Heizung und Warmwasser
Quelle: Pia Grund-Ludwig

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"Play Type" und "TRUDI" erforschen Lagerstätten

Die tiefe Geothermie ist zurück

Eine heiße Quelle in der Toskana. Dort gibt es seit 1904 Erdwärmeheizungen. © T. Agemar/Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik

Durch den Klimavertrag von Paris und die damit verbundene Dekarbonisierung des Wärmesektors rückt die tiefe Geothermie wieder in den Blick. Die Forschung entwickelt neue Hilfen für ihre Nutzung und neue Projekte werden aus der Taufe gehoben: In Schwerin geht 2018 ein Geothermieprojekt der Stadtwerke ans Fernwärmenetz. Und auch an Rhein und Ruhr will man jetzt nach Thermalwasser bohren.

Mit dem Explorationsrisiko, einem der schwierigen Punkte bei der tiefen Geothermie, beschäftigt sich derzeit ein Forschungsprojekt des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik (LIAG). Erstmalig soll in dem Projekt eine Typisierung geothermischer Ressourcen nach dem Konzept "Fündigkeitstyp" (Play Type) erfolgen.

Das Vorhaben will geothermische Ressourcen am Beispiel von Oberrheingraben und Ostafrikanischem Graben, Norddeutschem Becken und Pariser Becken sowie Süddeutschem Molassebecken und amerikanischem Alberta Becken untersuchen und vergleichen.

"Der Begriff Play kommt eigentlich aus der Erdöl- und Erdgasindustrie und bezeichnet den Teil einer Lagerstätte, der mit einem konkreten Erkundungs- und Entwicklungsvorgang erschlossen wird", erklärt Franz Binot vom LIAG. "Zum Play gehören alle Informationen, die erforderlich sind, diesen Lagerstättenteil bis zur Förderung zu entwickeln. Dazu gehören auch Einschätzungen des Erfolgsrisikos."

"Nicht die Gewichtsklasse der Kohlenwasserstoff-Industrie"

Bei der tiefen und mitteltiefen Geothermie sei manches gut vergleichbar mit Prozessen in der Erdöl- und Erdgasindustrie, etwa die umfangreichen bergbaulichen Genehmigungsverfahren und die tiefen Bohrungen, fährt Binot fort.

Ein wesentlicher Unterschied liege in der Ökonomie: "Brutal vereinfacht kann man es am Energieinhalt der Produkte verständlich machen: Hat man einen Liter Öl gefördert und im Vergleich dazu einen Liter 100 Grad heißes Wasser, so hat die Öl-Seite des Vergleichs etwa zwölfmal mehr Energieinhalt als die Heißwasser-Seite. Die Kalkulationen der Geothermieseite müssen somit wesentlich knapper gehalten werden und schärfer sein als die der Kohlenwasserstoffseite", beschreibt Binot die Aufgabe.

Und es gebe noch einen anderen Unterschied: "Die Akteure in der Kohlenwasserstoff-Industrie sind richtig groß: Shell, Exxon, BP, Gasprom, Engie – dazu gehört unser Projektpartner Storengy – oder Wintershall, um mal eine deutsche Firma zu nennen, sind global aufgestellt. Die Akteure der Geothermie sind viele Nummern kleiner. Es sind Stadtwerke, Gemeinden, vielleicht mal ein größerer Industriebetrieb. Keinesfalls die Gewichtsklasse der Kohlenwasserstoff-Industrie", sagt Binot.

Frühzeitig Fehlbeurteilungen erkennen

Das, was deren globale Firmen mit ihrer großen Power für ihre Lagerstätten längst gemacht hätten, stehe für Geothermie-Plays mangels großer Akteure noch aus. "Wenn es jetzt mit öffentlichen Mitteln angegangen wird, so in der Hoffnung, dass frühzeitig Fehlbeurteilungen von Einzel-Plays erkannt werden und angemessene Entwicklungsempfehlungen gegeben werden können. Somit reduziert man Fehlgriffe und lenkt die Kapazitäten auf die erfolgversprechenden Zugriffe. Die Chancen auf Fündigkeit steigen dadurch", sagt Binot.

