhlmann sagte, die Studie habe "sehr gute Argumente gesammelt", schon heute zu schauen, was an Flexibilitäten nutzbar gemacht werden könnte. Agora Energiewende argumentiert, dass Speicher erst ab einem Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 60 Prozent gebraucht werden. Bei der Diskussion der Studie bekräftigte Gerlind Hofmann, Unterabteilungsleiterin Netze im Bundeswirtschaftsministerium: "Wir wollen uns Innovationen nicht verschließen. Aber zunächst müssen wir das Netz noch ein bisschen aufbauen." Susanne Ehlerding