Der Verband der Deutschen Holzwerkstoffindustrie (VHI) schlägt Alarm: In den vergangenen Wintermonaten hätten die Deutschen erstmals mehr Holz verbrannt als für Produkte verarbeitet.
80 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien stamme aus Holz – Tendenz steigend. Diese Entwicklung gefährde die nachhaltige Entwicklung des deutschen Waldes. Das will der VHI verhindern und macht gegen die Holzverbrennung mobil. "Längst lässt sich der Brennholzbedarf nicht mehr allein aus Sägeresten oder Altholz decken. Vielmehr wird Holz direkt aus dem Wald verheizt", klagt VHI-Geschäftsführer Peter Sauerwein, dem vor allem die staatliche Förderung der Holzverbrennung ein Dorn im Auge ist.
Gefördert wird die Holzverbrennung zum Beispiel durch das Marktanreizprogramm, das Investitionszuschüsse für Anlagen zur Verbrennung fester Biomasse enthält. 2009 wurden rund 101 Millionen Euro zur Förderung solcher Anlagen ausgezahlt. "Mit diesen Zuschüssen ebenso wie mit dem reduzierten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent für energetisch genutztes Holz forciert der Staat die Verknappung von Holz", beschwert sich Sauerwein, der den vorläufigen Stopp des Markanreizprogramms als Etappensieg feiert. "Das war eines unserer wichtigsten Ziele", betont Sauerwein gegenüber EnBauSa.de.
Holzwerkstoffindustrie freut sich über MAP-Stopp
Bereits seit Jahren spüre seine Branche, die vor allem Restholz, Durchforstungsholz und Holzabfälle wie Sägespäne verarbeitet, eine deutliche Verknappung des Rohstoffes: "Unsere Verbandsmitglieder holen das Holz inzwischen schon aus Übersee, wie übrigens auch die Zellstoff- und Pelletindustrie."
Dem widerspricht Martin Bentele, Geschäftsführer des Deutschen Energieholz- und Pellet-Verbandes (DEPV): "Deutschland ist Pellet-Exportland. Im ersten Quartal 2010 wurde hierzulande die Rekordmenge von 300.000 Tonnen Pellets produziert. Der Rohstoff steht ausreichend zur Verfügung." Allerdings werden tatsächlich nicht nur Sägespäne zu Pellets verarbeitet, sondern die Industrie holt sich das Holz direkt aus dem Wald. "Es werden Industrieholzkontingente aufgekauft. Das ist Holz, das nicht geschnitten werden kann", so Bentele im Gespräch mit EnBauSa. 2009 entfielen 30 Prozent der Pelletproduktion auf Industrieholz.
Für Sauerwein ist waldfrisches Industrieholz zu schade für den Ofen. "Bei Fichten wird in unseren Wäldern bereits mehr geschlagen als nachwächst", sagt er und verweist auf die jüngsten Studien des Bundesforschungsinstituts von Thünen, das regelmäßig eine Inventur des Waldbestandes durchführt, zuletzt 2008. "Die Fichten sind der Brotbaum unserer Industrie", so Sauerwein.
Tatsächlich übersteigt die Nutzung bei Fichten den Zuwachs um 32 Prozent. Allerdings nennt das von-Thünen-Institut neben der großen industriellen Nachfrage die besondere Gefährdung durch Sturmschäden und die aktuellen Waldbauprogramme als Ursache für diese Entwicklung. Denn die Entwicklung hin zu mehr Laubwald ist ökologisch gewollt. Insgesamt sieht das Institut die Entwicklung des deutschen Waldes positiv: Die Gesamtbilanz aus Holzvorrat, Holzzuwachs und Abgang zeige, dass 10 Prozent mehr Holz zugewachsen sei als ausgeschieden ist und der Holzvorrat um 2 Prozent zugenommen habe.
Holzvorrat nimmt geringfügig zu
Auch der Aussage des VHI, dass der Wald bei Bäumen bis 30 Zentimetern Stammdurchmesser bereits übernutzt ist, also mehr geerntet wird als nachwächst, mag Michael Welling, Pressesprecher des von-Thünen-Instituts nicht zustimmen. "Das muss man im zeitlichen Kontext sehen. Nach dem Krieg wurde sehr stark aufgeforstet. Der heute 60 Jahre alte Baumbestand wird dicker und geht in die nächste Kategorie über. Da die Aufforstung inzwischen jedoch auf ein normales Maß geschrumpft ist, nimmt der Bestand an Bäumen mit bis zu 30 Zentimetern Dicke ab", erklärt er.
Unbestritten ist aber, dass die Konkurrenz um den Rohstoff Holz zunimmt. "Die Förderung der Biomasseverbrennung durch das EEG gehört auf den Prüfstand, denn sie begünstigt eine bestimmte Gruppe und sorgt so für eine Wettbewerbsverzerrung", fordert daher auch VHI-Geschäftsführer Sauerwein und führt zudem die ökologischen Vorteile der stofflichen Holzverwertung an. "Holzprodukte wie Brücken, Möbel, Häuser speichern das schädliche Klimagas CO2 für ihre gesamte Lebensdauer. Ehe wir Holz endgültig entsorgen, sollten wir es so lange wie möglich im Wirtschaftssystem nutzen", macht er sich für das Prinzip der Kaskadennutzung stark.
