Matthes’ zwiespältige Einschätzung, vorgetragen beim „Forum Wärmepumpe“ des Branchenverbands BWP in Berlin, war durchzogen von Seitenhieben und spöttischen Randbemerkungen. Seit dem ersten deutschen Klimaschutzprogramm vom Juni 1989 seien Maßnahmen und Ziele „mit schöner Regelmäßigkeit von zwei bis drei Jahren immer wieder auf den neuesten Stand gebracht worden.“ Wobei in den letzten Jahren „immer dann, wenn es Probleme gegeben hat mit der Umsetzung, ein neues Ziel erfunden wurde.“ Und in den gut zehn Jahren mit Diskussionen um ein Klimaziel für 2050 „ging's nicht um das 'wie erreichen wir die 80-Prozent-Minderung', sondern 'wer kriegt das Zugriffsrecht auf die verbleibenden 20 Prozent' (…). Wenn sie auf einer Kohle-Konferenz waren, dann war immer klar: Die eigentlichen Emissionsminderungen müssen bei Gebäuden und Verkehr kommen. Und bei einer Verkehrs-Konferenz, da mussten die Emissionsminderungen immer von den Kohlekraftwerken kommen. Und wenn sie auf einer Gebäude-Konferenz waren, dann waren es immer der Verkehr und die Kohle.“
Das, lobte Matthes, sei durch die Figur der „Klimaneutralität“ nun abgeräumt – „ein großer Fortschritt“. Es werde das Instrument einer strikten jährlichen Kontrolle geben: „Wir werden jedes Jahr bei diesem Bericht die Debatte führen: Wo stehen wir? Wie groß ist die Lücke? Was ist erreicht worden und was nicht?“ Die „schlechte Nachricht“ sei: Das deutsche Emissionsminderungsziel von 55 Prozent gegenüber 1990 müsse wohl spätestens im nächsten Jahr schon wieder geändert werden, wenn nämlich „die EU ihr Ziel von 40 Prozent auf 50 oder 55 Prozent erhöht.“ Er sehe das aber als Vorteil, denn so „geht das Thema nicht weg.“
„Bizarres System“ von Energiesteuern beibehalten
Die „vergebene Chance bei der CO₂-Bepreisung“ besteht für Matthes darin, dass das jetzige „bizarre System“ von „basisverzerrten“ Energiesteuern, -abgaben und -umlagen nicht in Ordnung gebracht werde. Er versuchte, das am Beispiel von Heizöl, Erdgas und Strom (zum Beispiel auch für Elektrowärmepumpen) zu belegen: „Wir besteuern im Moment leichtes Heizöl mit 23 Euro pro Tonne CO₂, Erdgas mit 30, (…) Strom mit 92.“ Matthes: „Da wundert man sich jetzt auch nicht, warum es ein Problem mit Ölheizungen gibt.“ Die Zahlen beziehen sich auf einen sogenannten „impliziten Steuersatz“, in dem alle Belastungen, Entlastungen und Umlagen verrechnet und auf CO₂ bezogen sind.
Dieses System nun werde nicht korrigiert, sondern im Klimaschutzprogramms 2030 beibehalten. Die Einnahmen aus einer geplanten CO₂-Bepreisung würden im wesentlichen „verheizt in mehr oder weniger bizarren Förderprogrammen“ – namentlich zum Beispiel, um Ölheizungen abzulösen. Ob die Bepreisung bei zehn, 20 oder 35 Euro pro Tonne CO₂ liege, mache „überhaupt keinen Unterschied.“ Denn auch mit 35 Euro pro Tonne steige der effektive Erdgaspreis nur um etwa 10 Prozent. Das sei „jenseits der Nachweisgrenze“. Beim „impliziten Steuersatz“ lande man dann nur bei rund 60 Euro pro Tonne CO₂ für Heizöl und Erdgas, während Strom weiterhin über 90 liege. „Die ersten 35 Euro stehen für die Neuordnung der Steuern, Abgaben und Umlagen nicht mehr zur Verfügung; die sind verbrannt.“
Förderung der energetischen Gebäudesanierung
Eher positiv wertete Felix Matthes eine Bundesförderung für effiziente Gebäude, eine Förderung der seriellen Sanierung und eine steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung, relativierte aber bei Letzterer: „Die Frage ist ja: 'Was sind's denn für Maßnahmen? Was ist denn der Standard, der eingehalten wird? Ist das ‚KfW weiß-der-Teufel-was’, sind das Einzelmaßnahmen, und so weiter.“ Und überhaupt liege ein Entwurf für ein Gebäudeenergiegesetz vor, das den Namen nicht verdiene. Auf einen Zwischenruf aus dem Publikum, das sei ja erst der Entwurf, verwies Matthes auf seine Erfahrung: „Wenn Gesetzentwürfe so lange dauern, dann werden sie selten im Ergebnis sehr viel besser.“
Am Ende wurde der Mann vom Öko-Institut noch einmal grundsätzlich. „Sie haben immer drei Optionen: ‚Forcing’ – man zwingt irgendjemand, etwas zu tun –; sie haben die zweite Möglichkeit ‚Pricing’ [Bepreisung]; und sie haben die dritte Option ‚Buying’, das heißt, man kauft jemandem eine Gegenleistung ab. Die Überschrift dieses Klimaschutzprogramms ist ‚Buying’.“ Man kaufe also Leuten mit Förderprogrammen oder wie auch immer die Emissionsminderung ab. „Das wird nicht unendlich lange gutgehen.“ Man werde in den nächsten Jahren – in Zeiten weniger guter Staatsfinanzen – zu einem „balancierteren Ansatz“ kommen müssen, wo Zwang und Bepreisung eine größere Rolle spielen würden. Von Alexander Morhart