Heizung und Warmwasser
Quelle: Pia Grund-Ludwig

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"Solarthermie steckt in einer strukturellen Krise"

Der Weg zu mehr solarer Wärme ist noch weit

Nahwärme macht Solarthermie in Dänemark billig. © Grund-Ludwig

Auf dem Solar Summit 2011 in Freiburg war eines der Schwerpunktthemen die solare Wärmeerzeugung.

2050 soll der Anteil der Niedertemperatur-Solarthermie nach dem Willen der Bundesregierung 50 Prozent an der Wärmeversorgung in Deutschland ausmachen. Der Weg dahin ist noch weit, die vergangenen Jahre waren bei der Solarthermie von einem ständigen Auf und Ab gekennzeichnet.

Die derzeitigen Absatzeinbrüche sind, so Werner Weiss vom österreichischen Institut AEE INTEC auf dem Solar Summit 2011 in Freiburg, Ausdruck einer strukturellen Krise. Es habe keine echte Lernkurve mit Preisreduktionen gegeben wie bei der PV. Die Preise für Fotovoltaik sind gesunken, die Systempreise für Solarthermie seien seit zehn Jahren stabil. Das habe zu einer deutlichen Konkurrenz um Dachflächen geführt, bei denen die Solarthermie verliere. Das gelte im übrigen vor allem für Europa, in anderen Ländern wie der Türkei oder China boome die solare Wärmeerzeugung.

"Wir müssen mit den Kosten runter", nennt auch Gerhard Stryi-Hipp, Solarthermie-Experte am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) einen der Faktoren, bei dem auch die Forschung derzeit ansetzen muss. Als einen Hebel nennt Stryi-Hipp andere Materalien. So hat sich Alu statt Kupfer bei den Absorbern bereits durchgesetzt, entsprechende Produkte wurden beispielsweise auf der Intersolar 2011 gezeigt und prämiert. Auch Stahl könnte hier verstärkt zum Einsatz kommen, so Michael Hermann vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme auf dem Solar Summit.

"Alu ist nicht nur für die Absorber, sondern auch für die Absorberröhrchen und im Solarkreislauf eine Möglichkeit", so Stryi-Hipp. "Der Materialwechsel ist kein Allheilmittel, warnt Klaus Vajen, Professor für Solar- und Anlagentechnik an der Universität Kassel: "Ich bin skeptisch, ob sich Alu so rasch auch bei den Rohren durchsetzt. Zum einen sind die Handwerker dessen Verarbeitung nicht gewohnt. Zum anderen gibt es noch technische Fragen, ob das Material wirklich rostfrei und chemisch stabil bleibt. Und nicht zuletzt reduzieren sich die Kostenvorteile des Materials, da es das Zubehör für die Anschlüsse noch nicht in Massenproduktion gibt."

Michael Hermann, Teamleiter Innovation und Modellierung im Bereich Solarthermie beim Fraunhofer ISE stellte auf dem Solar Summit erste Pläne für ein Forschungsvorhaben mit neuen Absorbermaterialien vor, das im Frühjahr 2012 starten soll. Darin geht es um Versuche, Ultraleichtbeton für Solarkollektoren zu verwenden. In Fassaden könnten diese Elemente auch Funktionen einer tragenden Wand erfüllen. Das sei aber noch Basisarbeit, betont Hermann. Im ersten Projekt gehe es darum herauszufinden, ob sich mit dem Material durchströmbare Bauteile herstellen lassen, so Hermann. Wie das funktionieren kann ist offen, ein Ansatz ist die Verwendung von 3-D-Textilien bei der Herstellung der Formen.

In der Sanierung könnten multifunktionale Fassaden ein Mittel der Wahl sein, um unterschiedliche Funktionen zu kombinieren und dadurch die Gesamtkosten zu reduzieren. Dabei müsse man auch wegkommen von den klassischen Materalien, sagt Stryi-Hipp, denn an Privathäusern werde es keine Glasfassaden geben. So hat Enerconcept solarthermische Industriefassaden mit Polycarbonat-Abdeckung entwickelt, die in allen RAL-Farben und nicht nur im klassischen Solarthermie-Schwarz zu haben ist. Das erfordert jedoch Kompromiss zwischen Design und Ertrag.

Mit einem anderen Ansatz arbeitet Enersearch. Das Unternehmen hat ein System entwickelt, das Lüftung und die Nutzung solarer Wärmegewinne kombiniert. Es beinhaltet Kollektor, Lüftung und Dämmung, die Kollektoren sind putzbeschichtet. Ventilatoren sorgen für den Abtransport der Wärme und sind sensorgesteuert. Luftfeuchtigkeit und Temperaturunterschiede zwischen innen und außen sind wesentliche Parameter. Das Besondere daran ist die Ausführung mit Putzstruktur und die einfache Verarbeitung. Das System kann bei der Gestaltung der Fassade von Malern und Stukkateuren verbaut werden.

