Die Wohnanlage Am Pfarrtor in Renningen vor den Toren Stuttgarts ist ein typisches Beispiel für den Sanierungsstau in Wohnungseigentümergemeinschaften: Mehrere Mehrfamilienhäuser in Betonbauweise, 1971 erbaut und seitdem einmal gestrichen. Die dringend notwendige Fassadensanierung scheiterte aber über Jahre hinweg an den Querelen zwischen den Eigentümern und an mehreren Verwaltern. Die Folge: Es entwickelte sich eine Abwärtsspirale und die Immobilie drohte sozial abzurutschen. 2013 werden die Häuser mit Hilfe eines zinsvergünstigten Kredits von der KfW energetisch saniert.
Ins Rollen kam die Sanierung – wie so häufig – mit einem Verwalterwechsel. "Als wir die Verwaltung 2011 übernommen haben, war der Gemeinschaft bereits klar, dass nun etwas passieren musste", sagt Ute Hienerwadel, Prokuristin bei der Hausverwaltung Dieter Kuhn Immobilienservice. Bereits 2005 hatten die Eigentümer die Instandhaltungsrücklage erhöht, mit dem Ziel, im Jahr 2008 die Fassade sanieren zu lassen. Auf Grund von Konflikten zwischen dem Verwaltungsbeirat und dem ehemaligen Verwalter und mehreren Verwalterwechseln wurde daraus aber nichts.
"Aus damaliger Sicht ein Fluch, aus heutiger Sicht ein Segen", sagt der heutige Verwaltungsbeirat Dieter Hiemer. Denn damals wäre die Fassade nur ausgebessert und gestrichen worden, jetzt wird sie mit einem mineralischem Wärmedämmverbundsystem gedämmt. "Wir sind sehr langsam und behutsam vorgegangen, so dass alle Eigentümer verstanden haben, um was es geht und was alles saniert werden soll", erklärt Ute Hienerwadel. "Sicher gab es anfänglich Gegenstimmen, aber der Beschluss zur Erstellung eines Sanierungskonzeptes war einstimmig."
Der so entstandene Untersuchungsbericht listete alle Mängel der Wohnanlage auf: Verschmutzungen und Risse an den Fassaden, schlechter Dämmzustand der Außenwände, Wärmebrücken an Deckenstirnen, Heizkörpern, Mörtelfugen und Balkonkragen, Beton- und Korrosionsschäden an den Balkonen, undichte Flachdächer und veraltete Holzfenster. Die Heizanlage war bereits im Jahr 2010 erneuert worden.
Für die Sanierung schlug das Ingenieurbüro Reiner Obermeyer drei verschiedene Varianten vor: A: Die einfache Reparatur für 1,8 Millionen Euro. B: Eine Fassadensanierung mit Wärmedämmung für rund 3 Millionen Euro. C: Die Sanierung mit Wärmedämmung plus Einbau einer kontrollierten Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung für knapp 4 Millionen Euro. Erwartetes Energieeinsparpotenzial bei Variante B etwa 25 Prozent, bei Variante C etwa 50 Prozent. Eine Erneuerung der Heizanlage war im Sanierungskonzept nicht vorgesehen.
"Nach der Präsentation des Sanierungskonzeptes gingen die Diskussionen los", erinnert sich Verwaltungsbeirat Dieter Hiemer. "Aber das Konzept wurde sehr gut vorgestellt und es gab genügend Bedenkzeit." Mit Erfolg: Die Beschlussfassung zur Ausschreibung der Sanierung im Mai 2012 erfolgte ebenfalls einstimmig, beim endgültigen Beschluss zur Sanierung gab es neun Gegenstimmen von 109 Stimmberechtigten.
"Die größten Diskussionen wurden über das Farbkonzept geführt", sagt Verwalterin Hienerwadel. "Im Vorfeld der Entscheidung haben die Eigentümer gemeinsam mit mir ein Gremium gebildet und acht Farbvarianten erarbeitet. Aus diesen acht Vorschlägen wurden vier zur Versammlung ausgewählt, eine Eigentümerin hat ihren eigenen Vorschlag vorgestellt. Die Entscheidung erfolgte dann letztlich aber einstimmig.
Nicht wirklich einigen konnten sich die Eigentümer dagegen beim Thema Lüftungsanlage. Vom Ingenieur vorgeschlagen wurde ein Lüftungssystem der Firma Enersearch SunAir. Das System funktioniert mit Luftkollektoren, die in die Wärmedämmung der Außenwand eingelassen werden. Sie wärmen durch Sonnenenergie die frische Außenluft zur Belüftung der Wohnräume vor. Lüftungskanäle im Gebäudeinneren sind nicht notwendig.
Proukuristin Ute Hienerwadel: "Die Beschlussfassung zur Be- und Entlüftung war etwas kompliziert. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist in 10 Untergruppen (Häuser) unterteilt und die Beschlusskompetenz dafür liegt in den einzelnen Häusern. Nun bekommen sechs Häuser die Lüftungsanlage. Die anderen vier haben beschlossen, dass jeder Eigentümer, der das möchte, auf eigene Kosten eine Lüftungsanlage einbauen lassen darf."
Begünstigt wurde die insgesamt breite Zustimmung zur Sanierung durch das Kreditprogramm für Wohnungseigentümergemeinschaften, das die L-Bank im Jahr 2012 eingeführt hat und in dem sie den zinsvergünstigten KfW-Kredit zusätzlich verbilligt. "Die Zinsverbilligung auf null Prozent hat die letzten Bedenkenträger überzeugt", meint Hiemer. Etwas über 3 Millionen finanziert die Gemeinschaft nun über den Darlehen, die restliche Million bestreitet sie aus Rücklagen. "Gut für uns war auch, dass die Gemeinschaft das Darlehen gemeinsam aufnehmen konnte und nicht jeder einzeln den Kredit beantragen musste", sagt Verwaltungsbeirat Hiemer. "Das hätte sehr zäh werden können".
Auch Rüdiger Ruhnow, Bereichsleiter der L-Bank, ist zufrieden: "Die Zusammenarbeit lief und läuft ausgesprochen gut. Der Verwalter hatte bereits vor der Antragstellung Kontakt mit uns aufgenommen. Bei der beschlussfassenden Eigentümerversammlung war ein Mitarbeiter von uns dabei und hat alle Fragen rund um den Kredit beantwortet." 10 Jahre lang tilgt die Gemeinschaft nun den Kredit, danach ist sie schuldenfrei.
Seit April laufen die Bauarbeiten, inzwischen sind die ersten Häuser nahezu fertiggestellt. "Natürlich gab und gibt es in der Bauphase immer wieder Schwierigkeiten, aber jetzt wo die ersten Ergebnisse zu sehen sind, verstummen sicher auch bald die letzten Kritiker", sagt Hiemer. "Wir hoffen auf eine Energieersparnis von bis zu 30 Prozent. Ob das eintrifft, werden die nächsten Jahre zeigen."
Die Energieeinsparung ist nicht der einzige positive Effekt, den die Eigentümer im Blick haben. Hinzu kommen eine gestiegene Wohnqualität und nicht zuletzt eine generelle Aufwertung der Immobilie. "Wir erwarten nach der Sanierung eine deutliche Wertsteigerung", sagt Verwalterin Hienerwadel. von Alrun Jappe