Beratungen in Brüssel beginnen

Richtlinie für Gebäudeeffizienz ist auf dem Weg

Verspielte Skulpturen stehen vor dem Barlaymont-Gebäude, dem Sitz der mächtigen Europäischen Kommission in Brüssel. © Ehlerding

In Brüssel beginnen dieser Tage die Verhandlungen über die Neufassung der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat bereits eine 50-seitige Stellungnahme zum Vorschlag der EU-Kommission abgegeben. Maßgeblich aber sind die Beschlüsse des federführenden Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE).

Bei der ITRE-Sitzung am 11.Oktober soll der Kompromiss vorgestellt werden, den der zuständige Berichterstatter Bendt Bendtsen aus Dänemark mit den Schattenberichterstattern, den Vertretern der Parlamentsfraktionen, ausgehandelt haben soll. Offiziell bestätigt ist das aber noch nicht. Einige Passagen der Urfassung der EU-Kommission sollen jedoch noch etwas verstärkt worden sein.

Folgende Maßnahmen stehen im bekannten Entwurf der Richtlinie:

  • Die Mitgliedsstaaten werden die Finanzierung von Gebäudesanierungen mit intelligenten Finanzierungsinstrumenten unterstützen.
  • Es werden langfristige Strategien für die Sanierung des Gebäudestandes aufgestellt, die inhaltlich eng mit den nationalen Energie und Klimaplänen zusammenhängen, die laut der neuen Governance-Richtlinie aufgestellt werden müssen. Diese befindet sich ebenfalls gerade im parlamentarischen Prozess. Diese Strategien sollen auch die Energiearmut reduzieren.
  • Neubauten müssen gewisse Standards für den Energieverbrauch erfüllen und es soll klare Anforderungen für die Machbarkeitsstudien geben, die vor der Auftragserteilung für einen Neubau erstellt werden.
  • Eine Ladeinfrastruktur für Elektromobile muss in neuen Nicht-Wohngebäuden und in Betandsbauten installiert werden, die grungelegend saniert werden, wenn sie mehr als zehn Parkplätze haben. Jeder zehnte Parkplatz muss dann eine Ladeeinrichtung haben. Ab 2025 gilt das dann auch für alle Nicht-Wohngebäude. Die Mitgliedsstaaten dürfen aber Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen machen.
  • Es wird ein Intelligenzindikator geschaffen, der anzeigt, wie weit ein Gebäude Energie speichern, seinen Verbrauch an das Dargebot von Energie anpassen kann und in Quartiere sinnvoll eingebunden ist. Dieser Indikator wird neuen Mietern zusammen mit dem Energieverbrauch mitgeteil.
  • Die Mitgliedsstaaten sollen neue finanzielle Instrumente entwickeln, mit denen Energieeffizienz belohnt wird.
  • Für öffentliche Gebäude soll es mehr Transparenz beim Energieverbrauch geben, indem eine Datenbank für alle Stockwerke angelegt wird, die regelmäßig frequentiert werden und die größer als 250 Quadratmeter sind.
  • Es soll genauere Vorschriften für die regelmäßige Kontrolle von Heizungen und Klimaanlagen geben.
  • Nichtwohngebäude mit einem jährlichen Primärenergieverbrauch von mehr als 250 Megawattstunden sollen mit Systemen für die Gebäudeautomatisierung und -steuerung ausgerüstet werden.
  • Die Initiative "Intelligente Finanzierung für intelligente Gebäude" soll zur Mobilisierung privater und öffentlicher Investitionen beitragen. Die Mittel sollen aus dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen und dem Europäischen Struktur- und Investitionsfonds kommen.
  • Über allem steht das Leitmotiv des ganzen Winterpakets: Energieeffizienz an erster Stelle.

Der Umweltausschuss hatte in seiner Stellungnahme vom 19. September besonderen Wert gelegt auf eine gesunde Wohnumgebung und den Ausbau der Elektromobilität: Nicht jeder zehnte, sondern jeder dritte Parkplatz in neuen Gebäuden soll nach Ansicht des Ausschusses einen Ladepunkt haben. Außerdem wurde ein Paragraph zum hydraulischen Abgleich ergänzt.

Nach der Abstimmung im ITRE muss das Parlament dann dessen Version zustimmen. Danach werden weitere Verhandlungen zwischen dem Parlament, dem Energieministerrat und der Kommission über die Richtlinie folgen. Die Verhandlungen werden voraussichtlich im November oder Dezember beginnen.

Die erste Gebäudeenergierichtlinie stammt aus dem Jahr 2002 und wurde 2010 novelliert. Der Energieausweis für Gebäude und das Leitbild des nearly Zero-Energy Building (nZEB) stammt aus dieser zweiten Fassung.

Die Neuauflage der Richtlinie ist Teil eines Pakets von insgesamt acht Verordnungen und Richtlinien, das bis 2018 verabschiedet sein soll. Denn 2019 finden wieder Wahlen zum Europaparlament statt. Alle Gesetzesvorhaben, die bis dahin nicht beschlossen sind, verfallen. Nach Inkrafttreten der Richtlinie hätten die Mitgliedsstaaten ein Jahr Zeit zur Umsetzung in nationales Recht

Dabei gibt es gewisse Spielräume. In Deutschland wird bereits seit längerem darüber gestritten, was unter einem "nearly Zero Energy Building" zu verstehen ist. Es ist das Leitbild für die Bestimmungen in der Richtlinie. Die Grünen und die Linke verstehen darunter ein KfW-40-Gebäude (40 Prozent des Energieverbrauchs der aktuellen Energieeinsparverordnung). Die SPD hat sich in einer Antwort auf die Wahlprüfsteine des TGA-Repräsentanz Berlin für die nicht so weitgehende Variante eines KfW-55-Gebäudes ausgeprochen.

Die Deutsche ‎ Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) schaut genau auf die Entwicklung in Brüssel. Auf Anfrage sagte Henning Ellermann, Experte für Energieeffizienz in Gebäuden bei der Deneff: "Die Unternehmen der Energieeffizienzbranche würden es begrüßen, wenn es bald Planungssicherheit gibt und sich die EU-Gebäudepolitik auch weiterhin am Leitbild eines Gebäudes mit einem Energiebedarf nahe Null ausrichtet."

Es gibt aber auch Befürchtungen, von den Anfordernissen der Richtlinie überfordert zu werden: "Eine kontinuierliche Verschärfung der Standards verursacht hohe finanzielle Aufwendungen, trägt allerdings nur noch in geringem Maße zusätzlich zu Energieeinsparung bei", sagte der Geschäftsführer des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Christian Lieberknecht, anlässlich eines parlamentarischen Frühstücks in Brüssel.

Die laufende Novelle der Gebäuderichtlinie biete jedoch auch Chancen, den Beitrag des Gebäudesektors zum Klimaschutz zu stärken, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. "Dabei darf es aber nicht mehr nur um die Anforderungen an die Gebäudehülle gehen – auch die Versorgung der Gebäude mit erneuerbaren Energien ist ein wichtiges Element." von Susanne Ehlerding

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