Der Steckbrief soll potenzielle Mieter über die energetischen Kennwerte des Gebäudes informieren – und zeigen, mit welchen Energiekosten sie rechnen müssen. Wie viele Energieausweise in diesen Wochen genau auslaufen, dazu hat die zuständige Deutsche Energie-Agentur (Dena) keine Zahlen. Doch zahlreiche Energieberater vermelden bereits eine höhere Nachfrage, erklärt der Bundesverband der Energieberater (GIH).
Wer einen neuen Ausweis braucht, sollte wissen, dass Ausweis nicht gleich Ausweis ist. Es gibt es zwei verschiedene Arten mit jeweils eigenen Kriterien und unterschiedlicher Aussagekraft. Der sogenannte Bedarfsausweis liefert lediglich den theoretischen Energiebedarf eines Gebäudes. Ein Fachmann berechnet diesen Bedarf anhand der Bausubstanz und Anlagentechnik – entsprechend aufwändig ist die Erstellung. Mit dem Ergebnis sollen Bewohner einschätzen können, wie viel Energie für Heizung, Lüftung, Klimaanlage und Warmwasser bei durchschnittlicher Nutzung anfällt. Dem sogenannten Verbrauchsausweis liegt hingegen der tatsächliche Verbrauch eines Hauses zugrunde. Für die Berechnung wird der durchschnittliche Energieverbrauch der vergangenen drei Jahre herangezogen, etwa anhand der Heizkostenabrechnungen. Bei beiden Arten ist die Aussagekraft umstritten.
Verbrauchsausweis nicht schlechter als Bedarfsausweis
Tatsächlich kam bereits im Jahr 2011 eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu einem ernüchternden Ergebnis: In einem Stichprobentest stellten lediglich 29 Prozent der geprüften Bedarfsausweise den Energiebedarf annähernd zutreffend dar. Bei Verbrauchsausweisen waren es immerhin gut zwei Drittel, die innerhalb der zulässigen Toleranz von fünf Prozent lagen. Die Studie widersprach damit auch der damals vorherrschenden Auffassung, dass der Verbrauchsausweis deutlich schlechter sei als der Bedarfsausweis.
Bis heute zweifeln Verbraucherschützer, Energieberater und Immobilienbranche gleichermaßen an der Aussagekraft der Ausweise. "Die Angaben in den Energieausweisen können von den Mietern nicht gewertet werden", heißt es etwa vom Verband der Wohnungseigentümer Haus&Grund. Vor allem sei oft nicht erkennbar, welche Heizkosten dem Mieter entstehen. So sei der individuelle Verbrauch in einer Wohnung entscheidend abhängig von der Lage innerhalb des Gebäudes – ob Nord- oder Südseite, innen oder außen. Zudem kritisiert der Verband die Gebäudenutzfläche als Bezugsgröße für die Berechnung. Diese ist nämlich nicht identisch mit der Wohnfläche.
Den Energieberatern ist vor allem der Verbrauchsausweis ein Dorn im Auge. Mittlerweile bieten nämlich zahlreiche Online-Plattformen die Erstellung innerhalb weniger Minuten und schon ab 20 Euro an – zulasten der Qualität, behauptet der GIH. Die Internetanbieter würden oft keine Begehung vor Ort machen, stattdessen vertrauen sie bei Angaben etwa zur Dämmstärke den Eigentümern. Deshalb seien Verbrauchsausweise sachlich oft falsch. "Mit diesen Dumping-Preisen können die meisten Energieberaterbüros nicht mithalten", heißt es vom GIH. In der Regel müssen Auftraggeber mit Kosten von gut 100 Euro für einen Verbrauchs- und von bis zu 500 Euro für einen Bedarfsausweis rechnen.
