Heizung und Warmwasser
Quelle: Pia Grund-Ludwig

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Kaltes Nahwärmenetz im Mehrfamilienhaus ermöglicht hohe Arbeitszahlen

Heizkonzept punktet mit dezentralen Wärmepumpen

Dieses sanierte 20er-Jahre-Mietshaus in Pirna wird mit dezentralen Wärmepumpen beheizt. © Novelan

Neun mit Erdwärme klimatisierte Gebäude im Großraum Dresden waren Stationen einer Pressefahrt des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP). Eines davon, ein saniertes 20er-Jahre-Mietshaus mit dezentralen Wärmepumpen, könnte der Vorläufer einer neuen Entwicklung sein.

„Not macht erfinderisch“, heißt es; aber manchmal reicht schon eine knifflige Ingenieursaufgabe. Zum Beispiel wollte der Käufer eines Mehrfamilienhauses in Pirna, südöstlich von Dresden, Wärme und Dachgeschossklimatisierung für 1000 Quadratmeter Wohnfläche nicht mit einem Brennstoff, sondern mit Erdwärme bereitstellen lassen. Nach der Kernsanierung sollten damit nicht nur die Fußbodenheizungsflächen im Winter warm – und unter dem Dach im Hochsommer kühl – werden, sondern auch das Leitungswasser heiß.

Die beiden ersten Punkte gehören für Wärmepumpen gewissermaßen zu den thermodynamisch leichtesten Übungen, denn eine Flächenheizung benötigt nur ein niedriges Temperaturniveau – zumal das Gebäude im Jahr 2017 mit Fassadendämmung, modernen Fenstern und auch Türen auf einen KfW-55-Standard gebracht wurde; die Heizlast liegt noch bei 48 Kilowatt.

Ein Problem war aber die zentrale Trinkwassererwärmung. Seit 2013 fordert die Trinkwasserverordnung mindestens 50 Grad Celsius, damit nirgends Legionellen entstehen. Erdsonden, auch wenn sie, wie hier, bis zu 110 Meter in die Tiefe gehen, liefern in Pirna höchstens neun Grad in den Heizungskeller; manchmal auch nur fünf Grad. Dabei überträgt das Gestein in dieser Gegend Wärme sogar besonders gut. Aber aus neun Grad mit einer zentralen Wärmepumpe und vielen elektrischen Heizstäben mehr als 50 Grad zu machen, wäre ziemlich ineffizient und teuer gewesen. Allein 3000 Kilowattstunden im Jahr wären für die Aufrechterhaltung der Trinkwasserzirkulation durchs ganze Haus nötig, und für eine Zentralwärmepumpe im Keller wäre eine Jahresarbeitszahl von allenfalls 2 zu erwarten gewesen.

Dezentrale Wärmepumpen statt fossiler Thermen

Oft behilft man sich fürs Warmwasser mit zusätzlichen Gasthermen, aber Fossiles wollte der Bauherr ja gerade nicht im Haus haben. Er ließ sich stattdessen vom oberfränkischen Hersteller Novelan, in Sachsen zum ersten Mal, ein System mit „kaltem“ Wärmeträgernetz und dezentralen Wärmepumpen – eine in jeder der elf Wohnungen – konzipieren. Seit März ist es in Betrieb; etwas Ähnliches ist in Chemnitz und in Grimma bei Leipzig in Arbeit.

Mit solchen Konzeptionen, bei denen sozusagen ein „kaltes Nahwärmenetz“ innerhalb des Gebäudes mit dezentralen Kleinwärmepumpen angelegt wird, sammelt man seit einigen Jahren auch anderswo Erfahrung. Relativ bekannt wurde zum Beispiel das Forschungsprojekt eines zum Hotel umgebauten 70er-Jahre-Wohngebäudes in München, bei dem noch diverse Kinderkrankheiten auftraten.

Voraussichtliche Jahresarbeitszahl 4,97 statt 2

Auch das System in Pirna hat seine Bewährungsprobe, sprich den ersten Winter, noch vor sich. Die vorausberechneten Jahresarbeitszahlen – je nach Wohnung ein Wert um fünf herum, im Durchschnitt 4,97 – werden aber jedenfalls den Wert, den eine zentrale Wärmepumpe mit Warmwasserleitungen in jede Wohnung erreichen könnte, um etwa das Zweieinhalbfache übertreffen.