Jede vermiedene Fehlentscheidung also bringt ein Projekt näher an einen wirtschaftlichen Erfolg, um den die tiefe Geothermie offenbar immer kämpfen muss. Jedenfalls unter den aktuellen Rahmenbedingungen mit einem niedrigen Öl- und Gaspreis. Um dem Klimaschutz auch ökonomisch aufzuhelfen, hatte die Stern-Stiglitz-Kommission der größten 20 Industrienationen im Mai einen langfristigen CO2-Preis von bis zu 100 Dollar pro Tonne empfohlen – rund zwölfmal mehr als der aktuelle Preis im EU-Emissionshandel.

Ein Fünftel der Fernwärme aus Geothermie

Ohne Subventionen wäre das Geothermievorhaben in Schwerin nicht zu stemmen, sagt denn auch René Tilsen vom Unternehmensverbund der Stadtwerke Schwerin. Rund ein Drittel der Kosten in Höhe von 14,8 Millionen Euro, die wie bei allen Geothermieprojekten hauptsächlich für die Bohrungen anfallen, schießt die EU zu, berichtet Tilsen.

Im Schweriner Ortsteil Lankow wird 53 Grad Celsius heißes Wasser aus einer Tiefe von 1200 Meter nach oben gepumpt. Der Standort wurde gewählt, weil er sich in der Nähe des Heizkraftwerks befindet. Dort gibt das Thermalwasser seine Energie an einen Wärmetauscher ab und wird dann über eine Injektionsbohrung wieder in die gleiche Gesteinsschicht zurückgeführt. 20 Prozent des Bedarfs für die Fernwärme will die Landeshauptstadt so mit Geothermie decken. Für Schwerin sei das Projekt ein bedeutsamer Meilenstein auf dem Weg zur angestrebten CO2-Neutralität bis 2050, teilen die Stadtwerke mit.

GeotIS feiert zehnjähriges Jubiläum

Damit diese und andere Projekte eine gute Informationsgrundlage haben, pflegen das LIAG und die Staatlichen Geologischen Dienste Deutschlands das Informationssystem GeotIS. Zum zehnjährigen Jubiläum bekam GeotIS ein neues Layout mit neuen Funktionalitäten für mobile Endgeräte sowie zusätzliche Inhalte. Die Datensammlung ist heute auf den Untergrund in Deutschland und Oberösterreich ausgerichtet, weitere europäische Kooperationen sind angedacht.

TRUDI: Tief-runter-unter-die-Ruhr

Während die Stadt München für ihre ehrgeizigen Geothermiepläne bekannt ist – bis 2030 soll die Hälfte der Fernwärme durch Geothermie erneuerbar werden – steht die Rhein-Ruhr-Region noch ganz am Anfang. Für eine Umstellung der Fernwärmesysteme in der Region setzt das Internationale Geothermiezentrum in Bochum ebenfalls auf Tiefengeothermie.

Unter den Kohleschichten des Ruhrgebiets vermuten die Forscher in ähnlicher Tiefe thermalwasserführendes Gestein. "Allerdings: Vor der Hacke ist es duster", zitierte Geologe Rolf Bracke eine alte Bergmannsweisheit und meinte damit, dass bislang noch niemand versucht hat, unten dem Ruhrgebiet tiefere Gesteinsschichten als die Kohle zu erforschen.

Das möchte das Geothermiezentrum ändern. Das Bund-Länder-Projekt TRUDI (Tief-runter-unter-die-Ruhr) soll erproben, ob und wie die Erschließung der Tiefengeothermie im Ruhrgebiet möglich ist. Dazu sollen Forschungsbohrungen zunächst bis 1500 Meter Tiefe in den Untergrund gehen. Von dort aus sollen tiefergehende geophysikalische Untersuchungen der Gesteine bis 5000 Meter vorgenommen werden.

Leitfaden für den Projektverlauf

Wie man eine Tiefen-Geothermische Anlage von der Planung über die Fertigstellung bis zum Betrieb sicher betreibt, hat ein internationaler Arbeitskreis unter der Leitung des Karlsruher Instituts für Technologie in einem Leitfaden zusammengefasst. Auch die Bürgerbeteiligung, die erforderlichen Genehmigungen und der Naturschutz werden behandelt. Die Handreichung für alle direkt oder indirekt an einem Projekt Beteiligten will klar aufzeigen, wann welche Verfahrensschritte im Projektablauf erforderlich sind. von Susanne Ehlerding

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