Infobildschirm in jeder Wohnung eines Frankfurter Effizenzhaus' Plus

Bewohner sparen Energie mit dem Tablet

Karoline Dietel vom Berliner Institut für Sozialforschung und Annekatrin Koch von der TU Darmstadt haben die Benutzeroberfläche für die Wohnungsbildschirme im Frankfurter Effizienzhaus Plus entwickelt. © Alexander Morhart

Wenn der Energiebedarf in einem Haus so weit wie möglich reduziert ist, dann ist der Nutzer die nächste Stellschraube, um noch mehr zu sparen. Das ist das Prinzip im weltweit größten Effizienzhaus Plus, das in Frankfurt am Main steht. Die Erbauerin und Betreiberin – die städtische Wohnungsbaugesellschaft AGB Frankfurt Holding – hat das Gebäude zehn Gehminuten vom Hauptbahnhof "Aktiv-Stadthaus Frankfurt am Main" getauft.

In jeder der 74 Wohnungen hängt ein handelsübliches Tablet (iPad Air) mit diversen Funktionen an der Wand. Mit den kleinen Bildschirmen sollen die Bewohner hauptsächlich über die Möglichkeiten informiert werden, ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Die Architektin Annekatrin Koch war maßgeblich an der Entwicklung einer Benutzeroberfläche für das Tablet beteiligt: "Der Fokus ist bewusst auf Information gerichtet, nicht auf Automation. Wir wollten den Nutzer nicht bevormunden, und wir wollten ihn auch nicht überwältigen mit einem Ballast an Informationen." Technisch ist das System jedoch für eine zukünftige zeitabhängige Steuerung von Beleuchtung, Heizung und Lüftung vorbereitet.

Bei der Gestaltung der Benutzeroberfläche ("Nutzerinterface") hat sich das von der TU Darmstadt aus koordinierte Team an der Wetter-App von Apple orientiert. Es gibt verschiedene Varianten, bei denen das iPad entweder fest an der Wand installiert ist oder – was die Nutzer bevorzugen – abgenommen werden kann. Angezeigt werden aufbereitete Daten zur momentanen Solarstromproduktion an Dach und Fassade im Verhältnis zum Verbrauch im Haus und zum wöchentlichen Strom- und Wärmeverbrauch des jeweiligen Nutzers. Dahinter steht das Konzept eines bestimmten wohnflächenbezogenen Standardverbrauchs.

Strom und Wärme sind in der Miete enthalten

Mit der Zahlung einer Warmmiete erwirbt jeder Nutzer ein Jahreskontingent für Strom und Wärme. Wer mehr als die vorgegebene Strommenge verbraucht, muss dafür extra bezahlen. Die verbrauchte Wärme für Heizung und Warmwasser dagegen wird zwar ebenfalls auf dem Bildschirm angezeigt; Mehrverbrauch muss aber erst ab Ende 2020 bezahlt werden.

In fünf der Wohnungen sind die Wasch- und Geschirrspülmaschinen sogar halbautomatisch über den kleinen Bildschirm steuerbar. Die Hoffnung ist, dass die Nutzer den Betrieb der stromfressenden Maschinen am verfügbaren Solarstromangebot ausrichten, obwohl sie dafür keine finanzielle Belohnung bekommen. Annekatrin Koch: "Also sie können sagen: Spül mir in den nächsten vier Stunden, wenn Sonnenstrom verfügbar ist." Auch ein größeres Zeitfenster bis hin zu 24 Stunden lässt sich einstellen.

Manche Nutzer machen das tatsächlich, berichtet Karoline Dietel, die als Sozialwissenschaftlerin ebenfalls an der Entwicklung der Benutzeroberfläche mitgearbeitet hat; andere eher nicht: "Ich glaube, bei Familien mit kleinen Kindern gibt es mehr Pragmatismus, wann Wäsche gewaschen werden muss." Auch aus diesem Grund steht im Keller ein Lithium-Eisen-Phosphat-Akku mit einer Kapazität von 250 Kilowattstunden. So soll ein großer Teil des Sonnenstroms im Haus verwertet und wenig aus dem öffentlichen Netz bezogen werden. Angestrebt werden 54 Prozent Eigennutzung.

