Hintergrund für diesen Bedeutungsaufschwung ist das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG), das ab 1. November 2020 in Kraft treten wird. Es fasst das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), die Energieeinsparverordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) zusammen mit dem Ziel, das Energieeinsparrecht für Gebäude insgesamt zu vereinfachen und den notwendigen ordnungsrechtlichen Rahmen für Niedrigstenergiegebäude-Standards zu bilden.
Was ist graue Energie
Grundsätzlich braucht man zur Errichtung oder Modernisierung eines Gebäudes Energie. Auch zur Herstellung der Wärmedämmung. Man nennt diese Energie auch „Graue Energie“. Sie steckt sozusagen fest im Gebäude. Unsichtbar und deshalb grau.
GEG mit Hinweis auf graue Energie
Graue Energie stand lange Zeit nicht auf der Agenda der für das neue GEG verantwortlichen Institutionen. Seit 2019 brachten verschiedene Umweltverbände und Interessengruppen diesen Aspekt immer intensiver ins Gespräch. Letztlich fand er dann doch Eingang in den Gesetzestext, wenn auch in etwas verklausulierter Form. In § 7 Abs. (5) des GEG heißt es nun: „Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat werden dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2022 gemeinsam einen Bericht über die Ergebnisse von Forschungsprojekten zu Methodiken zur ökobilanziellen Bewertung von Wohn- und Nichtwohngebäuden vorlegen."
Eine seriöse ökobilanzielle Bewertung von Gebäuden muss auch den Faktor graue Energie berücksichtigen, darüber herrscht in der Fachwelt Einigkeit. Erfasst wird in diesem Begriff ganz allgemein die Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes benötigt wird. Bezogen auf energetische Modernisierungsmaßnahme am Gebäude resultiert daraus die Frage der Hausbesitzer: Benötigen Herstellung und die weiteren genannten Faktoren einer Wärmedämmung unterm Strich mehr Energie als sich damit nach dem Einbau einsparen lässt.
Fachhandwerk muss kompetent antworten
Modernisierungswillige Hausbesitzer, die schon Schwierigkeiten haben, sich durch den Dschungel möglicher Förderungsprogramme zu kämpfen, sind auf die fachliche Erläute-rung und Bewertung des Fachhandwerks zur grauen Energie bzw. zur so genannten energetischen Amortisation angewiesen. Nur so kann die in diesem Punkte vielfach herrschende Unsicherheit abgebaut und in reale Effizienzmaßnahmen überführt werden.
Das Institut für Energie- und Umweltforschung hat Dämmstoffe, die zur Wärmedämmung von Außenwänden geeignet sind, untersucht1. Dabei wurden deren graue Energie-Anteile ermittelt. Da Dämmstoffe eine lange Lebensdauer haben, kann nur schwer vorhergesagt werden, wie später Recycling und Wiederverwertung erfolgen. Dieser Beitrag gibt den für die üblichen Dämmstoffe günstigsten und ungünstigsten Fall an. Am konkreten Beispiel wird der Zusammenhang deutlich.
Beispiel durchschnittliches Einfamilienhaus
Die Außenwände (150 m²) eines freistehenden Einfamilienhauses sollen so gedämmt werden, dass sie danach einen U-Wert von 0,2 W/(m²·K) erreichen und steuerliche Förderung möglich wird. Je nach Dämmstoffart2 ergeben sich daraus Dämmstoffdicken zwischen 11 cm und 22 cm. Legt man die vom ifeu-Institut ermittelten Daten zugrunde, so werden je nach Dämmstoffart insgesamt zwischen 7.000 und 18.000 kWh an grauer Energie benötigt. Das entspricht umgerechnet ca. 700 bis 1.800 Litern Heizöl.
