Wohnungslüftungsanlagen, die seit mehr als 25 Jahren in Betrieb sind, haben Seltenheitswert. Die Technologie ist relativ neu und setzt sich im Wohnungsbereich nur langsam durch. Ein Grund dafür sind Zweifel an der Hygiene solcher Anlagen. Doch die sind unbegründet, zeigt eine aktuelle Untersuchung in Dortmund. Die Fachhochschule Dortmund hat gemeinsam mit dem Europäischen Testzentrum für Wohnunglüftungsgeräte und der Gesellschaft für Umwelt- und Innenraumanalytik Mönchengladbach mehrere 25 Jahre alte Lüftungsanlagen im Hinblick auf die Hygiene der luftführenden Bauteile durchgeführt. Ergebnis: Trotz der langen Betriebszeit befinden sich die Lüftungskanäle in einem guten Zustand. "Nahezu ideal", so die Experten in ihrem Untersuchungsbericht.
Die untersuchten Lüftungsanlagen wurden im Zeitraum von 1980 bis 1985 im Rahmen einer Gebäudesanierung eingebaut. Seither wurden lediglich einmal im Jahr die Filter gewechselt, die Luftkanäle aus verzinkten Wickelfalzrohren wurden nicht gereinigt. In Anbetracht dieser Umstände und der Tatsache, dass die Anlagen mit Grobstaubfiltern der Filterklasse G4 arbeiten, ist das Ergebnis erstaunlich. Heutzutage kommen in der Regel deutlich bessere Filter zum Einsatz. Lediglich das Rohrsegment von der Außenluftansaugung bis hin zum Lüftungsgerät war stark verunreinigt.
Trotz der insgesamt guten Ergebnisse hielten die Anlagen jedoch dem von der VDI-Norm 6022 geforderten Anspruch an die Hygiene nicht stand. "Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich eine beliebige Vergleichsfläche in den Wohnungen bereits nach kurzer Zeit in einem Zustand befinden würde, der nach 6022 ebenfalls Maßnahmen notwendig macht", so die Dortmunder Forscher. Nach den Anforderungen der VDI-Richtlinie seien Reinigungsmaßnahmen jetzt notwendig.
Moderne Anlagen sind nicht nur mit besseren Filtern ausgestattet, auch das Material von Luftkanälen sowie Ab- und Zuluftventilen wurde weiterentwickelt. Dennoch sollten auch sie regelmäßig gereinigt werden. Wer eine ältere Anlage betreibt und sich über den Zustand der Lüftungskanäle Gewißheit verschaffen will, kann beim TZWL eine Untersuchung beauftragen. Eine einfache visuelle Kontrolle eines Kanals ohne mikrobielle Untersuchung kostet netto 370 Euro, kann allerdings nur einen ersten Anhaltspunkt geben. Die umfassende Untersuchung des Gesamtsystems ist entsprechend teurer.
Während Lüftungsanlagen in Passivhäusern und KfW-40-Häusern aufgrund ihrer luftdichten Bauweise ein Muss sind, wird in Niedrigenergiehäusern und in sanierten Altbauten häufig darauf verzichtet. Zwar fordert die Energieeinsparverordnung 2009 generell, dass ein nutzerunabhängiger Mindestluftwechsel sichergestellt werden muss – vor allem aus hygienischen Gründen. Doch wie dieses Ziel erreicht wird, wird nicht genauer beschrieben. "Hier setzt die DIN 1946-6 an, deren aktuelle Fassung im Mai 2009 veröffentlicht worden ist", berichtet Raimund Käser, Geschäftsführer des Bundesverbandes für Wohnungslüftung (BFW). Sie schaffe Regeln für die Belüftung von Wohngebäuden und lege Grenzwerte sowie Berechnungsmethoden für den notwendigen Luftaustausch fest.
Die DIN 1846-6 verlangt die Erstellung eines Lüftungskonzeptes neben Neubauten auch für Renovierungen, wenn dabei im Ein- und Mehrfamilienhaus mehr als ein Drittel der vorhandenen Fenster ausgetauscht beziehungsweise im Einfamilienhaus mehr als ein Drittel der vorhandenen Dachfläche neu abgedichtet werden. "Ventilatorgestützte Anlagen sind aber nach wie vor nicht verpflichtend", räumt Käser mit einem weit verbreiteten Mißverständnis auf. "Der nötige Luftwechsel kann auch durch Außenwandluftdurchlässe oder andere lüftungstechnische Maßnahmen sichergestellt werden. Außerdem kann das Lüftungskonzept die aktive Fensterlüftung einbeziehen."
Erstellen kann so ein Lüftungskonzept laut DIN jeder Fachmann, der in der Planung, der Ausführung oder der Instandhaltung von lüftungstechnischen Maßnahmen oder in der Planung und Modernisierung von Gebäuden tätig ist. Soweit die Theorie. In der Praxis jedoch ist es nicht ganz so einfach, versierte Planer zu finden. "Die Planung und Einstellung einer Lüftungsanlage ist nicht ganz einfach. Benötigt wird eine vernünftige Auslegungsplanung und gemäß dieser muss dann dafür gesorgt werden, dass jeder Raum mit der entsprechenden Luftmenge versorgt wird", so Käser. Viele Fachbetriebe im Bereich Sanitär-Heizung-Klima verfügten hier nicht über das nötige Knowhow und lehnen entsprechende Anfragen ab.
"Tatsächlich gibt es bislang nur wenige SHK-Fachbetriebe, die sich explizit mit dem Thema Wohnungslüftung beschäftigen", bestätigt Mathias Wagnitz, Referent für Energie- und Wärmetechnik im Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Der Grund dafür sei einfach: Bisher waren die verkauften Stückzahlen bei kleineren Lüftungsanlagen für den Wohnungsbereich zu gering. "Mit der neuen Lüftungsnorm nimmt der Bedarf an Lüftungsanlagen, im Bestand vor allem an reinen Abluftanlagen zu und damit auch die Anzahl von SHK-Betrieben, die über entsprechendes Knowhow verfügen", ist sich Wagnitz sicher. Die schnelle Entwicklung des Bedarfes habe zwangsweise zu Engpässen bei der Schulung geführt. "Im Verlauf der nächsten zwei Jahre dürfte sich die Situation jedoch deutlich entspannen", so der Fachmann vom ZVSHK. Dann dürfte es einiges leichter sein als heute, einen Fachbetrieb zu finden.
Wer heute einen Lüftungsfachmann sucht kann sich an die Hersteller wenden und erhält dort Empfehlungen, rät VFW-Mann Käser. Dafür muss man jedoch bereits wissen, welcher Anlagentyp es denn überhaupt sein soll. Bleibt der Gang zum Fachplaner oder Architekten. Doch auch hier empfiehlt es sich, kritisch nachzufragen, ob bereits Lüftungskonzepte erstellt und Lüftungsanlagen realisiert worden sind. 117sth