Carsharing-Elektroautos im Erdgeschoss

In sehr geringem Maß tragen dazu auch drei vorzugsweise mit Photovoltaikstrom von Dach und Fassade geladene Carsharing-Elektroautos bei, die in der Garage des Gebäudes bereitstehen, und die man über die Benutzeroberfläche buchen kann. Auch einen anonymen Vergleich innerhalb des Gebäudes als "spielerisches" Element enthält die Oberfläche: Jeder Nutzer kann sehen, welchen Rangplatz er beim Erfüllen des Standardverbrauchs erreicht. Doch das interessiert die Bewohner kaum.

Die Forscherinnen haben die Nutzer nach der Gebrauchstauglichkeit der Oberfläche gefragt und konnten sich zum großen Teil über eine gute Beurteilung freuen. Es gab aber auch Kritik. So empfanden knapp 23 Prozent die Bedienung als "sehr umständlich", und 36 Prozent verstanden die Grafiken nicht so recht. Das muss angesichts der Zusammensetzung der Nutzer zu denken geben: "Wir haben eine Bewohnerschaft, die von der Sozialstruktur her so 25 bis 40 ist, formal hoch gebildet, die also mit Computer, Internet und Touchscreens vertraut ist", sagt Karoline Dietel.

Mit einem anderen Problem müssen sich Dietel und ihre Kollegen nicht herumschlagen: Dass nämlich das Frankfurter Haus – wie einige andere der Gebäude im "Effizienzhaus Plus"-Programm – das Plus nicht in jedem Jahr schafft. Der offizielle Bericht zur Energiebilanz kommt erst in einigen Tagen heraus, aber im sogenannten Steckbrief des Hauses vom Januar dieses Jahres ist zwar für 2016 ein Endenergieüberschuss übers Jahr von 2732 Kilowattstunden ausgewiesen; 2017 dagegen trat ein Defizit von 5046 Kilowattstunden auf. Geplant war eigentlich ein jährlicher Überschuss von 43.622 Kilowattstunden. Und der Verbrauch des Gewerbes im Erdgeschoss ist da noch gar nicht eingerechnet.

Trotz sieben Stockwerken manchmal ein Energie-Plus

Immerhin: In manchen Jahren schafft es ein solches Haus, vor Ort übers Jahr mehr Energie abzugeben als aufzunehmen. Dabei hatte einer der Väter dieses Konzepts, der Braunschweiger Professor für Bauphysik Norbert Fisch, in seinem 2012 herausgegebenen Standardwerk "Energieplus – Gebäude und Quartiere als erneuerbare Energiequellen" noch geschrieben, in Deutschland sei ein solches Energie-Plus nur bei bis zu vier Geschossen zu erreichen. Das Frankfurter Haus hat zusätzlich zum gewerblich genutzten Erdgeschoss sage und schreibe sieben Stockwerke mit Mietwohnungen.

Der Trick, um die relativ kleine verfügbare Dachfläche mit ihren 250 Kilowatt maximaler Solarleistung zu ergänzen, sind die Photovoltaikmodule an der Fassade, die für weitere 120 Kilowatt Spitzenleistung ausgelegt sind. Eine andere günstige Voraussetzung ist weniger offensichtlich. Als Wärmequelle für die Wärmepumpe kann ein nahegelegener Abwasserkanal herangezogen werden. Auf einer Länge von etwas über 50 Metern steht hier ganzjährig Wärme auf relativ hohem Temperaturniveau zur Verfügung. Die Stadtverwaltung verlangt für die laufende Nutzung des Abwassers keine Gebühr – anders als das zum Beispiel in Berlin der Fall wäre. von Alexander Morhart

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