Ende Februar 2012 hat der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) des Europäischen Parlaments sich nach langer Diskussion des Gesetzentwurfes der EU-Kommission auf zahlreiche Änderungen des Textes für die Energieeffizienzrichtlinie geeinigt. Nun geht das europäische Gesetzgebungsverfahren in die nächste Runde: am 11. April beginnen in Brüssel die Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Rat über die Energieeffizienzrichtlinie. Ob es tatsächlich zu einer Einigung noch während der dänischen Ratspräsidentschaft, also bis Ende Juni kommt, ist überaus fraglich.
Zu den Mitgliedsstaaten, die die ambitionierten Vorgaben der Richtlinie blockieren, gehört nicht zuletzt Deutschland. "Ganz Europa staunt darüber, dass ein Land, dessen Kanzlerin 2007 das 20-Prozent-Ziel politisch durchgesetzt hat, nun wo dieses Ziel konkret umgesetzt werden soll keine Position bezieht und den Prozess dadurch bremst. Frau Merkel macht sich lächerlich", findet Claude Turmes klare Worte. Der Europaabgeordnete der europäischen Grünen ist im Industrieausschuss der Berichterstatter für die Energieeffizienzrichtlinie.
Das europäische Gesetzgebungsverfahren sieht vor, dass zunächst die EU-Kommission einen Vorschlag für den Gesetzestext erarbeitet, der dann vom zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlaments überarbeitet und anschließend im Parlament verabschiedet wird. Die verabschiedete Version wird dann dem Ministerrat übermittelt. Lehnt dieser den Voschlag ab, kommt es zu Änderungen und einer zweiten Lesung im Parlament. Findet auch der zweite Vorschlag nicht die Zustimmung des Rats der einzelnen Mitgliedsstaaten geht es in ein Vermittlungsverfahren. Kommt es dann auch nach der dritten Lesung im Parlament nicht zu einer Einigung, ist das Gesetzesvorhaben vom Tisch.
Darüber, dass das im Falle der Energieeffizienzrichtlinie auf keinen Fall passieren darf, sind sich alle Beteiligten einig. "Die Energieeffizienzrichtlinie ist eines der wichtigsten Gesetzesvorhaben der EU", so der Tenor in Brüssel. Außerdem drängt die Zeit. Deshalb hat sich der Industrieausschuss entschlossen, im Fall der Energieeffizienzrichtlinie schon vor der ersten Lesung im Parlament in die Verhandlungen mit dem Rat und der EU-Kommission einzusteigen. Dieser Trilog hinter den Kulissen soll das Verfahren beschleunigen. Ziel ist, dem Parlament bereits in der ersten Lesung einen Gesetzestext vorzulegen, der große Chancen hat, anschließend auch tatsächlich den Ministerrat zu passieren, so dass die Energieeffizienzrichtlinie schon 2013 in Kraft treten kann.
Umstritten sind vor allem die Artikel 4 und 6 der Richtlinie. Vor allem bei Artikel 4, in dem es um die Sanierungspflicht für öffentliche Gebäude geht, hat sich der Industrieausschuss vorgenommen, hart zu bleiben. "Hier liegt ein sehr großes Einsparpotenzial", sagt Turmes. Der Vorschlag des Parlaments sieht vor, dass die Mitgliedsstatten jährlich 2,5 Prozent aller öffentlichen Gebäude mit einer Nutzfläche von mehr als 250 Quadratmetern renovieren müssen. In Artikel 6 geht es um die Endenergieverkäufe der Energieversorger. Sie sollen jährlich um 1,5 Prozent reduziert werden. Ausgenommen von der Regelung ist dabei der Verkehrssektor. Das geht beispielsweise Frankreich zu weit. Die Französische Regierung möchte, dass auch die Energieverkäufe an die Industrie von dieser Regelung ausgenommen werden.
Dem im Industrieausschuss des Europäischen Parlaments verabschiedeten Vorschlag zufolge können die Regierungen von den starren EU-Vorgaben bei Energieumsätzen oder Gebäuderenovierungen abweichen, wenn sie sich gemeinsam auf verbindliche Ziele für die einzelnen Staaten einigen. Diese müssen zusammen dazu führen, dass das Gesamtziel von 20 Prozent mehr Energieeffizienz bis 2020 erreicht werden kann. Wichtig ist dem Ausschuss aber in jedem Fall ein verpflichtendes Element. "Die Energieeffizienzrichtlinie braucht ein verpflichtendes Element - egal ob es nun verbindliche Ziele oder verbindliche Maßnahmen sind", erläutert EU-Parlamentarierin und Industrieausschuss-Miglied Fiona Hall aus Großbritannien. Sie weist auch auf die erheblichen wirtschaftlichen Sachzwänge hin: "Wenn wir nicht Energie sparen, müssen wir für deutlich mehr Infrastruktur zahlen als wir eigentlich brauchen." Berichterstatter Claude Turmes richtet sich auf harte Verhandlungen ein, zumal kurz vor Ostern bekannt geworden ist, dass auch die dänische Ratspräsidentschaft mit der Forderung nach einem stark abgeschwächten Gesetzestext in die Verhandlungen gehen wird.
Laut dem Umweltinformationsdienst ENDS Europe haben die EU-Botschafter der Mitgliedsstaaten ein entsprechendes Kompromisspapier im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) abgesegnet. Vor allem Artikel 6 der Richtlinie, der einen Effizienzauftrag von jährlich 1,5 Prozent an die Energieversorger vergibt, wird in dem Papier abgeschwächt und soll erst ab 2018 voll gelten. Eine solche Regelung würde aber nur ein Drittel der von der EU angestrebten 20 Prozent mehr Energieeffizienz bis 2020 ermöglichen.
Auch bei der Gebäudesanierung fällt der dänische Kompromissvorschlag auf alte Positionen des Rates zurück, berichtet ENDS. Der Rat setzte sich nun dafür ein, dass die jährliche Sanierungsquote von drei Prozent ausschließlich für Regierungsgebäude gilt. Darüber hinaus will der Rat Unternehmen, die im Emissionshandel registriert sind, von den Effizienzverpflichtungen ausnehmen.
Von unserer Redakteurin Silke Thole