„Ein Lüftungskonzept muss mehr enthalten als bloß eine Berechnung“

Neue Lüftungsnorm hat strengere Eingangsparameter

Uwe Brüne: Berechnung alleine reicht für Lüftungskonzept nicht.

Durch die Ende 2019 in Kraft getretene neue Lüftungsnorm wird häufiger eine lüftungstechnische Maßnahme notwendig. Uwe Brüne vom Europäischen Testzentrum für Wohnungslüftungsgeräte beleuchtet die neue Norm sowie aktuelle Techniktrends bei der Lüftung. Außerdem erklärt er, worauf Energieberaterinnen und Energieberater bei der Erstellung von Lüftungskonzepten achten müssen.

Ist in der Praxis, insbesondere bei Energieberatern, angekommen was sich hinter einem Lüftungskonzept verbirgt?

Hinter einem Lüftungskonzept verbirgt sich die Berechnung, ob ein Gebäude eine zusätzliche lüftungstechnische Maßnahme benötigt. Wenn das der Fall ist, dann wird im Lüftungskonzept außerdem festgelegt, wie gelüftet werden, also welche Lüftungsart eingebaut werden soll. Damit wäre das Lüftungskonzept eigentlich fertig. Viele verstehen darunter aber auch noch die genaue Ausführungsplanung. Wichtig ist: Die Berechnung, ob eine lüftungstechnische Maßnahme notwendig ist, allein, reicht nicht aus.

Begegnet es Ihnen in der Praxis häufig, dass ein Lüftungskonzept nur diese Berechnung enthält?

Durchaus. Wir werden immer mal wieder gefragt, warum es so viel Geld kostet, wenn wir ein Lüftungskonzept erstellen. Einige bieten das für 60 Euro an. Das halte ich für zu gering, denn ein professionelles Lüftungskonzept erfordert einigen Aufwand. Für 60 Euro erhalten Sie sicherlich kein professionelles Konzept. Wenn wir die Bedarfsanalyse mit dem Ergebnis abschließen, dass keine lüftungstechnische Maßnahme nötig ist, dann wird es natürlich auch bei uns günstiger. Aber in der Regel ist eine lüftungstechnische Maßnahme nötig oder vom Kunden gewünscht.

Wie wirkt sich die neue Lüftungsnorm aus?

In der neuen Norm ist der Eingangsparameter etwas strenger, das heißt es wird häufiger eine lüftungstechnische Maßnahme gefordert. Sowohl bei der alten als auch bei der neuen Norm besteht das Problem allerdings darin, dass für die Berechnung des Lüftungskonzept die Dichtheitswerte der Norm zugrunde gelegt werden. Das mache ich persönlich nicht mehr. Es ist beispielsweise bei freier Lüftung ein n50-Wert von 1,5 1/h (Luftwechselrate) bei 50 Pa in einer Stunde gefordert. Das ist nicht mehr sehr praxisrelevant. Wir haben bei Dichtheitsprüfungen schon bei Gebäuden aus den 60er-Jahren, in denen die Fenster erneuert wurden, einen Wert von 0,5 1/h gemessen. Wenn man von diesem Wert ausgeht, dann muss eigentlich immer eine lüftungstechnische Maßnahme durchgeführt werden. Setzen Sie dagegen den Normwert von 1,5 1/h an, dann ist das häufig nicht nötig. Das war übrigens auch ein Kritikpunkt an der neuen Norm. Schließlich sollen die Gebäude ja immer dichter werden und das bedeutet, dass Luft hineingebracht werden muss.

Welche Trends sehen Sie in der Lüftungstechnik?

Es gibt mehrere Trends. Der erste geht dahin, dass im Geschosswohnungsbau lüftungstechnische Maßnahmen obligatorisch werden. Oft sind das freie Lüftungen, das heißt der Luftaustausch wird beispielsweise durch Bauteile im Fensterrahmen gewährleistet. Wichtig ist zu wissen: Bei einer freien Lüftung muss der Mieter zusätzlich weiter aktiv lüften, er ist nicht von dieser Pflicht befreit. Wenn die Vermieter sich darauf nicht verlassen wollen, setzen sie auf vergleichsweise günstige Abluftanlagen.
Dabei müssen heute nicht mehr nur im Bad Abluftventile/Ventilatoren installiert, sondern auch in der Küche und in anderen Räumen, in denen der Anfall von Luftschadstoffen und Feuchtigkeit hoch ist. Und diese Lüfter laufen dann auch dauerhaft. Bei Doppelhaushälften oder Einfamilienhäusern sieht es anders aus. Hier geht der Trend zu dezentralen alternierenden Lüftungssystemen, auch Pendellüfter genannt. Darüber hinaus erwarte ich einen neuen Trend: die Leistungen der zentralen
Lüftungsgeräte werden zunehmen, das heißt ein Gerät wird wesentlich mehr Luft fördern können, um die CO2-Konzentrationen besser senken zu können.