Daniela Thrän vom Deutschen Biomasse-Forschungszentrum (DBFZ) in Leipzig sieht die scharfen Diskussionen um die Holzreserven vor dem Hintergrund der künftigen Entwicklung. Tatsächlich sei derzeit genügend Holz verfügbar, sagt sie. Bereits 2020 könnte jedoch der Zeitpunkt erreicht sein, an dem deutlich mehr gebraucht wird, als nachwächst. In dem aktuellen Zwischenbericht des Projektes "Biomasse-Konkurrenzen", an dem Thrän maßgeblich beteiligt ist, beziffert das DBFZ die Lücke zwischen Bedarf und verfügbarem Holzpotenzial im Jahr 2020 auf 290 Petajoule pro Jahr. Laut VHI entspricht das 30 Millionen Kubikmetern Holz.
Ursache für die Versorgungslücke beim Holz dürfte nicht zuletzt die Entwicklung neuer Technologien wie der Gewinnung von Gas in Form von Biomethan oder Kraftstoffen aus Holz sein. "Das heißt aber nicht, dass diese Entwicklungen nicht wünschenswert sind", stellt Thrän klar. Schließlich sei Holz ein hochwertiger Energieträger und im Gegensatz zur Wärmeerzeugung gebe es in der Kraftstoff-Erzeugung nicht allzu viele vielversprechende Alternativen.
Das sieht Martin Bentele vom DEPV anders. Für ihn ist bei der energetischen Nutzung von Holz die Effizienz entscheidend. "Kleine Einzelraumfeuerungsanlagen müssen heute schon eine Effizienz von weit über 90 Prozent aufweisen. Da kommt kein großes Biomasse-Heizkraftwerk heran", so Bentele, der sich durchaus vorstellen kann, sich im Kampf gegen diese Holz-Großverbraucher mit dem VHI zu verbünden.
Doch auch ohne die technischen Innovationen und Großanlagen steigt der Holzbedarf weiter und es wird 2020 eine Versorgungslücke geben. Das weiß auch die Bundesregierung, die eine mögliche Lösung im Rohstoff-Import sieht. Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, und Verbraucherschutz heißt es dazu: "Es trifft zu, dass die von der Bundesregierung gesteckten Ziele bei den erneuerbaren Energien nicht allein auf Basis heimischer Rohstoffe erreicht werden können. Schon jetzt werden erhebliche Mengen an nachwachsenden Rohstoffen oder Bioenergie importiert. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Importbedarf weiter zunimmt, wenn die Ziele der Bundesregierung erreicht werden sollen."
Kurzumtriebsplantage könnten Versorgungslücke schließen
Das Biomasseforschungsinstitut Leipzig führt als weitere Lösungsmöglichkeit die vermehrte Schaffung von Kurzumtriebsplantagen an, Flächen, auf denen schnell wachsendes Holz angebaut wird. "Flächen dafür sind da. Allerdings wird die Zahl der Kurzumtriebsplantagen so lange nicht zunehmen, wie die Landwirte weiterhin mit dem Geld verdienen können, was sie gut kennen", sagt Thrän. Hier müsse die Politik regulierend eingreifen.
Auch der VHI fordert die Politik in Sachen Kurzumtriebsplantagen zum Handeln auf: "Wer für 2019 einen Jahresbedarf von einer Million Tonnen Holz anmeldet, wie kürzlich im Raum Berlin für die größten Biomasseanlagen Deutschlands, der kann schon heute im eigenen Interesse für ausreichendes Brennholz sorgen, indem er so genannte Kurzumtriebsplantagen anlegt oder anlegen lässt", sagt der Vorsitzende des Verbands Hubertus Flötotto. Um die gesamte Deckungslücke zu schließen, müssten laut VHI jedoch deutschlandweit 1,3 Millionen Hektar Fläche in Kurzumtriebsplantagen umgewandelt werden, rund 7,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche.
Wissenschaftlerin Thrän kann den Wettbewerb um den knapper werdenden Rohstoff Holz nachvollziehen, sieht die Ergebnisse des Zwischenberichts über die "Biomasse-Konkurrenzen" aber nicht ganz so dramatisch. "Der Disput der einzelnen Marktteilnehmer zeigt, dass das Problem erkannt ist. Wir sagen aber nicht, dass kein Holz mehr verbrannt, oder bestimmte Technologien nicht weiter verfolgt werden sollten. Vielmehr macht unser Bericht deutlich, dass wir heute überlegen müssen, wie wir mit der Entwicklung umgehen. Heute müssen Lösungen gesucht und die Weichen gestellt werden." sth