Proprietäre Systeme haben im Markt keine Chance

Smart Home: Plattformen machen Solisten platt

Auch Digitalstrom öffnet sich für andere Übertragungstechnologien und bietet entsprechende Gateways an. © Digitalstrom

Der Markt der Hausautomation ist gekennzeichnet von einer zunehmenden Kompatibilität der Systeme. Immer mehr Smart-Home-Hersteller öffnen sich für Produkte anderer Anbieter.

 

Noch vor wenigen Jahren lag die Zahl der Smart-Home-Systeme relativ nah bei der der Anbieter. Zwar gab es herstellerübergreifende Standards wie KNX (leitungsgebunden), Zigbee oder EnOcean (Funk). Doch viele Hersteller kochten ihr eigenes Süppchen, schotteten ihr System ab und hofften darauf, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Selbst innerhalb eines Unternehmens kamen und kommen verschiedene Standards zum Einsatz. Zum Beispiel bei Bosch, wo die Home Connect App für Haushaltsgeräte erst allmählich mit dem Bosch Smart-Home-System zusammengeführt wird.

Doch der Markt hat sich grundlegend gewandelt, Plattformen sind nun angesagt. (Fast) Alle wollen mit allen kompatibel sein. Jüngstes Beispiel ist der Fall der Systemanbieter eQ-3 und innogy. Anfang Januar 2019 verkündeten sie eine "nahtlose Zusammenarbeit der Funksysteme" innogy Smart Home und Homeatic IP nach mehr als neun Jahren Kooperation. Was beide Seiten verschweigen: eQ-3 hat schon vor Jahren das innogy-System - das damals noch RWE Smarthome hieß - entworfen, dabei aber peinlich darauf geachtet, dass trotz aller Ähnlichkeit keine Kompatibilität entsteht. Das gleiche gilt auch für Qivicon, Basis des Magenta Smart-Home-Systems der Telekom. Auf diesen Sachverhalt macht der Digital- und Plattformexperte Stefan Fritz auf seiner Website aufmerksam.

Kompatibilität ist Voraussetzung für mehr Nutzerakzeptanz

Dass Systeme kompatibel sein müssen, um am Markt eine Chance zu haben und um das Thema Smart Home einem breiteren Verbraucherkreis schmackhaft zu machen, diese Erkenntnis hat sich bei den meisten Playern inzwischen durchgesetzt. Und auch die Politik hat Handlungsbedarf erkannt. So wurde 2017 mit Unterstützung durch das Bundeswirtschaftsministerium die Initiative "Smart Living" ins Leben gerufen, die unter anderem Anstöße für interoperable Systeme geben soll.

"Wichtig ist, dass sich die Anbieter nicht im Wettbewerb abschotten, sondern dass sie versuchen, vorwettbewerblich gemeinsam intelligente Lösungen zu erarbeiten", sagte Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und Leiterin des Strategiekreises der Wirtschaftsinitiative Smart Living, Mitte Januar auf einem Symposium. Esser plädierte für die verstärkte Einbindung von Start-ups in die Entwicklungsarbeit und regte einen Sprachassistenten an, "der europäische Dialekte besser erkennen kann als Siri und Alexa".

Offene Plattformen wachsen schnell

Einmal für andere Hersteller geöffnet, wachsen Smart-Home-Plattformen rasch. So lassen sich etwa in Qivicon von Telekom neben eigenen Magenta-Smart-Home-Produkten inzwischen auch Haushaltsgeräte von Bosch und Siemens einbinden. Ebenso Rauchmelder von Nest, Rollladenantriebe von Schellenberg und die Produkte weiterer Hersteller.

Auch Somfy, eigentlich Hersteller von Antriebs- und Steuerungstechnik für Rolladen, Tore und Sonnenschutzsysteme, hat seine Politik geändert und setzt nun auf die "So Open mit Somfy"-Strategie. Zunächst öffneten die Rottenburger ihr System Tahoma für die Sprachsteuerung mit Amazon Alexa und dann mit Apple Home Kit. Mittlerweile lassen sich nach Angaben von Somfy bis zu 200 Produkte von rund 20 Herstellern mit der Tahoma-Steuerzentrale verknüpfen. Doch das Unternehmen hat schon die nächsten Schritte eingeleitet. So macht Somfy sein System jetzt auch interessierten Entwicklern über Programmierschnittstellen zugänglich. Und zusammen mit Anbietern wie Google und Samsung entwickelt Somfy übergreifende Smart-Home-Lösungen, die auf den Funkstandards Zigbee und Thread basieren.

Plattformen sind nicht an gleiche Übertragungsmedien gebunden. Ein gutes Beispiel hierfür ist das System von Digitalstrom, das Daten und Informationen über die Stromleitung überträgt. Über Gateways, die im Schaltschrank verbaut werden, lässt sich das Powerline-System mit KNX-Komponenten oder mit Funkanwendungen auf Zigbee- oder Enocean-Standard verknüpfen.

Auch wenn sich Smart-Home-Plattformen nach und nach erweitern, gibt es weiterhin Hersteller, die den Anspruch haben, Komplettanbieter zu sein. So hat der österreichische Hersteller Loxone sämtliche Komponenten für die Bereiche Energie, Sicherheit und Komfort im Programm. Selbst das Home Entertainment kann über einen eigenen Musikserver ins Smart-Home-System integriert werden. Gleichzeitig ermöglicht Loxone aber auch das Andocken von Komponenten anderer Hersteller und Standards in das System, zum Beispiel auf KNX- oder Enocean-Basis.

Roma setzt auf Smart Home System von Somfy

Einen anderen Ansatz verfolgt die Firma Roma, Hersteller von Rollläden, Jaousien und Screens. Statt das Rad neu zu erfinden, kooperiert das Unternehmen mit Systemhersteller Somfy. Dessen Basissystem Somfy Connexoon vertreibt der Rollladenspezialist unter dem Namen Roma Connexoon. Wer bereits ein anderes Smart-Home-System besitzt oder installieren möchte, kann Roma-Produkte über entsprechende Hard- oder Softwareschnittstellen trotzdem einbinden. Unterstützt werden KNX, Loxone, Elero, Digitalstrom und Somfy Tahoma.

Neben allen Plattformen gibt es auch weiterhin proprietäre Systeme wie zum Beispiel LCN von Issendorff oder den Home Pilot von Rademacher. Inwieweit sich diese Strategie wird halten können, scheint jedoch fraglich. Denn der neueste Trend im Smart-Home-Markt geht bereits über den Plattformgedanken hinaus. Unternehmen wie i-Haus oder Conrad Connect haben sich darauf spezialisiert, mit Hilfe von Meta-Apps verschiedene Systeme und Plattformen zusammenzuführen. von Joachim Hoffmann

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