Damit liegt eine Größenordnung des Energieeinsatzes für die Dämmung des durchschnittlichen Einfamilienhauses vor. Zur Gegenrechnung der damit erzielbaren Energie-einsparung eignet sich die Untersuchung der Verbraucherzentralen (VZ)³: Gegenüber der ungedämmten Wand wird infolge der Dämmung weniger Heizenergie verbraucht4. Das macht das Beispielobjekt ungefähr 15.000 kWh (entspr. rd. 1.500 Liter Heizöl) pro Jahr aus. Die VZ rechnet mit 30 Jahren Lebensdauer einer Wärmedämmung (Außenwand). In dieser Zeitspanne beträgt die eingesparte Heizenergie für das Einfamilienhaus laut Berechnung der Verbraucherzentralen also etwa 450.000 kWh.
Energieeinsparung schlägt graue Energie
Dies alles sind zunächst theoretische Werte, weil Faktoren wie Gebäudezustand, geografische Lage und Nutzerverhalten den tatsächlichen Energieverbrauch natürlich auch beeinflussen. Für das Beratungsgespräch mit dem Hausbesitzer kann der Fachunternehmer aber eine klare Aussage treffen: Das Einsparpotenzial liegt in den praxisrelevanten Fällen immer deutlich über dem Wert für die graue Energie. Da eine Fassadendämmung in der Regel noch länger funktioniert als die von der VZ zugrunde gelegten 30 Jahre, verbessert sich das Verhältnis zwischen grauer und eingesparter Energie nochmals. Damit lässt sich gut argumentieren.
Das Forschungsinstitut für Wärmeschutz (FIW; München) hat die Zeitspanne berechnet, die es dauert, bis die Wärmedämmung den Graue-Energie-Anteil eingespart hat5: Diese energetische Amortisationszeit reicht je nach Material und Ausführung von wenigen Monaten bis zu knapp zwei Jahren. Zum Vergleich: Die energetische Amortisationszeit für eine Photovoltaikanlage beträgt 2,5 bis 2,8 Jahre.
Sonderfall erneuerbare Energien
Wenn ein Gebäude mit erneuerbarer Energie beheizt wird, forciert Wärmedämmung de-ren Einsatzmöglichkeiten. Die Wärmedämmung ist somit der Türöffner für den Einsatz erneuerbarer Energie im Gebäudebereich. Wärmepumpen beispielsweise die ohne Einsatz fossiler Energieträger auskommen, sind bei niedriger Vorlauftemperatur für die Behei-zung des Gebäudes am effektivsten. Ein ungedämmtes Gebäude mit dauerhaft hohen Vorlauftemperaturen im Winter lässt sich mit dieser Heiztechnologie in der Regel nicht effizient beheizen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Mit Wärmedämmung ist der Einsatz erneuerbarer Energien und moderner Heiztechnologie viel eher möglich. Das senkt die CO2-Belastung der Umwelt spürbar.
Die CO2-Freisetzung bei der Herstellung und Entsorgung von Dämmstoffen wurde ebenfalls vom ifeu-Institut untersucht1. Sie verhält sich ganz ähnlich wie der Energieeinsatz. Bei der Herstellung und Entsorgung des Dämmstoffs für das betrachtete Einfamilienhaus werden je nach Dämmstoffart und betrachtetem Szenario zwischen 2 und 5 Tonnen CO2-Äquivalent freigesetzt. In der Nutzungsphase (30 Jahre) aber spart die Dämmung zwischen 90 und 120 Tonnen CO2 ein (bei einer Heizung mit fossilen Energieträgern wie Gas oder Öl). Eine Studie des Umweltbundesamtes8 hat zudem ergeben, dass die Herstellung der Wärmedämmung nur einen Anteil von 6 bis 7 % an den CO2-Emissionen hat, die insgesamt beim Hausbau entstehen. Ein weiteres gewichtiges Argument für den Fachunter-nehmer in der Beratung von Bauherren und Immobilienbesitzern.
VDPM Factsheet
Auf der Homepage des VDPM steht ein zusammenfassendes Factsheet mit dem Titel „Verschlingt die Herstellung einer Wärmedämmung mehr Energie als man hinterher einspart?“ zum Download bereit. Diese Information eignet sich auch gut, um an Kunden, Bauherren und Immobilienbesitzer weitergegeben zu werden.
Quelle: VDPM / wh