Mittlerweile ist das Konzept in einem 30 Jahre alten sanierten Bürogebäude in Kjørbo am Stadtrand von Oslo umgesetzt. 2015 zogen dort Mitarbeiter des Architekturbüros Asplan Viak ein. Gut gelaunt führt der Architekt Peter Bernhard durch das Gebäude und zeigt, mit welchen architektonischen Mitteln der Plusenergiestatus des Hauses erreicht wurde.
Da ist die über drei Etagen reichende Wendeltreppe, die inzwischen berühmt ist, weil sie für mehrere Filme als Drehort genutzt wurde. Sie hat die Funktion eines Lüftungskanals, in dem warme Luft aufsteigt, um oben eingesaugt und in einer Anlage zur Wärmerückgewinnung aufbereitet zu werden. „Mit der Treppe nutzen wir die natürliche Luftbewegung und brauchen dadurch weniger Rohrleitungen. So können wir unsere Ziele mit weniger Technologie erreichen. Das ist eines der Geheimnisse“, sagt Bernhard.
Überall im Haus hängen schaumstoffartige weiße Matten wie Fächer von den Decken oder sind von den Wänden abgespreizt. Sie sind aus alten PET-Flaschen recycelt und sorgen für eine gute Akustik. Gleichzeitig verdecken sie die nackten Betondecken, die vorher abgehängt waren. "Jetzt, wo sie frei liegen, können wir sie als Wärme- oder Kältespeicher nutzen", erklärt Bernhard.
Die wenige Restwärme, die das Gebäude braucht, wird über eine Erdwärmepumpe gewonnen, die 200 Meter tief reicht. Fünf kleine Heizkörper auf jeder Etage sind genug, um zu heizen. Auf dem Dach und auf Nebengebäuden in der Umgebung sind Solarzellen montiert. Sie sind in Ost-West-Richtung platziert, um den größtmöglichen Ertrag zu liefern.
Einen Stromspeicher hat das Gebäude nicht, weil das umweltfreundlicher sei, sagt der Architekt. Überschüssiger Strom wird an die Wasserstofftankstelle an der Ecke geliefert, wo er von einem Elektrolyseur genutzt wird.
Die Fassade ist verschalt mit Holz, das wenige Kilometer entfernt geschlagen wurde. Mit einer alten japanischen Technik sind die Bretter verkohlt worden, so dass sie der Witterung besser trotzen. Zu den materialsparenden Komponenten im Haus gehören die Türen, die aus den alten Glasfassadenelementen angefertigt wurden. „Weil es Glas war, das man nicht schneiden kann, haben wir die Türen an die Maße angepasst“, berichtet Bernhard.
Auf diese Weise zwingt das Konzept des Plusenergiehauses inklusive grauer Energie zum sparsamen Bauen. „Form follows environment“, nennt es Rune Stene. Er ist Angestellter beim Baukonzern Skanska und Leiter der Powerhouse-Kooperation. Sie besteht aus der Umweltorganisation Zero, den Architekturbüros Snøhetta und Asplan Viak, dem Immobilienunternehmen Entra und Skanska. Sie haben das Powerhouse in Kjørbo von Anfang an gemeinsam geplant.
Stene präzisiert, was ein Powerhouse ist: „Es produziert über seine gesamte Lebenszeit mehr Energie als es verbraucht. Diese Energie muss die Herstellung der Baumaterialien, den Bau und den Betrieb und am Ende den Abriss kompensieren.“
Um eine solche Rechnung aufzustellen, muss man natürlich einige Annahmen treffen. So sind die Planer davon ausgegangen, dass das Gebäude 60 Jahre hält. Daraufhin wurde die Menge der Solarpanele ausgelegt, die neben der Wärmepumpe als Plus auf der Seite der Energieproduktion stehen. Auch der Energieverbrauch für die Panele selbst musste kalkuliert werden. Informationen darüber zu bekommen, war gar nicht so einfach, berichtet Bernhard – es ist in den Herstellerangaben einfach nicht vorgesehen. Am Ende stellte sich heraus, dass die PV-Panele rund ein Drittel aller im Gebäude verbauten Energie ausmachen. Danach folgen der verbrauchte Stahl und das Lüftungssystem, Beton und Teppiche, das verbaute Holz, die Isolierung und die Fassade sowie die Fensterrahmen aus Aluminium.
Drei weitere Powerhouses plant die Kooperation. Das älteste Projekt mit Namen Brattørkaia in Trondheim wurde aufgrund von Bauvorschriften verzögert. Die Architekten hatten ein großes, zur Sonne geneigtes Solardach geplant. Um darunter genug Nutzfläche unterzubringen, hatten sie das Gebäude höher geplant, als es in Trondheim erlaubt ist. Die Behörden wollten jedoch keinen Präzedenzfall schaffen und genehmigten die Höhe nicht. Inzwischen hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt und der Bau konnte beginnen. „In den Grundstein wurde eine Kopie des Klimaabkommens von Paris gelegt“, berichtet Stene.
Er plädiert dafür, die Kommunikation rund ums Energieeffizienz anders auszurichten: „Es sind die CO2-Emissionen, die uns umbringen. Also müssen auch die Umweltziele rund um den Kohlenstoff ausgerichtet werden. Es geht auch um ein anderes Denken. Vielleicht sollten wir ein paar Kilowattstunden mehr Elektrizität verbrauchen, als Materialien zu nutzen, die eine Menge CO2-Emissionen verursachen.“ Von Susanne Ehlerding