Heizung und Warmwasser
Quelle: Pia Grund-Ludwig

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Experten werfen Simons Fehlinterpretationen vor

Empirica-Studie zur Gebäudesanierung in der Kritik

Nicht nur Brennwertheizungen gelten für Harald Simons als hocheffizient. © MHG

Der aktuelle energetische Zustand des Gebäudebestands sei gut. Das ergab eine Empirica-Studie. Dagegen regt sich Widerspruch von Fachleuten der Dena und des Bremer Energie Instituts.

Mit einem provokanten Beitrag hatte sich Professor Harald Simons vom Berliner Empirica-Institut in einer Studie des Verbands der Privaten Bausparkassen zu Wort gemeldet. Sein erstaunliches Fazit: Der "aktuelle energetische Zustand des älteren Ein- und Zweifamilienhausbestandes ist – gerade vor dem Hintergrund der diskutierten Einsparpotenziale – beeindruckend gut". Klaus-Dieter Clausnitzer vom Bremer Energie Institut und Christian Stolte, Bereichsleiter Energieeffiziente Gebäude bei der Deutschen Energie-Agentur widersprechen ihm vehement.

Die zentralen Aussagen von Simons: energetische Sanierungen seien im Regelfall unwirtschaftlich. Die eingesparten Kosten deckten nicht die Kosten der energetischen Sanierung. Dabei geht er von einem derzeitigen mittleren Energieverbrauch "nicht wesentlich sanierter Ein- und Zweifamilienhäuser" von 167 kWh/m2 a, Energiekosten von 8 Cent pro Kilowattstunde, Energieeinsparungen von 60 Prozent und einem Nutzungszeitraum von 15 Jahren aus.

Bei vielen Bauteilen sei der energetische Zustand gut. Bei Heizungen spricht er davon, dass 81 Prozent hoch und höchst effizient seien. 96 Prozent aller Fenster seien "mindestens zweifach verglast." Aufgrund bereits erfolgter Maßnahmen und fehlender Wirtschaftlichkeit rechnet Simons mit einer sinkenden Sanierungsrate.

Klaus-Dieter Clausnitzer hat sich mit den zentralen Annahmen des Empirica-Forschers beschäftigt und wirft ihm an vielen Stellen vor, Zahlen nicht richtig eingeordnet zu haben. So beziehe sich Simons bei seinen Annahmen zum Energieverbrauch auf eine Studie von Norbert Fisch. Dessen Daten stammen aus Verbrauchsausweisen, beziehen sich also nicht auf die Wohnfläche, sondern auf die Nutzfläche eines Hauses. Das bedeutet, dass auch nicht geheizte Räume berücksichtigt werden. Das senkt den Durchschnittswert des Energieverbrauchs.

Clausnitzer hat ihn auf die Wohnfläche umgerechnet. Er geht dabei davon aus, dass die Objekte keine beheizten Keller haben. Eine weitere Annahme ist, dass es sich bei den Erdgasverbrauchsdaten um Heizwert-Daten handelt. Energieverluste des Wärmeerzeugers werden dabei herausgerechnet. Warmwasser sei nicht enthalten, so eine weitere Annahme. Er kommt dann umgerechnet auf die Wohnfläche auf einen Wert von 200 kWh/m2a.

Das entspricht auch den durchschnittlichen Endenergieverbrauchswerten, die die Dena bei der Auswertung von 1.000 Energieausweisen im Rahmen einer Studie erhoben hat. "Der Fehler, die 167 kWh/m2a versehentlich als Wohnflächenwert zu interpretieren (...) wird mit dafür verantwortlich sein, dass Simons die Bausubstanz als beeindruckend gut bewertet", so Clausnitzer.

Auch bei der Betrachtungsdauer hat Clausnitzer Einwände. Hier geht Simons von einer Nutzungsdauer von 15 Jahren aus. Im Mittel von Technik- und Wärmeschutzmaßnahmen sei aber ein Betrachtungszeitraum von 30 Jahren angemessen, sagt Clausnitzer.

Auch bei den Energiekosten hat er Einwände. Simons nimmt 8 Cent pro Kilowattstunde an. Das sei für Erdgas okay, stimme aber für das Heizöl, Fern- und Nahwärme oder gar Strom auf keinen Fall, sagt Clausnitzer. Heizöl ist vor allem in den Bestandsgebäuden im ländlichen Raum wichtig. Zirka ein Drittel der Heizungen insgesamt sind Heizöl-basiert.

Kritisch ist aus Sicht von Clausnitzer auch, dass Simons bei seinen Betrachtungen für die Rentabilität keinerlei Preissteigerungen bei Energie für die nächsten 15 Jahre ansetzt. Das "beflügelt Zweifel an der Neutralität der Studie", wird Clausnitzer deutlich.

Kritisch beurteilt der Bremer Experte auch die Berechnung der Kosten für die Sanierung. Dort würde nicht richtig gerechnet, der Verbrauch beziehe sich auf die Nutzfläche, das werde aber bei der Gegenüberstellung der Kosten nicht durchgehalten. Außerdem rechne Simons mit Vollkosten inklusive Instandhaltungsanteil und bezieht sich bei der Kalkulation "einfacher Maßnahmen" auf das Erreichen des Neubaustandards auf Basis der EnEV 2009. Außerdem werden bei der Kalkulation der Rentabilität, die Simons anstrengt, Fördergelder nicht berücksichtigt.

Auch mit der Definition, ob ein Bauteil seine Funktion noch erfüllt liegen die Experten auseinander. Auch andere Güter wie Telefone, Computer oder Reifen erfüllten ihre Funktion nicht erst dann nicht mehr, wenn sie komplett unbrauchbar seien. Das greife zu kurz. "Eine Wand kann durchaus noch tragfähig sein, aber sie erfüllt unter Umständen nicht mehr die heutigen Anforderungen an den Wärmeschutz", argumentiert Clausnitzer.

Auch zeige sich Simons bei der Bewertung von Heiztechnik "schlicht uninformiert", wird Clausnitzer deutlich. So rechnet er Heizwertkessel zu den hocheffizienten Technologien. Durch die Nutzung von Brennwertkesseln ergebe sich "locker eine Effizienzsteigerung von 15 Prozent."

Bei der Bewertung des Zustands der Fenster meldet Dena-Fachmann Stolte ähnliche Bedenken an und stellt die wohl nicht ganz erst gemeinte Frage, ob die Tatsache, dass 96 Prozent der Bewohner durch zwei Glasscheiben nach draußen schauen ein Beleg für die energetische Qualität der Fenster sei. Mehr als die Hälfte der Fenster seien alte Doppelkasten-, Verbund- und Isolierglasfenster, die vor 1995 installiert wurden. Die haben U-Werte von 2,7 bis 3 W/m2K gegenüber heute üblichen Werten von 0,8 bis 1,3 W/m2K.

Clausnitzers Fazit entspräche wohl in Schulnoten einem Mangelhaft: "Die Studie bereichert zwar die Debatte, kann aber aus den angeführten Gründen nicht als sachlich und fachlich richtige und wichtige Diskussionsgrundlage gelten." von Pia Grund-Ludwig

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