Im Unterschied zum zentralen Konzept ist in Pirna die Flüssigkeit sowohl im großen 1500-Liter-Kellerspeicher als auch im Vor- und Rücklauf zu und von den Wohnungen nie wärmer als besagte neun Grad. Statt Wärmeverlusten entstehen unterwegs sogar in gewisser Weise Wärmegewinne – unter anderem auch dann, wenn die Kühlflächen zum Klimatisieren der Dachgeschosswohnungen der Raumluft Wärme entziehen, die über die dortigen Wärmepumpen und den Rücklauf in den Kellerspeicher gelangt und von dort wieder zur Trinkwassererwärmung auch anderer Wohnungen beiträgt.

Diese Trinkwassererwärmung besorgt, wie bei Bedarf auch die Raumheizung oder -kühlung, eine kleine, zwischen 1,2 und sechs Kilowatt leistungsgeregelte Wärmepumpe im Technikraum jeder Wohnung. Dort befindet sich auch jeweils ein Trinkwarmwasserspeicher mit 180 Liter Inhalt. Der Weg von diesem Speicher zu Bad und Küche ist so kurz, dass das Temperaturniveau ohne Legionellengefahr relativ niedrig bleiben kann, abhängig vom individuellen Anspruch der jeweiligen Mieter. Geht ein Mieter in Urlaub, kann er das Warmwasser auch ganz abschalten. Diese ganzen Faktoren zusammen sollen zur beeindruckend hohen Jahresarbeitszahl beitragen.

Förderbetrag kann höher sein als Anschaffungspreis

Nach den Gründen gefragt, warum der Käufer und heutige Vermieter des Pirnaer Mehrfamilienhauses sich wohl für dieses Konzept entschieden habe, nannte Nico Müller von Novelan zwei Punkte. Zum einen falle „die ganze Abrechnerei bis auf einen Kaltwasserzähler komplett weg.“ Auch ein Ablesedienst ist also nicht nötig. Der andere Punkt: Förderung. Es gebe unter anderem pro Wärmepumpe über das BAFA mit allen Zuschüssen, die es für die Sanierung in diesem Fall gebe, rund 11.000 Euro.

Sein Kollege Dirk Reichelt ergänzte: „Die 11.000 Euro sind mehr als der Bruttolistenpreis.“ Und auf den gebe es noch diverse Rabatte. „Es bleibt da noch etwas übrig.“ Den Kunden das Nutzen aller Förderbeträge von BAFA und KfW zu ermöglichen, ist gewissermaßen ein eigener Geschäftszweig: „Wir haben Partner, die machen die Beratung für die Finanzierung, die Beratung für die Förderung, und dann haben wir noch einen Energieberater im Hause.“

Reichelt ging so weit zu sagen, ein dezentrales Konzept sei, wenn Trinkwassererwärmung gefordert wird, immer besser, vorausgesetzt, es geht um einen Neubau oder eine Kernsanierung – wegen der Notwendigkeit eines Aufstellraums für die Wärmepumpe in der Wohnung und wegen der Fußbodenheizung.

100 Meter Bohrtiefe sind nicht die Schallgrenze

Bei den weiteren 8 besuchten Erdwärmeprojekten der BWP-Fahrt war außer Heißgastechnologie technisch so gut wie alles dabei – von der Betonkernaktivierung über Schrägbohrungen zum Umgehen von Altbergbau sowie einem ausgeklügelten Schichtspeicher mit elf Anschlüssen bis zu zwei wärmepumpenbeheizten Häusern aus dem 14. Jahrhundert.

Mehrere Projekte mit um 120 Meter tiefen Bohrungen relativierten die weit verbreitete Annahme, 100 Meter Bohrtiefe stellten wegen eines ab da sprunghaft steigenden Genehmigungsaufwands gewissermaßen eine Schallgrenze dar. Der Planungsspezialist und Geschäftsführer von „Geoenergie“ Rüdiger Grimm stellte klar, dass der entscheidende Gesichtspunkt sei, wie tief man mit dem jeweiligen Sondendurchmesser komme.

Grimm war es auch, der am Beispiel seines Privathauses in der historischen Freiberger Altstadt zwei weitere interessante Fakten lieferte. Zum einen braucht es keine Zufahrt, um auf einem Hofgrundstück eine Bohrung zu setzen. Für überschaubare 600 Euro hebt ein Kran das Bohrgerät wenn nötig übers Reihenhaus. Und: Eine Wärmepumpe im Altbau zu installieren, bedeutet zwar in verschiedener Hinsicht Mehraufwand gegenüber dem gleichen Vorhaben im Neubau. Ein Aspekt aber wirkt genau in die andere Richtung: Sind Erfahrungsdaten aus dem Betrieb einer konventionellen Heizung bekannt, kann man bei der Auslegung des neuen Systems mehrere Hundert Euro für ein Gutachten sparen, das bei Null anfangen müsste. Von Alexander Morhart

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