Um private Wohnungseigentümer von einer energieeffizienten Renovierung ihrer Gebäude zu überzeugen, müssen Kommunen und Anbieter von Modernisierungsmaßnahmen mehr bieten als nur Finanzierungsanreize. In den Niederlanden scheint ein Ansatz erfolgreich, bei dem sich mehrere Unternehmen zusammengeschlossen haben, um Haus- und Wohnungsbesitzern ein Komplettpaket anzubieten. Es besteht aus Beratung zu Technik und Finanzierung sowie der Durchführung von der Planung bis zur Bauüberwachung.
"Die Rate derjenigen Eigentümer, die, auf die Vorteile einer Renovierung angesprochen, sich auch tatsächlich dafür entscheiden, ist durch unser Konzept von 0,3 auf 0,5 Prozent angestiegen", berichtet Christiaan Thissen von der niederländischen Firma Ecofys. Deren Schwesterunternehmen Ecostream hat das Marketing-Konzept wonen++ entwickelt, das derzeit 25 Glasunternehmen, vier großen holländischen Anbietern von Dämmstoffen, zehn verschiedenen Systemanbietern, mehr als 20 Installateuren und 25 Beratern als Plattform für die gemeinsame Vermarktung ihrer Dienste dient.
"Die Hürden für eine energetische Sanierung sind zahlreich. Da ist nicht nur das Problem der Finanzierung. Eine mindestens ebenso große Hürde ist der Aufwand", so Thissen. Die Wohnungseigentümer müssten Energieexperten, Banken und ausführende Firmen finden, mit ihnen verhandeln, sie koordinieren und kontrollieren. Viele könnten das nicht leisten. Im Zuge von wonen++ erhalten sie alles aus einer Hand, haben nur einen Ansprechpartner, der sich um alle Belange kümmert und die beteiligten Firmen koordiniert. Thissen spricht von "schlüsselfertiger Sanierung". Dieser Ansatz dürfte sich auch auf die Qualität der Sanierung auswirken, weil die Gewerke nicht nebeneinander her, sondern Hand in Hand arbeiten.
Zwar fällt die Steigerungsrate der Renovierungsquote im Moment noch sehr klein aus. Aber Thissen ist überzeugt, dass sich das ändert, wenn woonen++ in kommunale Gesamtstrategien eingebunden wird. Das ist zum Beispiel in Den Haag der Fall, wo das Ziel verfolgt wird, bis 2050 eine CO²-neutrale Stadt zu werden. "Dabei ist es natürlich von entscheidender Bedeutung, im Wohnungsbestand Energie einzusparen", sagt Milly Tambach, die am Forschungsinstitut OTB der Technischen Universität Delft über kommunale Strategien zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebestand forscht.
In den Niederlanden sind Tambach zufolge 53 Prozent des Bestandes selbst genutztes Wohnungseigentum. Daher sei es besonders wichtig, die Privatleute anzusprechen und ihnen die Vorteile einer Sanierung aufzuzeigen. Beispielsweise indem ihnen beispielhaft vorgerechnet wird, in welcher Zeit sie die Investitionskosten einer Sanierung durch niedrigere Energierechnungen wieder eingespielt haben.
Im Rahmen des Pilotprojekts wonen++ Haaglanden will die Stadt Den Haag im Stadtkreis Haaglanden 236.000 Wohnungen energieeffizienter machen. Dazu wird eine breit angelegt Informationskampagne via Webseite und Energieberatern mit dem wonen++-Angebot von Ecostream kombiniert.
Zwar sind in Deutschland deutlich weniger Wohnungen in Privatbesitz als im Nachbarland. Die Wohnungseigentumsquote liegt bei 43 Prozent. Dennoch könnte das Konzept wonen++ auch hierzulande interessant sein. "Wir haben schon darüber nachgedacht", berichtet Sigrid Lindner, Energieberaterin für Bestandsgebäude bei der deutschen Ecofys in Köln. Für die Zukunft sei eine Übertragung jedoch durchaus denkbar.
Bisher konzentriere sich Ecofys hierzulande vor allem darauf, die Kommunen darüber zu informieren, wie ihre Bestände aussehen und wo die größten Einsparungspotenziale liegen. "Wir untersuchen Gebäude- und Versorgungsstrukturen, damit die Städte mit konkreten Vorschlägen auf die verschiedenen Zielgruppen zugehen können", so Lindner. Sie selbst ist überzeugt, dass das Konzept woonen++ auch hierzulande Sinn macht. Lindner: "Bisher war es nicht im Fokus der deutschen Aktivitäten von Ecostream, aber das Potenzial für eine Umsetzung in Deutschland wird durchaus gesehen." sth