Die Multifunktionalität solcher Ideen soll die Kosten senken. Doch aus Vajens Sicht sind gar nicht die Preise für die Kollektoren das Hemmnis bei der Durchdringung des Markts: "Für entscheidend halte ich nicht die Frage, wie die Hersteller die Kosten senken können. Die haben viel getan und trotz steigender Rohstoffpreise die Preise für die Kollektoren sogar eher gesenkt. Ein großes Problem ist, dass bei anderen Akteuren, insbesondere den Handwerkern, über Rabatte sehr viel hängen bleibt", beobachtet er.

Werner Weiss vom österreichischen AAE-Institut für Nachhaltige Technologien sieht das ähnlich: "Preissenkungen wurden nicht an die Kunden weiter gegeben." Auch eine nicht zielführende Förderung sieht er im Moment als Hemmnis. Er schlägt vor, in Zukunft nicht mehr wie bislang meist üblich über Quadratmeter installierter Kollektorfläche zu fördern, sondern nach den Leistungsdaten des Systems. Und es müsse mehr schlüsselfertige Lösungen geben. 

Als weiterer Hoffnungsträger für Preisreduktionen gilt Kunststoff bei den solarthermischen Kollektoren. Das österreichische Unternehmen Sunlumo hat vor kurzem angekündigt, gemeinsam mit einem europäischen Maschinenbauer eine vollautomatische Produktionsanlage für Kunststoffkollektoren zu erstellen. "Erstmals werden Solar-Kollektoren für den Volumenmarkt zu 100 Prozent aus Kunststoff hergestellt", verspricht Geschäftsführer Robert Buchinger.

Adressaten des Kollektors sind Entwicklungsländer. Ein Kollektor aus Kunststoff soll leichter und somit einfacher zu montieren sein. "Wir rechnen mit einer Preisreduktion von bis zu 50 Prozent im Vergleich zu einem herkömmlichen Flachkollektor", betont Robert Buchinger. Besonders viel, etwa zu den Materialien, verrät er derzeit nicht.

Es gibt zwei Alternativen: Standardkunststoffe zu verwenden und die Kollektoren dann bei zu großer Hitze abzuschalten. Dann sind die Werkstoffe billig, aber der Ertrag womöglich gering. Die zweite Variante sind teure Spezialkunststoffe die hitzebeständiger sind. "Für den Kollektor wird ein optimierter Materialmix aus verschiedenen Kunststoffen verwendet", erklärte das Unternehmen auf Nachfrage, will aber nicht konkreter werden. Man brauche noch zirka eineinhalb Jahre bis zur Marktreife, so Buchinger.

Ob das realistisch ist, ist fraglich. "Ich habe durchaus Zweifel, wenn jemand heute sagt, er könne Kunststoffkollektoren in Serie fertigen. Spezialkunststoffe sind zu teuer, bei Standardkunststoffen gibt es das Problem der Stagnation", meint etwa Klaus Vajen. Auch Werner Weiss ist skeptisch. Für ihn ist aber der Ansatz richtig, zunächst Entwicklungs- und Schwellenländer mit Kunststoffkollektoren auf Thermosiphon-Basis zu adressieren. So sei es möglich, schnell auf große Stückzahlen zu kommen und Produktionsanlagen auszulasten.

Bei Kunststoffkollektoren sind die Anlagen ein entscheidender Kostenfaktor, das Material selbst ist relativ billig. Thermosiphon-Lösungen nutzen die unterschiedliche Dichte des Wassers bei verschiedenen Temperaturen und kommen ohne Pumpen und teilweise auch ohne Wärmetauscher aus.

Weiss verwies zudem auf die Kostenvorteile, die große Solarfelder haben, die in Nahwärmenetze einspeisen. In Österreich würden damit Wärmepreise zwischen 6 und 8 Cent erzielt. Auch in Dänemark sind diese üblich, die Wärmekosten liegen bei 4 Cent pro Kilowattstunde Wärme. Man sei derzeit bei einem Anteil von einem Prozent von solarer Wärme und wolle bis 2030 15 Prozent erreichen, berichtete Jan Erik Nielsen von Plan Energi auf dem Solar Summit. Dabei setzt das Land auf sehr billige Systeme, deren Kosten bei 200 Euro pro Quadratmeter für Kollektorfelder liegen. Mit einer Fläche von 19.000 m² steht einer der größten solarthermischen Anlagen im dänischen Marstal, sie versorgt die Kommune derzeit zu einem Drittel. Entscheidend ist aus Sicht von Nielsen dabei die kluge Kombination unterschiedlicher Wärmeerzeuger. "Durch eine Kombination wird bei uns ein Anteil von 50 Prozent bei Erneuerbaren möglich ohne höhere Preise", verspricht er. 

von unserer Redakteurin Pia Grund-Ludwig

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