Bislang war die niederbayerische Gemeinde Bodenmais hauptsächlich bekannt als Touristenregion. Seit kurzem gibt es ein weiteres Aushängeschild: Als eine der ersten Gemeinden in Deutschland verfügt die 3.000-Seelen-Ortschaft über ein so genanntes "kaltes" Nahwärmenetz. Ziel für die zukünftige Wärmeversorgung ist eine Reduzierung des Energieaufwands um rund 70 Prozent – bei gleichzeitiger CO2-Einsparung von ebenfalls fast 70 Prozent.
Das in einer Mischstruktur angelegte Gewerbegebiet hat sich sowohl mit seinen Privathaushalten als auch mit den ansässigen Gewerbetreibenden dazu entschlossen, seine Wärmeversorgung über diese regenerative Technologie laufen zu lassen. Unter den Anschlussteilnehmern befindet sich die Dorfbäckerei, eine Tankstelle, ein 4-Sterne Wellness Hotel oder die beliebte Pizzeria im Ortskern genauso wie 12 private Ein- und Mehrfamilienhäuser. Insgesamt erstreckt sich die autarke Energieversorgung der über eine Fläche von 50.000 qm.
Die recht umfangreiche Dimensionierung des Nahwärmenetzes in Bodenmais war ursprünglich eigentlich gar nicht so geplant, wie Christian Zelzer, Initiator dieser Wärmeversorgung sowie Inhaber der ortsansässigen Sanitär- und Heizungsfirma, verrät. "Am Anfang wollte ich eigentlich nur für mein Wohnhaus und meine gewerblichen Flächen die Energieversorgung über ein Nahwärmenetz realisieren. Aber dann hat sich mein Vorhaben – typisch für eine kleine Gemeinde wie Bodenmais – schnell herumgesprochen. Mich haben mit der Zeit immer mehr Nachbarn auf das Konzept angesprochen."
Zudem hatten in Bodenmais die meisten Anschlussteilnehmer eine veraltete Öl- oder Gasheizung und somit stand sowieso ein Anlagenaustausch auf dem Programm. Den letzten Motivationsschub für die Realisierung des kalten Nahwärmenetzes gaben dann die Fördergelder. So konnten in Bodenmais gut 35 Prozent der Gesamtinvestitionen von 850.000 Euro eingespart werden, konkret knapp 300.000 Euro.
Zur Realisierung wurde das Unternehmen Ratiotherm ausgewählt, das mit seinem Geschäftsfeld Ratioplan Wärmekonzepte anbietet. Das Konzept für ein kaltes Nahwärmenetz ruht im Wesentlichen auf zwei Säulen: der Nutzung erneuerbarer Energien und flexiblen Temperaturen, die sich dem tatsächlichen Verbrauch anpassen.
In einem konventionellen Netz stellt die Heizzentrale permanent 70 bis 80°C warmes Wasser bereit. Während der Sommermonate gibt es aber zumeist nicht diesen Bedarf für solch hohe Temperaturen, so dass große Netzverluste entstehen. Um diese Verluste zu minimieren, wird das System im Sommer als so genanntes "kaltes Netz" betrieben. Dafür wird die Netztemperatur in Bodenmais von April bis Oktober auf 20 bis 40 °C abgesenkt. Mit einem solchen "kalten" Betriebsmodus lässt sich der Wärmebedarf der Anschlussteilnehmer in der warmen Jahreszeit vollständig durch erneuerbare Energien abdecken, in Bodenmais durch Solarthermie-Kollektoren an der Außenfassade der Heizzentrale.
Von zentraler Bedeutung für die Umsetzung eines kalten Nahwärmenetzes in Bodenmais war die positive Bewertung der Vor-Ort-Bedingungen. Sprich eine ausreichende Ressource erneuerbarer Energiequellen, in diesem Fall Solar und Holzheizung. Dabei war durch das angrenzende Waldgebiet die Bereitstellung von Hackschnitzeln kein Problem, mit denen die 400kW Hackgut-Anlage in der Heizzentrale, dem Zentrum des Nahwärmesystems, betrieben werden kann. An die Außenfassade der Heizzentrale wurden dabei über eine Fläche von 110m² besagte Solarthermie-Kollektoren eingebaut.
Mit fast fünf Stunden Sonnenscheindauer pro Tag liegt die Region Bodenmais gut 10 Prozent über dem Jahresdurchschnitt im Bundesgebiet, so dass eine effiziente Auslastung der Solar-Kollektoren gewährleistet ist. Die technische Ausstattung der Heizzentrale wird komplettiert durch einen Pufferspeicher mit einem 25.000 Liter Fassungsvermögen. Hinzu kommen in der Peripherie für jeden der bisher 19 angeschlossenen Haushalte bzw. Gewerbetreibenden noch jeweils eine "kleine" Wärmepumpe als Übergabestation sowie ein Speicher mit mindestens 500 Liter Fassungsvolumen. Die Wärmepumpen sind dabei jeweils auf etwa 50 Prozent der jeweiligen Gebäudeheizlast ausgelegt. Alle Komponenten sind über eine Datenleitung miteinander verbunden und können sich somit über die jeweilige Wärmebereitstellung und den Bedarf der Verbraucher informieren.
Die Leitungsverlegung geschah in zwei Phasen: Die erste Trasse wurde im Februar 2014 verlegt, die zweite Trasse im Oktober des gleichen Jahres. Drei Monate später waren alle Teilnehmer an das Wärmenetz angeschlossen. Wobei das kalte Nahwärmenetz in Bodenmais als offenes System konzipiert ist, was bedeutet, dass jederzeit neue Anschlussteilnehmer in das System integriert werden können. Insgesamt beläuft sich die Trassenlänge zur Einbindung aller Netzteilnehmer auf nur 950 Meter. Diese relativ geringe Trassenlänge bedeutet sehr kurze Rohrleitungswege und damit eine Minimierung möglicher Wärmeverluste auf dem "Transportweg". Dadurch kann die Anlage äußerst energieeffizient arbeiten.
Mit diesem Konzept eines Niedrigenergie-Nahwärmenetzes wurden zwei zentrale Nachteile klassischer Nahwärmeversorgung ausgeglichen: Zum einen die Vermeidung relativ hoher Leitungsverluste aufgrund starker Temperaturdifferenzen. Zum anderen der Wegfall der Anschaffungskosten für eine eigene Heizanlage für die eingebundenen Anschlussteilnehmer. Während der eineinhalb Jahre Betriebszeit gab es keine nenneswerten Störungen der Anlage. Bisher liegt der Energieeinspareffekt für jedes Gebäude – unabhängig ob privat oder gewerblich – bei mindestens 20 Prozent. Quelle: Ratioplan / bba