Bert Oschatz vom ITG Dresden hat auf den Energietagen in Berlin erste Ergebnisse einer neuen Studie vorgestellt, die sich mit den Auswirkungen möglicher Verschärfungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) auf die Baukosten beschäftigt.
Die Hauptergebnisse: Es gebe ein "differenziertes Potential für eine weitere Verschärfung der Anforderungen". Die Randbedingungen für diese Berechnungen seien aber "sehr sensitiv", betonte Oschatz, geringe Veränderungen etwa bei den angenommenen Energiepreisen oder bei der Effektivität der Anlagentechnik führten zu einer komplett anderen Betrachtung der Wirtschaftlichkeit. Er rät zu einer moderaten Verschärfung mit attraktiver Förderung.
Ohnehin sei fraglich, welches Modell der Wirtschaftlichkeit zugrunde gelegt werden solle. Bei einer volkswirtschaftlichen Betrachtung, die etwa die Kosten für die Klimaveränderungen berücksichtige, falle die Bewertung natürlich völlig anders aus als bei einer betriebswirtschaftlichen, die sich dann auf die Gebäude selbst und deren Eigentümer beziehe.
Zunächst beschäftigte sich Oschatz auch mit der Frage, ob die bisherigen Energieeinsparverordnungen zu einem Preisanstieg bei den Baukosten geführt haben. Diese Auswirkungen gebe es, so Oschatz, sie seien aber "keinesfalls der ausschlaggebende Faktor". Teurer wurde im Vergleich zum Verbraucherpreisindex vor allem die Gebäudetechnik. In diesem Segment waren die Preissteigerungen im Untersuchungszeitraum doppelt so hoch wie der Index. Das, so betonte Oschatz, hänge aber nicht unbedingt mit der EnEV zusammen: "Technische Anlagen bestehen aus Metall, da gab es deutliche Erhöhungen", nannte er einen weiteren wichtigen Grund. Vor allem beim Kupfer gingen die Preise deutlich nach oben.
Kostensteigerungen hängen nur bedingt mit EnEV zusammen
Auch eine eindeutige Aussage zu den Mehrkosten durch die EnEV 2016 sei schwerig. Er nannte, basierend auf Untersuchungen der Baukostensenkungskommission, Kostensteigerungen ab 1. 1.2016 durch EnEV und EEWärmeG zwischen 3 bis 11 Prozent in den Kostengruppen 300 und 400.
Mit der Möglichkeit weiterer Verschärfungen der EnEV hat er sich in einer Untersuchung befasst, die sein Institut gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Hauser, dem Fraunhofer-Institut IBP und dem Ingenieurbüro Schiller durchgeführt hat. Das Hauptergebnis: Eine moderate Verschärfung ist wirtschaftlich möglich, hängt jedoch von den einzelnen Gebäuden und den betrachteten Technologien ab. Wärmepumpen schneiden bei der Betrachtung der Kosten am besten ab, zumindest im Einfamilienhausbereich gehe der Trend in Richtung Effizienzhaus 55, fasste Dietmar Walberg von der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen für die Podiumsdiskussion die Ergebnisse zusammen.
Wohnungswirtschaft gegen Verschärfung
Entschiedener Widerspruch gegen eine weitere Verschärfung kam von Ingrid Vogler vom Verband der Wohnungswirtschaft, dem GdW. "Jedes Ressort will seine Anforderungen erfüllen", betonte sie, egal ob es um schnellen Neubau für Flüchtlinge oder um den Klimaschutz gehe müsse die Wohnungswirtschaft liefern.
Man dürfe aber nicht nur die Gesamtkosten betrachten, sondern die Wohnkosten. "Wenn wir die über 30 Jahre betrachten, gibt es erst einen großen Sprung, der dann mit der Energiepreissteigerungen geringer wird", schilderte sie die Konsequenzen. Kostengünstige Technologien wie Wärmepumpen seien zudem für große Gebäudebestände in Innenstädten aus Gründen des Lärmschutzes kaum zu realisieren. Fernwärme sei primärenergetisch okay, schwierig werde es dort, wo es nur Gas gebe.
Debatte zu Differenzierung bei EnEV nach Hausgrößen
Möglicherweise müsse man aus Gerechtigkeitsgründen sogar dazu kommen, in Einfamilienhäusern und Mehrfamilienhäusern andere Vorschriften für die Energiebilanz zu haben. Mieter verbrauchten heute schon 30 Prozent weniger Energie, da die Wohnungen kleiner seien. Im Neubau "liegt die gläserne Decke bei 60 kWh/m2a", skizzierte sie Erfahrungen aus der Praxis. Da gehe es im Neubau bereits heute vor allem um Warmwasser und Verteilungsverluste, "da ist noch viel Erfahrung notwendig", so Vogler.
Auch für Ulf Sieberg, Referent für Erneuerbare Wärmepolitik beim Bundesverband Erneuerbare Energien, stellt sich die Frage, "ob ich das Geld an den Zahnarzt am Starnberger See gebe oder an die Oma aus Marzahn." Eine Differenzierung könne auch verhindern, dass "bestimmte Akteure Sturm laufen", argumentierte er taktisch. In der politischen Debatte könnte eine differenzierte Betrachtung spannend sein, um sozial und wirtschaftlich gerechtere Vorgaben machen zu können.
"Technologieoffenheit, aber nicht Brennstoffoffenheit"
Ziel seines Verbands sei eine Dekarbonisierung. Das bedeute Technologieoffenheit, aber nicht Brennstoffoffenheit. "Es fließt derzeit noch viel Geld in das fossile Zeitalter um Effizienzpotentiale zu heben." Man müsse den Preisrahmen für fossile Energien umbauen, eine Chance sei die derzeitig diskutierte Zusammenführung von EEWärmeG und EnEV.
Eine Differenzierung für unterschiedliche Gebäudeklassen hält Oschatz für "illusorisch, es gibt auch keine Verordnung, die manche Autos stärker belastet." Eine reine Betrachtung der Mietkosten hält er auch aus Sicht der Wohnungswirtschaft für kurzsichtig: "Wie wollen die wohnungswirtschaftlichen Unternehmen denn überleben, wenn sie jetzt weniger investieren und dann mittelfristig die hohen Energiekosten haben. Das ist nicht zielführend für eine langfristige Betrachtung", argumentiert er.
Offen blieb eine weitere Frage, und zwar die der künftigen Rechengrundlage. Warum werde nicht der C02-Ausstoß zum Maßstab gemacht, das sei klimarelevant, so eine Frage aus dem Publikum. Das sei definitiv kein Thema, so Peter Rathert vom BMUB. Aber ja, konterte Ulf Sieberg. Auf Seiten des Finanzministeriums werde das sehr wohl diskutiert. von Pia Grund-Ludwig