Energieberater fordern mehr Kontrollen
Den Energieausweis dürfen nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) nur Personen mit besonderen Aus- oder Weiterbildungen sowie Berufspraxis ausstellen – also Ingenieure, Architekten oder Handwerker. Beim Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (BAFA), der KfW-Bankengruppe oder der Dena finden Eigentümer eine Liste mit unabhängigen Fachleuten. Es fehlt jedoch ein amtliches Zertifikat der Zulassung. Daher müssen sich Auftraggeber auf die Aussage des Ausstellers verlassen. Wer Energieausweise ohne Berechtigung ausstellt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 15.000 Euro bestraft werden kann.
Die Energieberater kritisieren hier seit Jahren mangelnde Kontrollen. Da für Baurecht die einzelnen Länder zuständig sind, obliegt auch ihnen die Überprüfung. Einzelne Bundesländer sind aber personell schlecht aufgestellt, wie eine aktuelle Arbeit des GIH zeigt. Die EnEV-Kontrollstelle in Mecklenburg-Vorpommern ist demnach nur mit einer Fünftel-Personalstelle ausgestattet, in Baden-Württemberg sei nur ein Bruchteil der Ausweise überprüft worden. Zudem beklagen die Energieberater, dass sich Immobilienverkäufer und -vermieter häufig nicht an ihre gesetzliche Pflicht zur Vorlage halten würden.
Die Immobilienbranche widerspricht: "Die Vorlage eines Energieausweises ist für unsere Unternehmen ein geübtes Standardprozedere", sagt Ingrid Vogler, Leiterin Energie und Technik beim Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). "Allerdings stellen wir in Gesprächen mit unseren Wohnungsunternehmen immer wieder fest, dass so gut wie kein Mietinteressent am vorgelegten oder übergebenen Energieausweis interessiert ist."
Die GdW-Mitglieder stehen, was die Sanierungsquote angeht, vergleichsweise gut da. Seit 1990 wurden dem Verband zufolge bereits rund 69 Prozent der Wohnungen von Verbandsmitgliedern energetisch saniert – mehr als die Hälfte davon komplett, also inklusive Wärmedämmung. Der GdW repräsentiert immerhin 30 Prozent des deutschen Mietwohnungsbestandes. Besonders hoch ist der Modernisierungsgrad demnach in den neuen Bundesländern. Hier ist bereits mehr als die Hälfte der Gebäude vollständig energetisch saniert, ein weiteres Drittel immerhin teilsaniert. Die alten Länder hinken jedoch hinterher. Hier ist nur rund jede vierte Wohnung energetisch vollsaniert, gut ein weiteres Viertel immerhin teilmodernisiert.
Über den gesamten Wohnungsbestand hinweg dürfte der Sanierungsgrad geringer sein, wie eine Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Demnach wechselten zwischen den Jahren 2007 und 2013 jedes Jahr zwar fast 250 000 Wohnungen der Baujahre 1949 bis 1971 den Besitzer. Davon wurden anschließend aber nur rund 13,5 Prozent saniert. Bei Gebäuden, die in den Achtzigern und Neunzigern errichtet worden sind, ist die Modernisierungsquote nochmals deutlich geringer gewesen. Hier könnten Energieausweise durchaus Hinweise auf einen vergleichsweise hohen Energiebedarf geben.
Die Wahl zwischen Verbrauchs- und Bedarfsausweis haben Eigentümer übrigens nur, wenn ihr Haus nach 1977 errichtet oder seitdem energetisch saniert worden ist, beziehungsweise mehr als vier Wohneinheiten hat. Der Grund für das Größenlimit ist einfach: In kleineren Gebäuden beeinflusst das individuelle Heizverhalten den Gesamtenergieverbrauch deutlich stärker als in Anlagen mit vielen Wohneinheiten. Wird ein Haus neu gebaut, enthält es vier oder weniger Wohneinheiten oder wurde vor dem Jahr 1977 gebaut und seither nicht energetisch saniert muss zwangsläufig ein Bedarfsausweis her. von Laurin Meyer