Wie hoch sollte das geförderte Volumen denn idealerweise sein?

Wir versuchen bei unseren Planungen zu erreichen, dass zum Beispiel im Schlafzimmer ein Volumenstrom von 30 Kubikmeter pro Stunde und Person gefördert werden, um die CO2-Konzentration sicher abzusenken. Wenn dort zwei Personen schlafen, sollten also 60 Kubikmeter pro Stunde ausgetauscht werden. In den vergangenen Jahren wurden Pendellüfter vor allem in Mehrfamilienhäusern
verwendet, in Einfamilien- und Doppelhäusern kamen dagegen meist zentrale Wohnungslüftungsgeräte zum Einsatz.

Wie ist dieser Unterschied zu erklären?

Das ist ganz einfach. Wenn Sie von der zu fördernden Luftmenge ausgehen, ist es deutlich günstiger, den Luftwechsel mit Pendellüftern zu realisieren als mit zentralen Lüftungsanlagen. Bauen ist inzwischen sehr teuer, da zählt jeder Euro. Allerdings wundere ich mich schon manchmal, wenn ich sehe, in was für Küchen oder Bäder die Bauherren investieren. Luft ist Lebensmittel, das Bewusstsein dafür scheint mir in Verbindung mit dem Thema Wohnungslüftung doch sehr gering zu sein. Von den Pendellüftern braucht man aber – wie der Name ja schon sagt – immer gleich zwei: ein Gerät fördert Frischluft, das andere die Abluft nach draußen. Ja, und genau hier liegt auch ein Fallstrick für die Planung. Man muss darauf achten, dass die Volumenförderleistung passt. Wenn ein Lüfter laut Beschreibung 30 Kubikmeter pro Stunde fördert, muss ich beachten, dass er diese 30 Kubikmeter pro Stunde nur in der Hälfte der Zeit fördert. In der anderen Hälfte befördert er Abluft nach draußen. Tatsächlich tauscht der Lüfter also nur 15 Kubikmeter Luft in einer Stunde aus. Nehmen wir als Beispiel ein Schlafzimmer, in dem die Anforderung lautet, dass pro Stunde 35 Kubikmeter Luft ausgetauscht werden sollten. Meist wird dann ein Lüfter gewählt, der laut Beschreibung 35 Kubikmeter pro Stunde fördert. Tatsächlich bräuchte ich für ein solches Zimmer aber zwei Lüfter, um die Anforderung zu erfüllen. Hinzu kommt: in der Küche und im Bad brauche ich ohnehin jeweils zwei, denn aufgrund bauaufsichtlicher Vorschriften darf keine Luft aus Küchen und Bädern gefördert werden. Es werden also immer mehr Geräte. Und dann kommen noch die Schallschutzanforderungen hinzu. Auch hier liegen Fallstricke. In Wohn- und Schlafräumen darf der Schalldruck von 30 dB(A) in einem Meter Abstand nicht überschreiten. Bei Dauergeräuschen liegt die Grenze bei 35 dB(A) (DIN 4109-1).

Wie schneiden Pendellüfter in Sachen Wärmerückgewinnung gegenüber zentralen
Lüftungsanlagen ab?

Rein theoretisch sind die Wärmerückgewinnungsgrade zentraler Anlagen höher. In der Praxis allerdings gibt es kaum Unterschiede. Die meisten Pendellüfter haben aber Vorteile bei der Feuchterückgewinnung. Damit schaffen Sie es, dass die Luftfeuchtigkeit im Winter in den Räumen nicht zu gering wird. Das ist ein großes Manko der zentralen Lüftungssysteme. Daher werden in vielen zentralen Lüftungsanlagen zunehmend sogenannte Enthalpie-Wärmetauscher eingesetzt. Rotationswärmetauscher, die auch Feuchte zurückgewinnen, müssen mehrmals im Jahr gewartet werden. Es kann sich Staub und ähnliches auf dem Wärmetauscher ansammeln und diesen dann auch verdrecken oder verkeimen. Deshalb sollte man da alle halbe Jahre mal reinschauen
und den Zustand überprüfen. Interview: Silke Thole

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