In der Esslinger Neuen Weststadt entsteht derzeit ein klimaneutrales Stadtquartier, das als Blaupause für künftige Quartiersentwicklung dienen könnte. Auf 100.000 Quadratmetern werden seit drei Jahren über 500 Wohnungen, Büro- und Gewerbeflächen sowie ein Neubau der Hochschule Esslingen gebaut.
Was dem Quartier noch fehlt, ist das technische Herz: In einer unterirdischen Energiezentrale soll in diesem Jahr ein Elektrolyseur installiert werden, der den Solarstrom von den Dächern nutzt, um grünen Wasserstoff herzustellen. Dazu haben der Stromanbieter Polarstern, Professor Manfred Norbert Fisch (vom Steinbeis-Innovationszentrum EGS aus Stuttgart) und die Stadtwerke Esslingen die Firma Green Hydrogen Esslingen GmbH gegründet, die nun - gefördert vom BMWi – die Power-to-Gas-Lösung im Quartier umsetzt.
„Wir haben mit diesem Konzept die Elektrolyse in die Stadt hineingeholt“, erklärt Tobias Nusser vom Steinbeis-Innovationszentrum EGS. „Es gibt in Deutschland schon einige Anlagen im Ein-Megawatt-Bereich, aber die stehen alle auf der grünen Wiese, zwar in der Nähe der Erzeuger, aber in der Regel fern vom Ort des Energiebedarfs in den Städten.“
Fossile Brennstoffe werden ersetzt
Die Lage im Quartier hat zwei Vorteile: Die Transportwege für die Nutzung des grünen Wasserstoffs sind verkürzt und die Abwärme des Elektroyseprozesses wird nutzbar für die Wärmeversorgung der benachbarten Gebäude. Der Nutzungsgrad von Elektrolyseuren, der sonst bei etwa 60 Prozent liegt, lässt sich so auf bis zu 90 Prozent steigern, hoffen die Beteiligten.
„Die Gebäudetechnik richten wir dazu auf diese Wärmequelle aus, wir nutzen ein Niedertemperatursystem und ersetzten so fossile Brennstoffe wie zum Beispiel Erdgas“, erklärt Nusser. Und das gleich doppelt: Denn während die Abwärme das Quartier selbst heizt, können auch andere Esslinger den grünen Wasserstoff nutzen. Denn dieser soll zusätzlich ins Gasnetz eingespeist werden und dort den Anteil fossilen Gases senken.
„Wasserstoff-Cent“ für Einspeisung ins Gasnetz
Die Stadtwerke arbeiten derzeit an einem Geschäftsmodell dafür, denn noch ist Erdgas deutlich günstiger als grüner Wasserstoff. „Eine Art Wasserstoff-Cent für die Förderung von klimafreundlicherem Gas könnte das ausgleichen“, sagt Nusser. Ausgehend von einem Gaspreis von 6,15 Cent pro Kilowattstunde könnte dieser Beitrag bei etwa 0,05 Cent liegen. Für eine typische Familie würde dies Mehrkosten von unter einem Euro pro Monat bedeuten.
Weitere Einsatzzwecke für die 400 Kilogramm Wasserstoff, die der Elektrolyseur am Tag produzieren soll, gibt es ebenfalls. Eine Abfüllstation könnte im Laufe des Tages das Rohrbündel eines Trailers füllen, der den Wasserstoff dann zu Industriekunden fährt. Auch die Idee einer Tankstelle für Brennstoffzellenfahrzeugen besteht. Einen großen Speicher wird es in Esslingen jedoch nicht geben, Green Hydrogen Esslingen spart sich den aufwendigeren Bau und das entsprechende Genehmigungsverfahren. 30 Kilogramm reichen, denn der Wasserstoff soll direkt abgenommen werden.
Erst einmal müssen die Projektpartner aber die Planung abschließen. Die Genehmigungserteilung nach dem BImSchG inklusive Öffentlichkeitsbeteiligung wird für Anfang April erwartet. Professor Fischs Ingenieursbüro EGS-Plan erarbeitet derzeit die Planung der Energiezentrale, die Versorgungs- und die Anlagentechnik, im April beginnt der Bau des Elektrolyseurs. Ende des Jahres soll er den ersten grünen Wasserstoff liefern.
„Unsere Betriebsweise wird sich dann aber auch nach der Verfügbarkeit von Erneuerbaren richten, das ist ein wichtiger Aspekt des Projekts“, erklärt Nusser. Er rechnet mit etwa 4.000 – 5.000 Stunden Laufzeit im Jahr – etwa 50 Prozent der Zeit wird also Wasserstoff produziert. Zwar könnte der Elektrolyseur auch durchgehend Strom aus dem Netz ziehen, doch Teil des Forschungsprojektes ist eben auch, den energiewendedienlichen Bezug von überschüssigem Netzstrom zu erproben. Quelle: Energiewendebauen / pgl